Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Fast besser als die S-Bahn

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Abgesehen von Pannen, längeren Fahrzeiten und Extrakosten finden sich die Pendler mit dem Ersatzangebot für die S 4 während der Bauarbeiten ab. Gedränge herrscht dagegen in der S 3, auf die viele ausweichen. Besonders viel Lob finden die zusätzlichen Stopps der Regionalzüge

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Der Schienenersatzverkehr auf der S 4 zwischen Bruck und Pasing läuft bisher einigermaßen, von einigen Pannen abgesehen. Die meisten Fahrgäste sind zufrieden. Das ist auch der Verdienst von Hermann Seifert, dem ÖPNV-Experten im Landratsamt, und seinem Chef, Landrat Thomas Karmasin (CSU). Ohne sie wäre das Angebot dürftiger. Ärger gibt es jedoch auf der S 3 zwischen Mammendorf und Pasing. Der Grund: Viele Brucker Pendler weichen auf die S 3 aus, auf der aber insgesamt 18 Verstärkerzüge im Berufsverkehr ausfallen, weil die Züge fehlen. Ein Bahnsprecher kündigte an, dort mehr Langzüge einzusetzen.

In den Sommerferien sind deutlich weniger Menschen mit der Bahn unterwegs. Die Schüler sind in den Ferien. Manche Pendler haben Urlaub. Etliche dürften aber aufs Auto umgestiegen sein, seitdem die S-Bahn ihren Betrieb zwischen Fürstenfeldbruck und Pasing fast ganz eingestellt hat, um die Gleise zu erneuern.

Die meisten der Fahrgäste sind in den Morgenstunden unterwegs. Von 4 Uhr an, wenn der Betrieb beginnt, erzählt ein Busfahrer, der jeden Tag im Einsatz ist. Das Maximum ist zwischen 7 und 8 Uhr erreicht. Dann stehen fahrplanmäßig vier Schnellbusse am Brucker Bahnhof bereit, die in einer knappen halben Stunde Pasing erreichen. Es handelt sich um große Gelenkbusse, von denen jeder bis zu 120 Menschen aufnehmen kann. Etwa 400 Fahrgäste wollen an diesem Vormittag um diese Zeit schnell nach München, die meisten zur Arbeit, einige mit Koffern wohl eher in den Urlaub.

Die Busdisponenten achten darauf, dass sich die Fahrgäste so verteilen, dass nur die Sitzplätze belegt werden. Sie verweisen auf den regulären Schnellbus nach Germering, wo die S 8 mit einem Zehn-Minuten-Takt aufwartet. Die Disponenten beantworten geduldig die Fragen der Reisenden. Genervte Reisende gebe es "reichlich", berichtet eine Frau. Trotz der vielen Informationen wüssten viele nicht Bescheid.

Die Ortsbusse sind deutlich weniger nachgefragt. In Bruck steigt kaum einer ein, in Eichenau sind es einige, denen nichts anderes übrig bleibt, wenn sie nicht auf die Bahnhöfe der S 3 ausweichen wollen. Dreimal die Woche fährt ein junger afrikanischer Flüchtling nach Pasing, weil er dort eine Sprachschule besucht: "Die Busfahrt ist ganz langweilig, ich werde immer müde." Dennoch zeigt er, wie die meisten Fahrgäste, durchaus Verständnis. "Irgendwann müssen die Gleise eben erneuert werden", sagt ein junge Frau. Für einen Softwareentwickler aus Puchheim, der nach Mittersendling muss, ist die längere Fahrt sowieso kein Problem. "Ich kann ja unterwegs Musik hören", sagt er verständnisvoll.

Gut angenommen werden die wenigen verbliebenen Zugverbindungen. Alle zwei Stunden fährt eine S-Bahn von München nach Geltendorf, dazwischen halten die meisten Regionalzüge in Buchenau. Dort stehen auf dem Bahnsteig mehr Menschen als sonst. "Die Regionalzüge werden über die Maßen gelobt", berichtet Seifert. Er sieht darin eine Bestätigung für das Konzept der Expresszüge, das die Bahn AG und das bayerische Innenministerium angeblich mangels Gleiskapazitäten abgelehnt haben. "Diese Zwischenstopps sollten dauerhaft bleiben, das wollen die Leute", sagt der ÖPNV-Experte aus der Kreisbehörde.

Dann würden die Lokomotivführer sich daran gewöhnen. Immer wieder vergisst einer, in Buchenau zu halten. Der Zug rauscht an den Leuten vorbei oder sie müssen bis Geltendorf mit und dann wieder zurückfahren, wie Stadtrat Jens Streifeneder (BBV) neulich berichtete. "Das ist die Macht der Gewohnheit", entschuldigt der Pressesprecher der Bahn.

Zwar lobt Seifert den Schienenersatzverkehr. Und der Bahn-Sprecher berichtet wie die Busdisponenten vor Ort, dass sogar zu viele Busse im Einsatz seien, dennoch gibt es einige Ärgernisse. Wer mit dem Rollstuhl an einer Haltestelle steht, weiß nicht, ob er mitkommt, weil viele Busse nicht behindertengerecht sind. "Ich wollte nicht, dass mein Sohn mit dem Rollstuhl strandet", erzählt Beate Bettenhausen aus Eichenau. Sie hat beim Infotelefon, beim Kundendialog und beim Mobilitätsservice der Bahn angerufen. Aber keiner konnte ihr sagen, wann ein Niederflurbus kommt. Das ließe sich nicht planen, weil sowohl behindertengerechte Linienbusse als auch Reisebusse ohne Niederflur abwechselnd aber unregelmäßig im Einsatz seien, sagte der Sprecher der Bahn.

Wer mit dem Bus von Eichenau nach Olching ausweicht, verlässt kurzzeitig die Tarifzone und muss draufzahlen. Das ärgert Johannes Hager aus Eichenau. Insgesamt 55 Euro mehr müsste er während der Sommerferien bezahlen. Der Professor für öffentliches Recht hält es ohnehin für ein Unding, dass die Stationen Eichenau und Olching in Zone 6 liegen, aber die Fahrgäste mehr löhnen müssen, bloß weil der Bus sich kurzzeitig in Zone 7 bewegt. "Warum eigentlich?", fragte er. Hager verlangt eine Rückerstattung und hat sich deshalb an die S-Bahn-München gewandt. "Mir geht es ums Prinzip, wie der MVV mit seinen Kunden umspringt", sagt er. Der Pressesprecher der Bahn verweist darauf, dass der Extra-Obolus in den Shuttlebussen des Ersatzverkehrs nicht fällig wird, nur in den regulären Linienbussen.

Inzwischen hat die Bahn AG über den Strecken-Agenten ihre Kunden gebeten, nicht mehr auf die S 3 auszuweichen. Zwar gibt es nach Angaben der Polizeiinspektionen in Gröbenzell und Olching kein Verkehrschaos an den Bahnhöfen wegen parkender Autos, allerdings scheinen doch viele mit den Bussen oder dem Fahrrad von Eichenau und Puchheim dorthin sowie nach Lochhausen zu fahren. Die Züge der S 3 sind jedenfalls proppenvoll, wie SZ-Leserin Barbara Wendel berichtet. Die Züge müssten deshalb auf den Bahnhöfen länger warten, bis alle eingestiegen sind.

Die Bahn hat ausgerechnet jetzt jeweils neun Verstärkerzüge am Morgen und am Nachmittag gestrichen. Wegen der Baumaßnahmen an der S 4 und an der S 7 fehle es an Zügen und Lokomotivführern, erklärt der Bahn-Sprecher. Der Pendelbetrieb zwischen Bruck und Geltendorf binde Kapazitäten. "Wir versuchen gegenzusteuern", versprach er. Man werde mehr Langzüge mit drei Wagen anstelle der Vollzüge mit nur zwei Wagen einsetzen. Im übrigen appellierte er an die Fahrgäste, doch die Schnell- und Ortsbusse sowie die S-Bahnen zu nutzen, die alle zwei Stunden verkehren. "Die sind nicht so gut ausgelastet", erklärte er.

Manche finden an den Bussen, die in großen Windungen fast eine Stunde lang durch die Suburbs zwischen Bruck und Pasing zockeln, Gefallen. So wie eine Frau aus Puchheim, die an der Donnersbergerbrücke arbeitet und im Bus Zeitung liest. "Ist doch besser als S-Bahn: Alle zehn Minuten kommt pünktlich ein Bus, der fast leer ist, sodass man einen Sitzplatz kriegt." Nur am Abend nerve die lange Fahrt.

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Quelle:
SZ vom 25.08.2015
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