Tief in die Theatertrickkiste greift Regisseur Ralph Hüttig, um alles Verstaubte aus Fontanes "Effi Briest" heraus zu jagen und den Besuchern eine rasante Inszenierung zu bieten: Videoeinspielungen, Lichteffekte, Playbackeinspielungen, Klamaukeinlagen, schnelle Dialoge. Und sein Plan geht auf, seine Effi, die am Samstag an der ausverkauften Neuen Bühne Bruck Premiere gefeiert hat, ist ein furioser Theaterabend.
Als Grundlage verwendet er eine dramatisierte Version des Fontane-Romans von Sandra Schüddekopf und Alexandra Henkel, die die Handlung auf drei Personen verkürzt: Effi (Katrin Bielski), ihren Mann Innstetten und Liebhaber von Crampas (beide Hagen Ullmann). Dazu kommen zwei Erzähler (Walter Cordier, Ellen Kießling-Kretz), die die Geschichte vorantreiben.
Die Handlung bleibt dabei dem Original treu. Wobei alles doch romantischer beginnt. Effi und Innstetten sitzen da am Bühnenrand auf zwei hohen Hockern, Ullmann zieht ein Mikrofon aus seiner Tasche und aus den Lautsprechern ertönen Frank und Nancy Sinatra mit "Something Stupid". Die beiden liefern sich dazu ein inniges Duett, vor allem Effi schaut ihren Baron ständig schmachtend an, er glotzt mit all seinem aufgesetzten Adels-Charme zurück. Bielski und Ullmann fühlen sich vom ersten Moment an wohl in ihren Rollen. Dass die Inszenierung funktioniert, liegt am Ende vor allem daran, dass die beiden eine großartige Leistung zeigen.
Bielski spielt ihre Effi als emotionales, manchmal naives, dann wieder reiferes Mädchen, vergnügungssüchtig, schnell gelangweilt. Jede Chance auf Unterhaltung saugt sie eilig ein, und wenn sich keine bietet, dann bestellt sie sich eben etwas Schönes, Sinnloses im Internet. Immer wieder rennt sie nervös über die Bühne, macht große Augen, zieht eine Schnute.
Der absolute Kontrast dazu ist Ullmann als Innstetten. Immer kontrolliert, etwas von oben herab auf seine "kleine Frau" blickend, ihre Launen mit einem Augenverdrehen duldend, in der Hoffnung, dass sie schon noch zur Vernunft kommt. Das ist alles sehr paternalistisch und unsymphatisch, und dennoch kann man sich in seinen freundlichen Momenten seinem Charme nicht entziehen. Auch die Verzweiflung über Effis Untreue kauft man ihm ab, seine Zerrissenheit. Natürlich ist er gekränkt, aber nicht genug, um das Ganze eigentlich nicht Ruhen lassen zu wollen, auch weil er ja eigentlich ein Feigling ist. Und doch ist er gefangen im Werte- und Verhaltenskorsett seiner Zeit und so ist das Duell unausweichlich. Und wenn Ullmann dann als Crampas in weißem Kapitänshemd und mit weißer Hose auftritt und anfängt, auf ein Playback von Tony Holiday "Tanze Samba mit mir" zu performen, dann versteht man, warum Effi diesem "Damenmann" verfällt.
Es folgt die unterhaltsamste Szene des Abends, wenn auch noch Cordier und Kießling-Kretz auftreten, beide in ihrer Zirkusdirektoren-Kluft, und auf ihren bunten Staubwedeln das Trompetensolo tröten. Das ist Theaterunterhaltung auf hohem Niveau.
Dass das Ziehen aller Register aber auch seine Grenzen hat, wird in den Videoeinspielungen deutlich. Da werden dann Cordier und Kiesling-Kretz in einem engen Raum gezeigt, wie sie erzählen, was Effi gerade so passiert ist. Warum sie dafür manchmal auf der Leinwand zu sehen sind und dann wieder live auf der Bühne auftreten, das erschließt sich an diesem Abend nicht darüber hinaus, dass es eben eine Abwechslung ist, um keine Monotonie aufkommen zu lassen.
Überhaupt versucht Hüttig gar nicht erst, das Stück auf den schwierigen Umgang der Eheleute miteinander zu reduzieren oder eine tiefergehende Debatte anzustoßen. Er will sein Publikum unterhalten und das gelingt ihm aufs Beste.
"Effi Briest", Neue Bühne Bruck, nächster Termin: Samstag, 21. Dezember von 20 Uhr an. Weitere Termine werden unter www.buehne-bruck.de angekündigt