Fürstenfeldbruck:Landkreis zwingt Flüchtlinge zum Auszug

Asyl FFB

Eine neue Bleibe suchen müssen sich 66 anerkannte Asylbewerber.

(Foto: Günther Reger)
  • Der Landkreis Fürstenfeldbruck schickt 66 anerkannten Asylbewerbern die Aufforderung, ihre Unterkunft binnen sechs Wochen zu verlassen.
  • Nun haben die Gemeinden ein Problem: Sie müssen helfen, eine Wohnung zu finden.
  • Doch im Ballungsraum ist bezahlbarer Wohnraum ohnehin schon knapp.

Von Heike Batzer, Gerhard Eisenkolb, Ariane Lindenbach und Andreas Ostermeier

Der Landkreis macht ernst mit seiner Ankündigung, sogenannte Fehlbeleger zum Auszug aus den Asylbewerberunterkünften zu zwingen. Wie das Landratsamt auf Nachfrage bestätigte, erhalten derzeit 66 anerkannte Asylbewerber in zehn Städten und Gemeinden die schriftliche Aufforderung, ihre Unterkunft binnen sechs Wochen zu verlassen.

Bislang war ihr Verbleib in den Unterkünften toleriert worden. Doch angesichts unverändert hoher Zuweisungsquoten sieht sich der Landkreis nun gezwungen, die durch die Fehlbeleger blockierten Unterbringungsplätze für neue Asylbewerber frei zu machen. Derzeit zählt das Landratsamt insgesamt 102 Fehlbeleger.

Für 23 von ihnen, die in der Erstaufnahmeeinrichtung im Fürstenfeldbrucker Fliegerhorst leben, und 13 in den Germeringer Einrichtungen am Starnberger Weg und im Don-Bosco-Heim, ist jedoch die Regierung von Oberbayern zuständig. Die hatte dem Landkreis kürzlich signalisiert, möglichst keine Personen dort mehr einzuquartieren, mit deren Anerkennung demnächst zu rechnen sei.

Quote nicht erfüllt

Doch nicht nur durch die Anerkennung der Asylbewerber entsteht den Kommunen ein neues Problem, sie sollen demnächst noch weiter in die Pflicht genommen werden: Denn die bayerische Staatsregierung möchte den Landratsämtern das Recht einräumen, den Kommunen bei Bedarf Asylbewerber direkt zuzuweisen. Landrat Thomas Karmasin (CSU) begrüßt den Vorstoß, weil damit "insbesondere Gemeinden, die ihre freiwillig vereinbarte Quote nicht erfüllen, in die Pflicht genommen werden".

Etwa die Hälfte der Kommunen im Landkreis hat die zusammen mit den Bürgermeistern im Vorjahr ausgehandelte freiwillige Quote nur zur Hälfte oder weniger erfüllt. Dass der Landkreis selbst seine Quote mit derzeit gut 2500 Flüchtlingen einhalten kann, ist der Erstaufnahmeeinrichtung zu verdanken, wo 1100 Flüchtlinge untergebracht sind. Dass der Freistaat keine verbindliche Quote plant, hält Karmasin für richtig, weil ansonsten die Gefahr bestünde, "dass gerade große Liegenschaften mit Blick auf die Quotenerfüllung nicht genutzt werden können".

Geißler beklagt "unnötigen Aktionismus"

Angesichts der zunehmenden Belastungen durch die Flüchtlingskrise beginnen die Kommunen aufzubegehren. Mehrere Bürgermeister aus Oberbayern hatten am Mittwoch bei einer Versammlung des Bayerischen Gemeindetags in Germering lautstark ihren Unmut geäußert. Auch die Bürgermeister im Landkreis sind verärgert. Sie rechnen damit, dass sich anerkannte Flüchtlinge, die nun aus den staatlichen Unterkünften ausziehen sollen, an die Gemeindebehörden am Wohnort wenden, um ein Dach über dem Kopf zu finden. Gelingt das nicht, sind sie obdachlos.

Das ist "unnötiger Aktionismus aus dem Landratsamt", schimpft Karin Geißler (Grüne), Dritte Bürgermeisterin aus Fürstenfeldbruck: "Das versetzt die Menschen wieder in Angst und Schrecken." Man wisse um das Thema und man kümmere sich darum, damit anerkannte Asylbewerber Wohnungen bekommen - genauso wie andere, die von Obdachlosigkeit bedroht sind. Geißler ging am Freitag von sechs bis acht betroffenen Personen aus, Landratsamtssprecherin Ines Roellecke nannte drei.

In Olching sucht ein Makler nach Wohnungen

In Olching erhielten gleich 21 Kinder und Erwachsene die Aufforderung, ihre Unterkünfte zu verlassen. Bürgermeister Andreas Magg (SPD) erinnert daran, dass sie sich nun überall in Deutschland eine Bleibe suchen dürften und manche vielleicht auch Familienangehörige in anderen Orten hätten. Dennoch rechnet er damit, dass die Mehrzahl der anerkannten Asylbewerber bleiben möchte. Er hat deshalb einen Makler eingeschaltet, der sich nach passenden Wohnungen umsieht. Die Schwierigkeiten macht auch Sozialamtsleiter Peter Söllinger deutlich: Nur in ganz wenigen Fällen müsse die Stadt mehr als zehn Obdachlose unterbringen. Jetzt seien es gleich doppelt so viele Menschen, die Wohnraum benötigten.

In Emmering sind zwei Familien und eine Handvoll Einzelpersonen betroffen. Die Gemeinde hat keine Obdachlosenunterkunft. Das Problem sei "nur mit größerer räumlicher Flexibilität lösbar", sagt Bürgermeister Michael Schanderl (FW). In anderen Gegenden gebe es freien Wohnraum, auch Liegenschaften von Bund und Freistaat könnten dafür infrage kommen. Dass die Anerkannten im Ballungsraum bleiben können, werde kaum gelingen.

"Ich kann nicht die Flüchtlinge vor die eigenen Leute stellen"

In Moorenweis sucht eine fünfköpfige Familie aus Afghanistan schon länger im Raum München nach einer Wohnung - bislang vergeblich. Ob sie nun zum Auszug aufgefordert worden sei, wisse er noch nicht, sagte Bürgermeister Joseph Schäffler (CSU) am Freitag. Doch warum, fragt er, solle er dem Landrat noch Wohnungen für Asylbewerber zur Verfügung stellen? Die würde er in Zukunft selber benötigen, um Anerkannte unterzubringen.

Germerings Oberbürgermeister Andreas Haas (CSU) spricht davon, dass dies Probleme seien, die "über das normale Maß" der Obdachlosenunterbringung hinaus gingen: "Die Reaktionszeit für die Stadt ist hier sehr kurz." Er wisse nicht, wie er das auf Dauer schaffen soll, sagt Haas. Für die Errichtung von Obdachlosenunterkünften seien in Germering wie für den gesamten Wohnungsbau keine Flächen zu finden. In Maisach, wo es derzeit noch keine anerkannten Asylbewerber gibt, hat die Gemeinde bereits die Containeranlage in Gernlinden nach ihrer Nutzung als Hort als Unterkunft für obdachlose anerkannte Asylbewerber im Auge. Es gibt kaum bezahlbare Wohnungen, für diejenigen der Gemeinde gibt es lange Wartelisten. "Ich kann nicht die Flüchtlinge vor die eigenen Leute stellen", betont Geschäftsleiter Peter Eberlein.

Gröbenzells Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) muss derzeit nur für einen Fehlbeleger eine Unterkunft finden. Sollten es mehr werden, sieht auch er "keine Chance, die unterzubringen". Stattdessen müsse der Landkreis seine Aufgabe wahrnehmen, solche Flüchtlinge konsequent abzuschieben, die kein Bleiberecht haben. In einem Ballungsraum lässt sich laut Schäfer die Unterbringung anerkannter Flüchtlinge nicht mehr von einzelnen Kommunen lösen. Das gehe nur noch mit gemeinsamen Projekten, gemeinsam gebaut und finanziert.

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