Fürstenfeldbruck:Gegen Rassismus und für Inklusion

Die Hertie-Stiftung kürt Menschen, die sich seit Jahren für eine pluralistische Gesellschaft einsetzen. Zwei von ihnen kommen aus dem Landkreis

Von Marija Barišić, Fürstenfeldbruck

Dominik Palme

Dominik Palme.

(Foto: privat)

Junge Menschen vor den Vorhang holen, die sich engagieren. Die für kulturelle Vielfalt, Integration und Inklusion kämpfen. Solche Personen, die gerade mit Blick auf den rassistisch-motivierten Anschlag in Hanau immer wichtiger werden, will die gemeinnützige Hertie Stiftung nun küren. Im Rahmen ihrer Aktion "Generation Grenzenlos" hat die Stiftung dreißig Menschen unter dreißig vor die Kamera geholt, die sich mit ihren Projekten oder Unternehmen für eine pluralistische Gesellschaft stark machen. Anlass für die Aktion ist das 30. Jubiläum der deutschen Wiedervereinigung. In wöchentlichen Videoporträts werden die jungen Erwachsenen nun auf den Social-Media-Kanälen der Stiftung vorgestellt, zwei davon kommen aus dem Landkreis.

Lorenz Narku Laing, der in Fürstenfeldbruck wohnt, ist einer von ihnen. Laing denkt Deutsch, redet Deutsch, wurde in Deutschland geboren, und trotzdem "bin ich nicht irgendein Deutscher", betont er, "sondern schwarzer Deutscher." Das sei ihm schon sehr früh bewusst geworden, eigentlich schon im Kindergarten, sagt er. Denn die rassistische Diskriminierung, die Laing als britisch-deutschem Staatsbürger mit ghanaischen und jamaikanischen Wurzeln bis heute entgegenschlägt, ist "ein roter Faden, der sich durch mein Leben zieht." Trotzdem glaubt Laing "fest daran, dass man Rassismus bekämpfen kann." Und das tut er auch. Nicht nur im Privaten, wenn er am Heimweg stundenlang Sticker der rechtsextremen Identitären Bewegung von Laternenmasten entfernt, sondern auch beruflich: 2015 gründet Laing, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Politikwissenschaft an der LMU in München tätig ist, sein eigenes Unternehmen "Vielfaltsprojekte" mit Sitz in Fürstenfeldbruck. Dort arbeitet Laing schon seit fünf Jahren als sogenannter "Diversity Trainer", wofür er nun von der Hertie Stiftung auch gekürt wird.

Lorenz Narku Laing

Lorenz Narku Laing.

(Foto: privat)

Wie er seinen Beruf Menschen erklären würde, die kein Englisch verstehen? "Ich würde es ins Deutsche übersetzen und sagen, dass ich Vielfaltsberater bin", sagt er und fügt hinzu, "einer, der Menschen dazu anhält, über Themen wie Rassismus und Diskriminierung nachzudenken." Dafür hat der 27-Jährige mit seinen Seminaren mittlerweile nicht nur Parteien wie die CDU oder die SPD, sondern auch Verbände wie die Arbeiterwohlfahrt oder den paritätischen Wohlfahrtsverband besucht. Für Laing ist es dabei besonders wichtig, dass die Menschen in seinen Seminaren lernen, ihre eigenen Vorurteile zu reflektieren. Das sei nicht immer leicht, denn "selbstverständlich erlebe ich auch Widerstand von Menschen, die sich eingestehen müssen: Oh. Da habe ich selbst eine diskriminierende Haltung eingenommen". Für den Diversity Trainer ist das allerdings ein gutes Zeichen, denn "wenn jemand streitet und diskutiert, bedeutet das nichts Anderes, als dass er sich gerade selbst hinterfragt." Und genau das will Laing bewirken. Aber wozu eigentlich? "Um Freiheit für alle zu schaffen. Ich will wie mein weißer Freund einen Urlaub an der Ostsee buchen können, ohne mir Gedanken zu machen, ob ich dort auf Rassismus stoße. Solange wir nicht auf die Straße gehen können ohne Angst zu haben, angepöbelt zu werden, sind wir nicht frei." Abgesehen davon ist Laing davon überzeugt, "dass eine Gesellschaft, die mehr Freiheit für alle zulässt, egal ob man schwarz ist oder im Rollstuhl sitzt, viel spannender ist."

Dominik Palme würde Laing Recht geben. Auch der 20-jährige Münchener aus Germering wurde von der Hertie-Stiftung für sein Engagement bei der inklusiven Klettergruppe "Ich will da rauf!" (IWDR) ausgezeichnet. Schon als Schüler beginnt Palme, der selbst unter einer Muskel- und Gelenkkrankheit leidet, beim IWDR zu klettern. Er weiß, wie schwer es für Menschen mit körperlicher Behinderung sein kann, Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu entwickeln: "Es beginnt damit, dass man in der Schule beim Sport immer als Letzter gewählt wird und viele Menschen einem nichts zutrauen." Erst beim IWDR sei er damals auf Menschen gestoßen, die an ihn glaubten: "Ich wurde dort aufgenommen, wie ich bin, konnte meine Grenzen austesten, lernen was ich kann und einfach Sport machen wie jeder andere auch."

Dieses Gefühl, diese Bestätigung, gibt Palme nun auch an andere Jugendliche weiter, die sich in ähnlichen Situationen befinden wie er damals. Wichtig sei es, die Jugendlichen eben nicht speziell oder anders zu behandeln und die körperliche Behinderung nicht ständig in den Mittelpunkt zu rücken. Sein Ziel ist es, deutschlandweit inklusive Sportgruppen aufzubauen, "weil alle das Recht haben Sport aktiv zu erleben!"

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