Fürstenfeldbruck:Gefahrenzone Bushaltestelle

Lesezeit: 3 min

Bei einer Aktion des Auto Club Europa vor dem Brucker Viscardi-Gymnasium beobachten die Verkehrszähler etliche Verstöße gegen das Gesetz. Ein Grund dafür dürfte im fehlenden Wissen der Autofahrer liegen. Deshalb will der ACE mit der bundesweiten Aktion aufklären

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Es ist Montagmittag, 13 Uhr, für viele Schüler am Viscardi-Gymnasium Zeit, nach Hause zu gehen. Unzählige Jugendliche schlendern und rennen, radeln oder ratschen noch vor dem Schulgebäude und stehen an den beiden gegenüberliegenden Bushaltestellen in der Balduin-Helm-Straße. Der ideale Ort und Zeitpunkt also für Florian Baar und Robert Bauer vom Auto Club Europa (ACE), für ihre Beobachtungen und Verkehrszählungen an Bushaltestellen. Derzeit sind die ACE-Mitglieder in ganz Deutschland mit ähnlichen Aktionen unter dem Titel "Nadelöhr Haltestelle" unterwegs. In Fürstenfeldbruck haben sich die Verkehrsaktivisten Unterstützung von der SPD-Landtagsabgeordneten Kathrin Sonnenholzner geholt. Sie steht an diesem verregneten Julitag in ihrem hellen Regenmantel vor der Schule und beobachtet aufmerksam das Verhalten der Autofahrer, wenn ein Bus hält, damit die Schüler einsteigen können.

"Ich glaube, es ist vielfach keine böse Absicht", sagt die Politikerin gerade. Während sie spricht, fahren drei Pkw auf der entgegenkommenden Fahrbahn ungebremst an dem haltenden Linienbus vorbei, der mit Warnblinker ander Haltestelle steht. Oft wüssten die Verkehrsteilnehmer einfach nicht, wie sie sich an Bushaltestellen korrekt zu verhalten hätten, pflichtet ihr Bauer bei, der Kreisvorsitzender für München beim ACE ist. Baar ist der Regionalbeauftragte für Bayern; er ist für den Termin aus Nördlingen angereist.

"Viele kennen die Verkehrsregeln gar nicht", betont auch Bauer. Und erläutert, dass Busfahrer an Haltestellen mit einer gelb-rot-gelben Banderole an dem grünen Schild verpflichtet sind, die Warnblinkanlage anzuschalten. Doch bereits das passiere oft viel zu spät, manchmal gar nicht, bemängeln er und Baar. Für Autofahrer und andere Verkehrsteilnehmer bedeutet ein stehender Bus mit Warnblinklicht, dass nur im Schritttempo an ihm vorbeigefahren werden darf. Und zwar von beiden Richtungen aus. Auch der Gegenverkehr müsse auf einen solchen Bus Rücksicht nehmen, betonen beide. Und selbst wenn der Bus ohne Warnblinker an der Haltestelle steht - bei Haltepunkten mit Schild ohne Banderole kann der Fahrer nach eigenem Gutdünken entscheiden - sind die Verkehrsteilnehmer auf beiden Straßenseiten verpflichtet, die Geschwindigkeit deutlich zu reduzieren. "Das gilt auch für mehrspurige Straßen", hebt der Kreisvorsitzende hervor. Wer sich nicht an diese Regeln hält, für den kann es teuer werden: 60 Euro und einen Punkt in Flensburg kostet alleine das verbotene Überholen von an Haltestellen stehenden Bussen, genauso viel das Nichteinhalten der Schrittgeschwindigkeit mit Behinderung von Fahrgästen.

Achtung, aufgepasst! Ein Linienbus nähert sich der Haltestelle und Florian Baar vom Automobil Club Europa zückt Papier und Stift. (Foto: Johannes Simon)

Noch bis Ende des Monats beobachten und zählen ACE-Mitglieder an Bushaltestellen in ganz Deutschland die aktuelle Situation. Insgesamt werden nach Baars Schätzung auf diese Weise rund 400 Haltepunkt erfasst, in Bayern, überschlägt er, dürften es 50 bis 60 sein. An der Balduin-Helm-Straße in Fürstenfeldbruck beobachten Baar und Bauer an diesem Mittag bei zwei haltenden Bussen insgesamt acht Autos, die sie überholen. Nur zwei davon halten die gesetzlich vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit ein. Beim Gegenverkehr ist es noch gravierender: Zehn Autos passieren die Busse, keines reduziert die Geschwindigkeit. Dieses Ergebnis für den Gegenverkehr haben die ACE-Vertreter bei allen vier Messungen - zwei an der Balduin-Helm-Straße und zwei Auf der Lände - erhalten. "Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache", sagt Baar. Wie er erläutert, werden die Ergebnisse der elf Regionen zusammengetragen und ausgewertet. Im Oktober sollen sie dann bei der Bundespressekonferenz vorgestellt werden.

Für seine bundesweite Aktion - übrigens die zehnte in Folge - hat der ACE auch die Unfallstatistik herangezogen. 4541 Verunglückte gab es deutschlandweit 2012 bei Verkehrsunfällen an Bushaltestellen. Dabei wurden 904 Verkehrsteilnehmer schwer verletzt, 54 starben. In Fürstenfeldbruck und Emmering gab es laut Polizei in diesem Jahr bereits fünf Unfälle mit Beteiligung eines Linienbusses, je zwei Mal gab es einen schwer und einen leicht Verletzten. Bei einer Kollision zwischen Pkw und Bus entstand nur Sachschaden. Soweit aus der Auflistung ersichtlich ist, passierte nur einer der fünf Unfälle an beziehungsweise nahe einer Bushaltestelle.

Im gleichen Maße, wie die Zahl der sich vor der Schule tummelnden Schüler abnimmt, wird der Regen kräftiger. Bauer hat mittlerweile seinen Schirm aufgespannt. Nur wenn gerade wieder ein Bus die Haltestelle ansteuert, macht er ihn zu, um besser sehen zu können. "Der macht seinen Warnblinker wieder so spät an", sagt er zu Baar. Etwa 30 Meter vor der Haltestelle begannen die Signallichter zu leuchten, Baars Empfehlung nach sollten es mindestens 100 Meter sein. "Die Autofahrer müssen sich ja auch darauf einstellen können", ergänzt Sonnenholzner, die sich als "ideelle Patin für das Ganze" sieht. Denn die Politik hat ihre Hausaufgaben bereits gemacht, die nötigen Gesetze gibt es, die Leute beachten sie bloß nicht. Deshalb hat der ACE zu dieser Zählung auch die Presse eingeladen. Um das Bewusstsein für die Gefahren an Bushaltestellen zu schärfen. Und um die geltenden Vorschriften noch einmal publik zu machen.

© SZ vom 22.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: