Süddeutsche Zeitung

E-Mobil-Messe:Fürstenfeld, wie es surrt und schnurrt

Drei Tage lang machen sich Besucher im Veranstaltungsforum ein Bild von der Alltagstauglichkeit der E-Mobile

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Sie kommen noch nicht so richtig aus den Startlöchern: Hybridmodelle mit zwei Herzen - meist eine Kombination aus Elektro- und Benzinmotor - , vor allem aber Fahrzeuge mit rein elektrischem Antrieb. Und das, obwohl immer mehr alltagstaugliche Fahrzeuge auf den Markt kommen. Was also muss passieren, um die im Idealfall nahezu emissionslose Fortbewegung voranzubringen? "Es muss in die Köpfe rein", sagt Alexa Zierl, Vorsitzende des Klimawendevereins Ziel 21 und Umweltreferentin im Brucker Stadtrat. Deshalb steht sie bei der Messe E-Mobil in Fürstenfeld von Freitag bis Sonntag am Ziel-21-Stand. Und während die großen Gäste all den technischen Neuentwicklungen unter Motorhaube oder Motorradlenker schauen oder mit der neuesten Generation auf zwei bis vier Rädern Proberunden durch die Stadt drehen, kümmert sich Zierl ebenfalls um die nächste Generation - die zweibeinige. Unter ihrer Anleitung kleben Kinder kleine Windräder aus Papier und winzige Solarzelle auf eine Pappe, treiben damit einen Mikromotor an und lernen so, was sich alles mit Hilfe von Sonne und Wind bewegen lässt.

Geht es nach der Bundesregierung, dann sollen bis 2020 auf deutschen Straßen eine Million Elektroautos rollen. Theorie trifft Praxis: Mitte 2014 waren im Landkreis ganze 34 Fahrzeuge mit reinem Elektroantrieb gemeldet. Im Vergleich zu insgesamt 110 746 zugelassenen Kraftfahrzeugen der buchstäbliche Tropfen auf den heißen Stein. Und deshalb ist es Alexa Zierl ein großes Anliegen, bei der Generation, die nach 2020 ebenfalls am Steuer sitzen wird, für die Energiewende zu werben und eben auch für die Elektromobilität als wichtigen Bestandteil. Die Stadträtin ist selbst mit ihrem Pedelec, einem Fahrrad mit Elektromotor, nebst Lastenanhänger da. Aber sie weiß auch, dass es noch eine Hemmschwelle gibt, vor allem wenn es um die Anschaffung von Elektroautos geht. Modelle wie BMW i3, VW Up, E-Golf, Renault Zoe oder auch Luxusmodelle wie BMW i8 oder Tesla Roadster oder Model S haben mit realen Problemen, aber auch mit Vorurteilen zu kämpfen: Entweder limitieren die Batterien noch zu stark die Reichweite oder die Autos sind im Vergleich zur stinkenden Konkurrenz zu teuer. Zudem sind E-Mobile nur dann wirklich sauber, wenn der Strom mittels regenerativer Energiequellen erzeugt wird und nicht per Kohle- oder Atomkraftwerk. Alexa Zierl ist dennoch überzeugt, dass es letztlich kaum Alternativen zum E-Mobil gibt. Modelle wie der Renault Zoe seien bereits erschwinglich, ohne dabei allzu viele Abstriche bei der Alltagstauglichkeit hinnehmen zu müssen. Vor allem aber hofft sie, das sich viele Menschen vom Konzept "ein Auto für alle Lebenslagen" verabschieden und zumindest als Zweitfahrzeug zu kleinen Stromern greifen - vielleicht sogar bedarfsgerecht mittels Carsharing. Bruck prüft zurzeit, ob sich ein Carsharing-Angebot, das auch Elektrofahrzeuge umfasst, mit Hilfe von Fördermitteln umsetzen lässt. Es wäre eine schöne Ergänzung zu einem weiteren Modellprojekt: Zum Fahrplanwechsel werden auf der Linie 840 im MVV-Gebiet erstmals drei Hybrid-Busse eingesetzt. Zudem sollen auch E-Mobile verstärkt in die städtischen Fuhrpark aufgenommen werden. Ähnlich das Bild bei den Stadtwerken, die jüngst einen E-Golf geordert haben.

Vor allem die höheren Preise schrecken noch viele Interessenten ab. Diesen Eindruck hat auch Maximilian Garner, Verkaufsleiter des Brucker Autohauses Rasch. Gut 30 Mal starten Besucher allein am Samstag im VW Up oder im E-Golf zu Probefahrten. Kaum einer steigt aus, ohne von dieser neuen Art der völlig geräuschlosen und turbinenartigen Fortbewegung zu schwärmen. Letztlich legt sich aber nur einer fest auf den Kauf eines VW Up. Warum? Zu wenige Stromzapfsäulen, weniger Flexibilität als mit herkömmlichen Motoren, und mit 26 000 Euro (VW Up) und fast 35 000 Euro (E-Golf) sind solche Autos in der Anschaffung teurer als die klassischen Varianten (auch wenn der Betrieb deutlich billiger ist). Deutschland solle sich bei einer Anschubfinanzierung Länder wie Schweden zum Vorbild nehmen, sagt Garner. Etwa ein Elektroauto im Monat verkauft sein Autohaus. Es sollen mehr werden. Denn, so Garner: "wir leben das auch." Ähnlich sieht man das bei Power Plaza. In der Tenne steht ein Prototyp des südkoreanischen Herstellers von Batterien und Elektrokomponenten. Der kleine Zweisitzer soll eine Reichweite von 571 Kilometern haben, Tempo 198 schaffen, von 0 auf 100 in unter fünf Sekunden sprinten und in etwa zwei Jahren auch in Deutschland für etwa 35 000 Euro zu haben sein. Zukunftsmusik? Als am Samstagvormittag 160 Fahrzeuge von Fürstenfeld aus zur Rundfahrt rund um den Ammersee aufbrechen, scheint diese Zukunft bereits in greifbarer Nähe zu sein - völlig lautlos und ohne Abgase surren und schnurren sie von dannen. Einfach traumhaft.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2676767
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.10.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.