Fürstenfeldbruck:Es reicht zum Überleben - zu mehr nicht

Der Verdienst einer 34-jährigen Alleinerziehenden aus Fürstenfeldbruck liegt gerade mal 21 Euro über dem Existenzminimum.

Stefan Salger

- Armut ist nicht immer leicht zu definieren. Wo beginnt sie? Ist man arm, wenn man ein Dach über dem Kopf hat und etwas zu essen? Petra Stattler (Name geändert) bezeichnet sich selbst nicht als arm. Und doch gehörte sie bis vor kurzem zum Heer der "Aufstocker", bei denen das Jobcenter etwas auf drauflegen muss. Nach einer längeren Umschulung hat Stattler einen Job in einem Betrieb für Medizintechnik gefunden. Gelernt hat sie Altenpflegerin. Eine Tätigkeit, die sich kaum mit der Rolle als alleinerziehende Mutter einer zwölfjährigen Tochter vereinbaren ließ. Deshalb arbeitete sie zunächst als Aufsicht in einer Spielhalle. Weil das Geld hinten und vorne nicht reichte, folgte eine Umschulung. Anschließend begann die 34-Jährige mit 25 Wochenstunden, seit zwei Wochen arbeitet sie 30 Stunden.

Alleinerziehende Mütter zählen laut einschlägiger Statistik zu der Personengruppe mit besonders hohem Armutsrisiko. Und dabei erhält Petra Stattler um einiges mehr als den Mindestlohn, über den zurzeit viel diskutiert wird. Experten wünschen sich eine Marke von 7,50 oder auch mal zehn Euro. Die Fürstenfeldbruckerin verdient etwas mehr als 12 Euro, und auf ihren Chef und die netten Kollegen ihrer kleinen Firma lässt sie nichts kommen. Gleichwohl reicht es kaum zum Leben - kostet doch die Altbau-Zweizimmerwohnung schon allein 600 Euro monatlich. Deshalb musste das Jobcenter bislang auf die 1000 Euro netto 340 Euro drauflegen. Jetzt arbeitet Petra Stattler etwas mehr - mit dem Effekt, dass sie gerade so ohne Unterstützung über die Runden kommt - unterm Strich hat sie jetzt jeden Monat 21 Euro mehr. Für große Sprünge reicht das nicht.

Immerhin ist sie froh über ihre neue Unabhängigkeit. Denn Petra Stattler will niemandem auf der Tasche liegen, sie will ihren Alltag aus eigener Kraft bewältigen. Von den Mitarbeitern im Brucker Jobcenter fühlte sie sich zwar sehr gut behandelt, dennoch war viel Papierkram nötig: regelmäßig mussten Verdienstnachweise vorgelegt und Anträge gestellt werden. Das System erfordere es, dass man sich "fast nackt machen" müsse. Auch in Teilen der Gesellschaft gibt es Vorbehalte gegen die Bezieher von Hartz IV. "Ich kann damit umgehen", sagt Petra Stattler. Aber ihre Tochter scheue dieses Thema. Die wünsche sich doch nur, "ganz normal" wie alle Klassenkameraden leben zu können. Doch für die beiden ist es ein Leben auf schmalem Grat. Das Konto ist oft bis ans Limit überzogen, und längst nicht immer können die Wünsche zu Weihnachten oder zum Geburtstag erfüllt werden. "Ich leihe mir dann schon mal 50 Euro von meiner Mutter ", sagt Petra Stattler. Eingekauft wird meist beim Discounter, Möbel oder Kleider stammen oft aus zweiter oder dritter Hand. Und Urlaub? Ist nicht drin, außer die Oma nimmt ihre Enkelin mit. Die letzte größere gemeinsame Reise führte 2001 in die Türkei. Das wäre einer dieser Wünsche, der sich kaum erfüllen lässt: Ein gemeinsamer Urlaub an der Nordsee. Oder aber, ganz pragmatisch, ein Laptop für die Tochter. Kein Luxus, denn in der Schule geht es heute ohne eigenen Computer fast nicht mehr.

Eine einmalige finanzielle Unterstützung dürfte Petra Stattler nun behalten - im Gegensatz zu Hartz-IV-Empfängern, bei denen diese von der staatlichen Hilfe eigentlich abgezogen werden müsste. "Wir versuchen aber immer, eine Lösung im Sinne unserer Kunden zu finden", versichert Carolin Hufnagl, Chefin des Jobcenters. Bei 32 Prozent der Hartz-IV-Bezieher handelt es sich um Werktätige, die zu wenig verdienen und - meist wegen der hohen Wohnungsmieten - auf Hilfe vom Amt angewiesen sind. Im Landkreis gibt es gut 1400 solcher Aufstocker, ein knappes Drittel von ihnen arbeitet Vollzeit. Ein Alleinstehender kann von Januar 2013 an dann Hilfe beantragen, wenn ihm nach Zahlung der Miete monatlich weniger als 382 Euro übrig bleiben.

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