Traditionelle Wirtshäuser:Von der Poststation zum Romantikhotel

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Am Karsamstag 1923 fährt die festlich geschmückte letzte Postkutsche nach Maisach. Die Stimmung bei den Postillionen und den Bruckern, die die Straßen säumen, ist wehmütig. (Foto: Familie Weiß)

Der mächtige Gasthof am Marktplatz von Fürstenfeld­bruck wird seit 400 Jahren von einer Familie geführt. In dem Haus stiegen früher regelmäßig Adelige ab. Und für die Weiterreise von Kaisertochter Marie Louise wurden hier fast 400 Pferde bereit gestellt

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

368 Pferde und 30 Reservepferde müssen in dem kleinen Ort Bruck bereit gehalten werden. Denn vor dem Gasthof Post am Marktplatz im heutigen Fürstenfeldbruck, wird nicht irgend jemand erwartet, sondern Erzherzogin Marie Louise. Die österreichische Kaisertochter ist auf ihrer Brautfahrt zur Hochzeit mit Kaiser Napoleon. Es ist das Jahr 1810. Und es ist wieder einmal die Brucker Familie Weiß, die sich um den geplanten Pferdewechsel kümmern soll. Eine Familie, deren Stammbaum bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht und die seit 400 Jahren den imposanten Gasthof führt.

Die benötigten Pferde müssen von Amts wegen aus den Landgerichten Dachau und Starnberg requiriert werden, heißt es in der umfangreichen Familienchronik, die Seniorchef Ludwig Weiß vor einigen Jahren verfasst hat. Nicht immer sei das ohne Zwang gelungen. Die ganze "Suite" bestand aus 29 Achtspännern mit je zwei Postillionen, weiteren 80 Postillionen, außerdem Sechsspännern und Reitpferden. In der Früh des 18. März 1810 traf die künftige Kaisern unter Beleuchtung durch Fackelträger ein und wurde von der Nationalgarde in Paradeaufstellung empfangen. Deren Hauptmann war Ludwig "Louis" Philipp Weiß, der sich während der napoleonischen Kriege einen Namen machte als Retter der Klosterkirche Fürstenfeld und der ersten bayerischen Ständeversammlung angehörte. Ein glanzvolles Kapitel einer Ära mit vielen Höhen und Tiefen. Bis heute gibt es die seit 1620 bestehende Gastwirtschaft. Ihren Namen bekommt sie, weil sie von 1681 an als Poststation dient, zunächst für die Reitpost, bestallt durch die Fürsten von Thurn und Taxis. Im Spanischen Erbfolgekrieg (1701 bis 1714) wird sie von den Österreichern komplett niedergebrannt, aber an gleicher Stelle wiederaufgebaut.

Ludwig Weiß 1890 in der Küche mit den Töchtern Anna und Fanny. (Foto: Familie Weiß)

Bis heute steht im Stadtzentrum das mächtige, hellgelbe Gebäude. Ludwig Michael Weiß, 51, führt das Haus in der 13. Generation. Aus der Gaststätte wurde 1872 ein Gasthof und vor einigen Jahren das Viersterne-Romantikhotel zur Post mit 40 Zimmern. Ein Team von 40 Mitarbeitern und drei Auszubildenden kümmert sich um die Gäste. Darunter sind viele, die jedes Jahr kommen, gerne eines der Fürsten- oder Grafenzimmer buchen oder Themenzimmer, die an die Aufenthalte von Oskar von Miller oder Marie Luise erinnern. Und die Details wie den exzellenten "Hausgebrannten" zu schätzen wissen.

Bis heute ist die lange Geschichte des Hauses als Poststation spürbar, nicht nur wegen der vielen alten Ölgemälde an den Wänden. Wer genau hinsieht, der erkennt an vielen Stellen noch das Posthorn, so auch auf dem Familienwappen. Viele historische Kutschen werden auf dem Gut Zellhof im nahen Schöngeising aufbewahrt. Seniorchef Ludwig Weiß lässt sie dort instand halten. Zu sehen ist die eine oder andere noch heute bei festlichen Anlässen wie der alljährlichen Leonhardifahrt, die über den Marktplatz und damit direkt vorbei an der Post führt.

Wo früher Pferde gewechselt wurden, rauschen heute Autos vorbei. (Foto: Leonhard Simon)

Am Karsamstag 1923 fährt die letzte Postkutsche in offizieller Mission von Bruck nach Maisach. Der halbe Ort verabschiedet den Vierspänner mit den herausgeputzten Postillionen. Längst hat die Eisenbahn ihren Siegeszug angetreten, Pferde und Kutschen können da nicht mehr mithalten - bekommen noch so etwas wie eine Gnadenfrist als Zubringerdienst zwischen zwei Bahnlinien.

Als i-Tüpfelchen hat sich der knallgelbe Briefkasten neben dem Eingang in die moderne Zeit gerettet, in der die Autos an dem 1873 wiederaufgebauten altehrwürdigen Gebäude vorbeirauschen. Ludwig Michael Weiß will gar nicht gar zu weit zurückblicken in die angeblich gute alten Zeit als Poststation, auch wenn sie immer präsent bleibt: Er sitzt in der Maximiliansstube vor dem großen Glasbild, das den Einzug von Kurfürst Max IV. Josef in München vor dem Neuhauser Tor im Jahr 1799 zeigt. Darauf zu sehen ist, eine Hellebarde haltend, auch Reichspoststallmeister Ludwig Philipp Weiß. Großes Glück habe die Familie gehabt, vor allem gut durch die Zeit des Zweiten Weltkriegs und die folgende US-Besatzung zu kommen. 1939 muss sich sein Großvater inklusive des beschlagnahmten Opel Super zum Bahnhof Olching begeben. Nach dem Frankreichfeldzug wird er dann aber als unabkömmlich in der Heimat eingestuft, weil er sich um den landwirtschaftlichen Betrieb kümmern soll, der dem Gasthof angeschlossen ist. In dessen Weinstube feiern "Fliegergrößen" wie Hans-Joachim Marseille und andere Offiziere vom nahen Fliegerhorst. Die Preise für die normalen Leute sind moderat, wie die Tageskarte vom 11. Januar 1943 belegt. Die Kartoffelsuppe kostet 20 Pfennig, das Stammgericht Blaukraut mit Kartoffelbrei 60 Pfennig, die Ammerseerenke mit Salat 1,50 Mark und die garnierten Schweinswürstl eine Mark.

Am 29. April 1945 wird die Post von sechs US-Offizieren beschlagnahmt. Therese Weiß vermerkt in der Chronik, dass diese zum Frühstück nicht weniger als 60 Eier verputzen. Eineinhalb Jahre bleibt der Gasthof von den Amerikanern besetzt. Ende der Vierzigerjahre erlebt er dann wieder einen Aufschwung. Er ist Anlaufstation vieler Busreisegruppen aus England und Schweden. 1978 nächtigt sogar Josef Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI, im Hotel Post.

Der nächste große Dämpfer kommt just nach der sehr umfangreichen Sanierung: Corona. Zwei Monate ist die Post zu, viele Mitarbeiter werden in Kurzarbeit geschickt. Aber auch die aktuell schwierige Zeit werde die Familie durchstehen, davon ist Ludwig Michael Weiß überzeugt. So ein geschichtsträchtiges Haus zu führen, sei eben "Verpflichtung und Last zugleich".

© SZ vom 05.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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