Fürstenfeldbruck:Gemeinsam alleine

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Diesmal trägt nicht nur der DJ dicke Kopfhörer - und es herrscht ausnahmsweise Ruhe im Alten Schlachthof. (Foto: Günther Reger)

Nur eine laute Party ist eine gute Party? Von wegen. Die Subkultur tritt bei ihrer ersten Silent Disco den Gegenbeweis an

Von Ekaterina Kel, Fürstenfeldbruck

Ein Mädchen setzt ihre Kopfhörer ab und ruft ihrer Freundin zu: "Und welchen Kanal hörst du?" Diese hatte eben noch genüsslich ihre Augen geschlossen und mit ausgebreiteten Armen getanzt. Sie lacht die Fragende an, hält ihren Daumen hoch. Die beiden nicken einander zu, die erste setzt ihre Kopfhörer wieder auf. Gemeinsam bewegen sie sich im Takt der Töne, die nur sie hören können. Und alle, die am Samstagabend im Schlachthof ebenfalls den ersten Kanal an den gelben kabellosen Kopfhörern eingeschaltet haben. An der rechten Ohrmuschel leuchtet bei jedem im Raum ein kleines grünes Licht. Es ist Silent Disco.

Zum ersten Mal setzt der Verein Subkultur das Konzept der Stillen Disko, das ursprünglich aus dem anglophonen Raum der Neunzigerjahre kommt, in Fürstenfeldbruck ein. Der Partygast bekommt beim Einlass gegen ein Pfand von 20 Euro Kopfhörer, die mittels Funk drahtlos Musik empfangen. Schaltet der Besucher an der rechten Ohrmuschel auf Kanal "A", bekommt er leicht tanzbaren House, auf "B" kann er sich einem entspannten Reggae-Sound hingeben. Zumindest am Anfang, während die beiden ersten DJs des Abends auflegen. Vier weitere DJs aus dem Landkreis sind eingeladen.

Die Idee, eine Stille Disko im Schlachthof zu veranstalten, habe sie schon an Ostern gehabt, erzählt Katharina Williams aus Geltendorf, die von allen nur Kadl genannt wird und eine der zehn Beiräte des Vereins ist. Damals sucht sie nach einem Weg, am gesetzlich als stiller Feiertag eingestuften Karsamstag eine Party steigen zu lassen. "Still. Still? Ja klar: Stille Disko!", habe sie gedacht. Doch die Stadtverwaltung bleibt hart: Tanzverbot - "auch wenn es ganz still ist". Deswegen entscheidet sich der Verein für einen ersten Versuch im Herbst.

Subkultur leiht sich also 120 Kopfhörer und stellt ein zweites DJ-Pult auf. Alles andere bleibt gleich: Bier, Spezi, Wasser, Diskokugel. Williams hat anfangs noch Sorge, dass bei diesem ungewöhnlichen Event niemand tanzen könnte. Schließlich sei es ein "soziales Experiment". Doch schon gegen zehn Uhr abends strahlt sie. Die noch spärlich im Raum verteilten Gäste tanzen - mit Kopfhörern. Sie selbst tanzt auch hinter der Bar. "Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen."

Andreas Noll aus München ist DJ Acid Andee und konzentriert sich auf seine Mischung eines gut verdaulichen elektronischen House. Gegen ihn behauptet sich der Brucker Raphael Knipping. Er legt das auf, was er selbst am liebsten hört: "Reggae Schrägstrich Dub", aber bloß "hobbymäßig", ergänzt der Student, der mit drei Kopfhörern gleichzeitig hantiert. Wie ist es, als DJ seine eigene Musik nicht im Raum zu hören? "Irgendwie komisch", sagt er, "aber auch ein witziger Gag". Die Tanzfläche füllt sich, an der Bar wird eine leuchtend rote Flüssigkeit in Schnapsgläser eingeschenkt. "Es ist echt krass!", sagt ein Besucher und lehnt sich ans DJ-Pult. Ein anderer schiebt die linke Ohrmuschel zur Seite und schreit dem ersten ins Gesicht: "Ist echt geil!" Hinter ihnen sitzt eine Gruppe junger Frauen auf dem Sofa und beobachtet die Tanzfläche. Sie haben ihre Kopfhörer abgenommen. Vor ihnen zappeln die Partygäste im Stillen, man hört das Auftreten der Schuhsohlen auf dem Boden, das Klirren der Bierflaschen an der Bar, Gesprächsfetzen in Zimmerlautstärke.

"Es ist befremdlich. Alle Leute bewegen sich, obwohl keine Musik spielt", so schildert es eine Besucherin. Doch die meisten würden ihr nicht zustimmen. Sie lassen sich auf das Experiment ein, setzen ihre Kopfhörer auf, schauen einander in die Augen und tanzen zusammen. Der DJ dreht auf, einer klatscht mit und ein paar stimmen in den rockigen Song von Fall Out Boy ein: "Let's be alone together" - lass uns gemeinsam alleine sein.

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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