Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Fliegenfischen, die ultimative Genugtuung

Eine ganz eigene Szene trifft sich jährlich in Fürstenfeldbruck. Ihre Begeisterung gilt nicht der Beute allein - das Hobby verlangt nach hoher Konzentration.

Von Ekaterina Kel, Fürstenfeldbruck

Am Anfang steht ein Geburtstagswunsch: Robert Stroh, gebürtiger Münchner und leidenschaftlicher Fliegenfischer, wünscht sich nichts sehnlicher, als dass seine Frau Michaela einen Angelschein macht, um die Liebe für sein Hobby mit ihr teilen zu können. Sie willigt ein. Das ist viele Jahre her. Seitdem haben die Strohs ihre Leidenschaft nicht nur an drei Kinder weitergegeben, sondern eine rege Fliegenfischer-Szene aus der ganzen Welt um sich versammelt. Etwa 4000 Menschen kommen jedes Jahr zur Fachmesse, die die Strohs organisieren, und die die größte Europas ist. Schauplatz war an diesem Wochenende zum zehnten Mal das barocke Klostergelände in Fürstenfeldbruck.

Autos in allen Farben stauen sich am Samstag vor der Einfahrt - Kennzeichen aus Italien, Frankreich, Schweiz. Fetzen auf Englisch geführter Smalltalks füllen die beiden Innenhöfe. Es gibt geräucherten Lachs im Brötchen bei der EWF, "Erlebniswelt Fliegenfischen". Robert Stroh hat sein schwarzes Haar zum Pferdeschwanz gebunden, in festlicher Tracht präsentiert er am Stand Nummer 48 seine handgefertigten Bambus-Angelruten. Für eine Führung hat Stroh während der Messe keine Zeit, er muss bei seiner Ware bleiben. Dafür aber Armin Pijawetz aus Österreich, Mitorganisator der Messe, zwei Meter lang, ruhige Stimme, trockener Humor.

"Hier in Fürstenfeldbruck hat man uns sehr nett aufgenommen", sagt er, wohl wissend, dass die Szene für alle Nichteingeweihten kurios erscheinen mag. "Es sind viele Verrückte hier", räumt er ein, mit einer Selbstverständlichkeit, die jede Nachfrage überflüssig macht, "die Menschen laufen mit leuchtenden Augen durch die Messe". Die Verrücktheit der Fliegenfischer besteht wohl hauptsächlich darin, sich nicht auf eine einzige Sache zu fixieren. Klar, am Ende baumelt der Fisch am Haken - und wenn die Fischer davon erzählen, dann äußern sie genüsslich Laute wie "ach!" und "grrreat!".

Die ultimative Genugtuung, sagt Pijawetz, sei es jedoch, wenn der Köder, den der erbeutete Fisch im Mund hat, ein selbstgebundener ist. Fliegenbinden nennt sich das, was man dafür tun muss. Man befestigt einen sogenannten Bindestock an einer Tischkante und kreiert aus Rehhaar oder Entenfedern, aus buntem Draht oder glitzernden Kunststofffäden eine Fliege. Aber Obacht, wer hier Fliege sagt, kann mitunter auch kleine Fische, sogenannte Streamer im Fachjargon, Grashüpfer, Bachflohkrebse oder auch mal Mäuse meinen. Alles möglichst originalgetreue Imitationen der in der Natur zahlreich vorkommenden Wesen, die Fischen als Nahrung dienen.

Die besten Fliegenbinder der Welt, wie Nadica und Igor Stancev aus Mazedonien, die mit internationalen Preisen für die feinsten Köder geehrt wurden, sitzen in den Ausstellungshallen der Messe und zeigen einer stets am Tisch versammelten Menschentraube, wie sie ihre Köder basteln. Oder der Engländer Charles Jardine, der schmunzelnd zugibt, die bekanntere Art von Fliege, die Krawattenschleife, leider nicht binden zu können.

Ein weiteres Faszinosum des Fliegenfischers ist die richtige Wurftechnik. Auch hier sind die besten der Welt eingeladen, sie zeigen dem Fachpublikum ihre jeweilige Art des Castings, wie der Wurf heißt. Wenn der Fliegenfischer also am Flussufer herumschleicht oder sich knietief in den Fluss begibt, dann hat er schon die Synthese vollzogen - aus der Liebe zum Köderbasteln, der Arbeit an der Wurftechnik und der Sehnsucht nach dem ultimativen Lustobjekt, dem Fisch. Pijawetz fasst sich an die Schläfen: "Man muss sich wahnsinnig konzentrieren." Dann offenbare sich dem Fischer eine aus ungeahnten Naturdetails bestehende Welt.

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SZ vom 16.04.2018/infu
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