Tausende von Flüchtlingen könnten ihren Internetanschluss verlieren, wenn das Finanzamt Fürstenfeldbruck dem Verein "Refugees online" die Gemeinnützigkeit entzieht. In Olching wären etwa 160 Menschen betroffen, berichtete Fritz Hartig vom Helferkreis. Für die Flüchtlinge wäre das fatal, weil sie damit Kontakt zu ihren Familien zuhause halten, Deutschkurse absolvieren oder Bewerbungen schreiben. Der Leiter des Finanzamtes wollte sich dazu nicht äußern, weil es sich um Steuergeheimnisse handele.
In den beiden Unterkünften in Olching leben derzeit knapp 200 Menschen. Seit zwei Jahren haben sie einen Wlan-Anschluss, den der Verein Refugees online eingerichtet hat. Die Ehrenamtlichen haben ein Konzept ausgearbeitet, Hardware beschafft, Verträge mit Providern abgeschlossen und kümmern sich um die Wartung. Jeder Flüchtling bezahlt im Monat zwei Euro für einen Voucher mit Kennung. Insgesamt dürften laut Hartig mehr als 160 dieses Angebot nutzen. Er betont, dass diese Verbindung für die Flüchtlinge, die in prekären Verhältnisse leben, dringend notwendig sei, um Kontakte zu knüpfen oder zu halten. Und: "Für manche ist es besser, sie machen irgendwelche Spiele, als gar nichts zu tun. Viele dürfen nicht arbeiten, weil das Landratsamt Arbeitsgenehmigungen verweigert", rügt Hartig.
Das System wird bislang durch die Beiträge der Flüchtlinge finanziert und durch Spenden, für die der Verein Quittungen ausstellen darf. So gewähre etwa ein Provider aus München einen Nachlass von 50 Prozent auf die Betriebskosten, sagt Vereinsvorsitzender Volker Werbus. Refugees Online sitzt in Gilching, besteht aus neun Ehrenamtlichen, von denen drei Techniker sind, und versorgt insgesamt 150 Flüchtlingsunterkünfte in Bayern.
Die Gemeinnützigkeit bekam der Verein laut Werbus vor drei Jahren zugesprochen, angeblich von dem selben Beamten des Brucker Finanzamts, der diese nun in Frage stellt. Als Werbus unlängst die Steuererklärung für den Verein einreichte, bekam er den Hinweis, dass ein gemeinnütziger Zweckbetrieb nicht vorliege, "da die Flüchtlingshilfe nicht durch das Liefern und Installieren von Wlan-Hotspot-Systemen verwirklicht werden kann und diese Tätigkeit zu steuerpflichtigen Betrieben in Wettbewerb treten kann". "Ich bin irritiert und schockiert", sagte Werbus. Er vergleicht den Fall mit einem Sportverein, dem die Gemeinnützigkeit entzogen würde, weil der Platzwart ehrenamtlich den Rasen mäht und damit kommerziellen Gartenbau-Betrieben Konkurrenz macht.
Hartig und Werbus halten die Begründung des Finanzamts deshalb für fadenscheinig. Der Verein hat einen Anwalt eingeschaltet. Der halte einen solchen "Zweckbetrieb" für einen gemeinnützigen Verein für durchaus zulässig, berichtet Werbus. Obendrein könnte es passieren, dass das Finanzamt eine Umsatzsteuer-Nachzahlung für die Hardware fordert. Für die Jahre 2017 und 2018 könnte die sich auf etwa 24 000 Euro belaufen, schätzt Werbus. Dabei habe der Verein überhaupt keinen Gewinn erzielt und nie eine Vorsteuer verlangt. Schon die Aufforderung, Umsatzsteuererklärungen einzureichen, würde die Ehrenamtlichen vor ein Problem stellen. "Wir haben etwa 8000 Belege", sagt Werbus. Er hofft noch auf ein persönliches Gespräch mit den Verantwortlichen im Finanzamt. Sollte die Behörde dem Verein wirklich die Gemeinnützigkeit entziehen, werde man klagen. Andernfalls könne der Verein diese Arbeit nicht mehr leisten.
Hartig geht davon aus, dass die Flüchtlinge dann überhaupt keinen Anschluss mehr haben werden. Denn alle Verträge mit Providern laufen bisher über den Verein, dafür müsste ein ehrenamtlicher Helfer privat einspringen und die komplette Verantwortung übernehmen. Diese Lösung habe man früher schon einmal versucht, aber es funktionierte nicht.
Im Landkreis Fürstenfeldbruck hat der Verein Refugees online e.V. in den 17 größeren Unterkünften des Landratsamtes solche Verbindungen eingerichtet, außerdem im Ankerzentrum beim Fliegerhorst, das der Regierung untersteht. Für jede einzelne Verbindung musste der Verein ein Konzept erarbeiten, vorlegen und prüfen lassen, um eine Betriebsgenehmigung zu bekommen. Die Kreisbehörde ist zufrieden mit der Arbeit, es habe bisher noch nie Schwierigkeiten gegeben, erklärte eine Sprecherin der SZ.