Fürstenfeldbruck:Gelächter als Grundgeräusch

Urban Priol

Pointen-Stakkato: Urban Priol bei seinem Auftritt im Stadtsaal im Veranstaltungsforum Fürstenfeld.

(Foto: Günther Reger)

Urban Priol verzweifelt unterhaltsam an der Politik

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Urban Priol ist ein politischer Kabarettist. Drei Tage nach der Bundestagswahl musste er die aktuellen Ereignisse in sein Programm einbauen. Das haben die Besucher im ausverkauften Stadtsaal im Fürstenfelder Veranstaltungsforum auch von ihm erwartet. Und der gebürtige Aschaffenburger wurde den Erwartungen der Zuschauer gerecht. Buntes Hemd, Turnschuhe, Jeans und mit der für ihn typischen Windstoßfrisur betritt Priol die Bühne. Übergangslos kommt er sofort auf die Wahl zu sprechen. "Ein Erdbeben war das", sagt er. Nur Kanzlerin Merkel habe das ignoriert. Sofort ist Priol in der Merkel-Stimmlage. "Mein Vertrag wurde verlängert. Ich musste nur dafür sorgen, dass die anderen noch schlechter abschneiden", lässt er sie mit typischer Hände-Rautenhaltung sagen und bescheinigt ihr einen "völligen Realitätsverlust".

Priol, 56 Jahre alt und seit 35 Jahren auf der Bühne, will Merkel beruflich überleben, wie er bekräftigte. Er steht bei seinem Auftritt an einem Bistrotisch und blättert sein Manuskript durch. Das gibt ihm wohl Sicherheit, aber er schaut die schriftliche Vorlage nicht an. Wenn er spricht, ist auch sein Körper im Einsatz. Er unterstreicht das Wort mit Armbewegungen und Mimik. Immer wieder bewegt er sich zwischen dem Stehtisch und einem niedrigen Tisch mit Stuhl. Auf dem platziert er sich immer wieder entnervt, wenn er über Trump, Dobrindt oder andere CSU-"Voralpenwichtel" und die AfD-"Adelsschnepfe" Beatrix von Storch seinen Spott ausschüttet. FDP-"Bambi" Lindner ordnet er unter "Generation Luftpumpe" ein. Keiner spielt den Entnervten eindrucksvoller als Priol.

Er ist der Marathon-Mann unter den Kabarettisten. Schon bis zur Pause konfrontiert er die Besucher mit einem 90-minütigen Pointen-Stakkato. Priol ist ein Schnellsprecher, der beim Publikum einiges an politischem Wissen voraussetzt, um ihm gedanklich folgen zu können. Die Besucher gehen mit: jauchzen immer wieder und lachen. Hier und da gibt es Szenenapplaus. Manche werden aber auch von der dichten Pointendichte spürbar überrollt, weil sie der Gedankenschnelle des Dargebotenen nicht immer folgen können. Hinterher mag sich der eine kaum noch daran erinnern, Geschichten oder Pointen nachzuerzählen, vielleicht, weil er sie fortwährend knallend wie eine Feuerwerksbatterie erlebt hat. Wie oft bei gutem Kabarett, leidet der mitdenkende Zuschauer auch unter der Anstrengung, noch mitzuhalten zwischen Hören, Aufnehmen, Lachen und gleichzeitig wieder Hören und Aufnehmen.

Eines aber ist gewiss an diesem Abend: Dass das, worüber man bei der morgendlichen Zeitungslektüre oder der abendlichen Tagesschau augenrollend stöhnt, von Urban Priol so bissig, witzig, scharfsinnig und kunstvoll gesehen und formuliert wird, dass die Welt fast wie eine Verstehen-Sie-Spaß-Show erscheint. Dies jedoch nicht verharmlosend, sondern tröstlich, weil man über persönliche Ängste und globale Bedrohungen auch mal lachen darf. Mächtige, jahrzehntelange Bühnenerfahrung kann perfekt Pausen setzen, Szenen wechseln, vom Gehen zum Stehen zum Sitzen kommen, vom Adagio zum Presto und Prestissimo. Leider werden die Pointen hier und da "weggesprochen", so dass auch gute Ohren nicht alles mitbekommen, was Urban Priol sagt, zumal das Gelächter des Publikums nie ganz verebbt, sondern die Vorstellung konstant begleitet, als mal anschwellendes, mal verebbendes Grundgeräusch.

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