Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Gedrückte Stimmung

Inge Ammon und Bettina Kenter-Götte sprechen über den Alltag in Corona-Zeiten

Von Franziska Schmitt, Fürstenfeldbruck

Es scheint oftmals ein schmaler Grat zu sein zwischen der Kritik an den Maßnahmen bis hin zum Leugnen der Pandemie und dem Bedürfnis, einfach darüber reden zu wollen. Umso wichtiger ist das Gespräch über die tief greifenden Einschnitte seit dem Beginn der Corona-Pandemie. Sie reichen von der Maskenpflicht über Einsamkeit bis hin zu existenziellen Sorgen. So nahm sich das Life-Studio-FFB jetzt mit der Sendung "Corona nervt - Wir tun's auch!" dem Thema an. Im Gespräch waren Inge Ammon, Mitglied der Friedensbewegung aus Fürstenfeldbruck, und Bettina Kenter-Götte, Autorin und Schauspielerin aus Germering. Sie berichteten von ihren Erlebnissen, Erfahrungen und Beobachtungen aus dem Alltag in Zeiten von Corona.

Dass Ammon die Maske nervt, ist ihr erst neulich wieder bei einer Beerdigung aufgefallen. "Die Trauergemeinde ist eine Maskengemeinde gewesen," erzählt sie. Nachdem ein Restaurantbesuch anschließend nicht möglich gewesen sei, habe ein Treffen im Freien die Verbundenheit innerhalb der Familie gestärkt: "Das war in der Trauer ein schönes Erlebnis. Wir brauchen das Miteinander." Bettina Kenter-Götte konnte an einer Beerdigung im Bekanntenkreis nicht teilnehmen. Aufgrund ihrer Schwindelerkrankung, sei es ihr nicht möglich, eine Maske zu tragen, erzählt sie. Das Fernbleiben sei eine schmerzliche Entscheidung für sie gewesen. Während in bewegenden Momenten des Lebens, am Grab etwa oder während einer Geburt, Maske getragen werde müsse, sehe man zugleich, wie sich Fußballer auf dem Spielfeld ohne Maske näherkommen dürften.

Inge Ammon hat beobachtet, dass die Stimmung unter den Menschen bedrückt sei. Dies ist auch Kenter-Götte aufgefallen: "Was hält uns, wenn außen ganz viel wegfällt, was normalerweise bestärkt, erheitert, erfreut oder auch ablenkt?" Sie sehe auch eine Chance darin, dass dies jeder für sich herausfinde. Mal auf sich allein gestellt zu sein, auch das sei Teil des Lebens. Ammon erzählt, dass sie gerade in der Frühlingszeit den leeren Terminkalender genossen habe. Unbehagen habe ihr dann aber doch die Sorge ihrer Mitmenschen bereitet. Ihre Enkelkinder beispielsweise haben sie nicht mehr besuchen wollen, um sie zu schützen. Dabei habe sie selbst doch gar keine Angst. Panik, Angst und Ratlosigkeit kennt Kenter-Götte auch aus der Kulturbranche. Hieß es bisher auf den Theaterbühnen unter allen Umständen "the show must go on", käme die jetzige Schließung "einem Lebensabbruch gleich", sagt die Schauspielerin.

Beide wünschen sich mehr Austausch über die aktuellen Meinungsverschiedenheiten. Ammon sagt, dass sie bereits mit manchen das Gespräch gesucht habe, nachdem sie mit ihrer Sichtweise angeeckt war. Zum einen habe sie dabei herausgefunden, dass eine gemeinsame Auseinandersetzung mit den Ängsten hilfreich sei, um diese zu verstehen. Zum anderen sei es auch wichtig, unterschiedliche Meinungen nebeneinander stehen lassen zu können. Stattdessen solle man sich auf jene Punkte konzentrieren, bei denen man sich einig sei und so etwas gemeinsam gestalten könne. Für Kenter-Götte bedeutet das auch, sich über die eigenen Ressourcen klar zu werden: "Was wir für uns selbst und andere tun können, um uns nicht noch mehr herunterzuziehen, sondern stark zu halten", um so Ängsten und Unsicherheiten trotzen zu können. Für Ammon sind es die Begegnung mit Natur und Familie, aus denen sie Kraft schöpft. Dass das ein Privileg ist, während die einen auf zu engem Raum wohnen und andere auf sich allein gestellt sind, ist beiden bewusst.

Vieles im Alltag hat sich geändert. So müsse man täglich viele kleine Entscheidungen treffen, erklärt Kenter-Götte. Das beginne bereits bei der Art der Begrüßung. Sachen neu denken zu müssen, sieht Ammon als Chance, bessere Alternativen zu finden. Corona habe bereits bestehende Missstände aufgedeckt, sagt sie. Nun sei es an der Zeit, neue Wege auszuprobieren. Mit einem Zitat Goethes rundet Kenter-Götte das Gespräch ab. Sie ruft dazu auf, sich einander wieder anzunähern. Auch um sich zusammenzusetzen, gebe es schließlich reichlich Alternativen, sagt Kenter-Götte.

Das nächste Gespräch aus der Sendereihe "Was Warum" kündigt das Life-Studio-FFB für Freitag, 27. November, um 18.30 Uhr an. Zu Gast im Studio sind die Gröbenzeller Ärztin Birgit Hörger und Rudolf Ende aus Schöngeising, ehemaliger Gemeinderat und BN-Mitglied. Die Live-Übertragung kann im Internet unter www.lifestudio.ffbaktiv.de verfolgt werden. Die Aufzeichnungen der Sendungen sind zu finden unter der Adresse www.youtube.com/ffbaktivstudio

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Quelle:
SZ vom 26.11.2020
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