Fürstenfeldbruck:Fünf Jahre Streit um belastete Namen

Fürstenfeldbruck: An einen "Pionier der Luftfahrt" erinnert das Schild für die Wernher-von-Braun-Straße in Bruck. Die NS-Vergangenheit bleibt ungenannt.

An einen "Pionier der Luftfahrt" erinnert das Schild für die Wernher-von-Braun-Straße in Bruck. Die NS-Vergangenheit bleibt ungenannt.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

In Bruck werden Hunderte Alternativvorschläge eingereicht, doch viele Anwohner lehnen Umbenennungen weiterhin ab. Einigkeit besteht darin, nun endlich das kontroverse Thema abzuschließen

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Das Interesse an der Debatte über braune Straßennamen in Bruck scheint groß. Hunderte Bürger haben auf den Aufruf der Stadt geantwortet. Nun soll endlich der Stadtrat entscheiden, fordert Kulturreferentin Birgitta Klemenz (CSU). Bereits im Herbst sollte der Kulturausschuss dafür eine Vorlage liefern, was jedoch an internen Querelen scheiterte. Klemenz hat nun das "ewige Geziehe" satt. "Ich habe das Gefühl, dass manche nicht Farbe bekennen wollen."

Der Kultur- und Werkausschuss sowie ein Arbeitskreis Straßennamen schieben sich das heikle Thema seit Jahren gegenseitig zu. Im Verlauf dieser Prozedur hat die Mehrheit der Stadträte von siebzehn Namensgebern bereits neun rehabilitiert, darunter den Wehrwirtschaftsführer Willy Messerschmitt, der den Einsatz von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen forderte. Umbenannt werden sollen nur noch sechs Straßen, die Langbehn-Straße in Puch, gewidmet einem fanatischen antisemitischen Schriftsteller, sowie die Ederer-, Eschenauer-, Von-Gravenreuth-, Josef-Priller- und Zenettistraße in der Flughafensiedlung, die nach Offizieren und Piloten der Wehrmacht benannt sind. Strittig sind Reichspräsident Paul Hindenburg und der Weltraumpionier Wernher von Braun, weil eine Umbenennung im Arbeitskreis jeweils an einem Patt scheiterte.

An Braun, dem Raketenbauer Hitlers und SS-Sturmbannführer, hatte sich die Debatte überhaupt erst entzündet. Im Juli gab der Kulturausschuss wieder nicht wie vorgesehen eine Empfehlung an den Stadtrat ab, sondern beschloss, dass jeder Bürger Vorschläge für neue Namen machen sollte, woraufhin die Stadt die Bürger dazu im Rathausreport und auf ihrer Homepage aufrief. Knapp 700 Rückmeldungen trafen ein, darunter etwa 100 Meldungen, die Kulturreferent Klaus Wollenberg (FDP) als Fake wertet.

Er kritisierte das gesamte Verfahren als "dilettantisch", weil nicht ausgeschlossen worden sei, dass jemand mehrere Voten abgibt. Auch Christian Stangl (Grüne) kritisierte das Verfahren als "höchst zweifelhaft". Er geht davon aus, dass sich vor allem Betroffene meldeten, die schon aus Bequemlichkeit keine Umbenennung wollten. Tatsächlich sammelten Anwohner etwa 300 Unterschriften gegen Umbenennungen. Außerdem schrieben Bürger persönliche Briefe an den Oberbürgermeister.

Auf dieser Grundlage sollte der Arbeitskreis eine Vorlage für den Kulturausschuss verfassen, der wiederum im November eine Empfehlung an den Stadtrat aussprechen sollte. Der Zeitplan geriet wieder durcheinander, weil sich der Arbeitskreis nicht einigen konnte. Wollenberg erklärt, die Vorlage sei "unglücklich formuliert" gewesen. Oberbürgermeister Erich Raff (CSU) bemängelte, dass die Ergebnisse der Umfrage darin gefehlt hätten.

Für weiteren Ärger sorgte der OB selbst. Wollenberg, Stangl sowie Klaus Quinten (BBV) berichten, dass Raff Hindenburg und Wernher von Braun von der Liste nehmen wollte, mit dem Argument, ein Patt im Arbeitskreis bedeute analog der Geschäftsordnung im Stadtrat, dass die Anträge auf Umbenennung abgelehnt sind. "Das geht nicht", widersprachen BBV-Fraktionschef Quinten und Stangl. "Notfalls stellen wir einfach einen neuen Antrag", sagte Quinten der SZ. Klemenz merkte an, dass dem Arbeitskreis schon mal eine Entscheidungskompetenz abgesprochen worden sei. Raff ruderte zurück. Er steht zwar zu seiner Bewertung des Patts, will diese aber nur als Deutung nicht als Anordnung verstanden wissen. Selbstverständlich entscheiden der Kulturausschuss und der Stadtrat, sagte Raff der SZ.

In der Sache sind die Fronten unverändert. Der OB möchte die Straßenschilder belassen. "Sie sind ein Teil der Geschichte, mit der sich nachfolgende Generationen befassen sollen." Deshalb würde Raff die Straßennamen um Hinweisschilder ergänzen, auch wenn diese etwa bei Wernher von Braun groß ausfallen könnten. Für Klemenz ist es ein Trauerspiel, dass die Schilder noch hängen. "Es ist eine Beleidigung den Opfern gegenüber." Sie erinnerte an Pater Rupert Mayer, oder den Jesuiten Alfred Delp und Helmuth Graf von Moltke vom Kreisauer Kreis, die sich durch Klarheit und Kompromisslosigkeit gegenüber dem NS-Regime ausgezeichnet hätten. Unabhängig von ihrer Position, wollen alle die Debatte abschließen. Stangl würde dafür sogar die Zusatzschilder akzeptieren.

An diesem Mittwoch trifft sich der Arbeitskreis Straßennamen zur weiteren Beratung. Raff geht davon aus, dass der Kulturausschuss das Thema im März behandelt und der Stadtrat anschließend diskutiert und endgültig entscheidet.

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