Fürstenfeldbruck:Wie die Windkraft im Landkreis ausgebaut werden soll

Fürstenfeldbruck: Eines der beiden Windräder im Landkreis, die seit mehreren Jahren zuverlässig Strom produzieren, steht bereits auf Maisacher Gemeindegebiet. Links unten die Biogasanlage im Mammendorfer Ortsteil Egg.

Eines der beiden Windräder im Landkreis, die seit mehreren Jahren zuverlässig Strom produzieren, steht bereits auf Maisacher Gemeindegebiet. Links unten die Biogasanlage im Mammendorfer Ortsteil Egg.

(Foto: Günther Reger)

Ziel 21 prüft drei weitere Standorte für Windräder, andere würden in Zeiten explodierender Preise für fossile Brennstoffe gerne das landkreisweite Konzept aus der Schublade holen.

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Mit dem Krieg in der Ukraine hat eine fieberhafte Suche nach Alternativen für Gas-, Öl- und Kohlelieferungen aus Russland begonnen. Das könnte eventuell im Landkreis einem ehrgeizigen Windkraft-Projekt zur Umsetzung der Energiewende neuen Auftrieb geben. Drei Monate nach dem Reaktorunfall in Fukushima erhoffte man sich im Sommer 2011, mit etwa zwei Dutzend Rotoren im Landkreis 40 bis 50 Prozent des hier benötigten Stroms zu erzeugen und begann mit der Suche nach geeigneten Standorten. Drei Jahre später galt das Vorhaben als nicht mehr realisierbar. Es wurde trotz Planungskosten in Höhe eines sechsstelligen Eurobetrags eingestellt.

21 von 23 Landkreis-Kommunen hatten sich darauf geeinigt, ein gemeinsames, für ihren Hoheitsbereich umfassendes Standort-Konzept zum Ausbau der Windkraft zu erarbeiten. Das Vorhaben galt nach dem Atomausstieg als wichtiger Schritt zur im Jahr 2000 vom Kreistag beschlossenen Energiewende. Dieser Beschluss sah vor, innerhalb einer Generation, also innerhalb von 30 Jahren, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu beenden und sich nur noch mit erneuerbaren Energien zu versorgen.

Fürstenfeldbruck: Nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima stand die Windkraft auch im Landkreis im Rampenlicht.

Nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima stand die Windkraft auch im Landkreis im Rampenlicht.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Landrat Thomas Karmasin (CSU) bekennt sich weiterhin zu dem Beschluss und dazu, ein Fan von Windrädern zu sein, die er selbst nicht als störend empfindet. Er räumt aber ein, dass das Ziel einer autarken Energieversorgung bis 2030 nicht zu erreichen ist. Eigentlich hätte das aufgegebene Projekt gut zu dem gepasst, wofür Wirtschaftsminister Robert Habeck seit seinem Amtsantritt wirbt. Er fordert, dass sich künftig auf zwei Prozent der Fläche von Deutschland Windräder drehen. Übertragen auf den Landkreis wären das etwa 8,5 Quadratkilometer. Der erste von mehreren Entwürfen des interkommunalen Standort-Konzepts sah Flächen von 20 Quadratkilometern für Rotoren vor. Weil deren Eignung nicht ausreichend geklärt war, plante man lieber großzügig mit zu vielen als zu wenigen Flächen.

In der unmittelbaren Nach-Fukushima-Zeit wollte auch die CSU-Staatsregierung in Bayern den weiteren Ausbau der Windkraft forcieren. Dass damit eine Beeinträchtigung der Landschaft mit einem starken Widerstand aus der Bevölkerung verbunden sein könnte, dämmerte dem Ministerpräsidenten Horst Seehofer erst später, vor der Landtagswahl 2013.

Fürstenfeldbruck: Der Mammendorfer Energieexperte Werner Zauser zeigt regelmäßig in Vorträgen Wege auf, wie der Landkreis unabhängig von Öl und Gas werden könnte.

Der Mammendorfer Energieexperte Werner Zauser zeigt regelmäßig in Vorträgen Wege auf, wie der Landkreis unabhängig von Öl und Gas werden könnte.

(Foto: Günther Reger)

Eine Kilowattstunde Windstrom kostet in der Erzeugung sieben Cent

Der Mammendorfer Gemeinderat und Windkraft-Referent bei Energiewendeverein Ziel 21 Werner Zauser erläutert anhand eines Vergleichs, warum jedes zusätzliche Windrad inzwischen einen Beitrag zur Senkung der explodierenden Stromkosten leistet. Die Kosten der Erzeugung von einer Kilowattstunde Windstrom im Landkreis beziffert er mit zurzeit etwa sieben Cent, sofern der Standort passt. Stammt der Strom aus einer Photovoltaikanlage auf einem Dach, kommt er auf etwa acht bis zehn Cent, auf Freiflächen ist der Preis mit etwa sechs bis acht Cent etwas günstiger. Wird der Strom dagegen in einem Gaskraftwerk erzeugt, kostet die Kilowattstunde mit etwa 15 Cent etwas mehr als das Doppelte als der von einer Windanlage. Bei diesen Angaben bezieht sich Zauser auf Erfahrungswerte von Projektierern solcher Anlagen aus der Zeit vor dem Ukrainekrieg.

Letztlich den Todesstoß versetzte 2014 der interkommunalen Planung die 10-H-Abstandsreglung des Ministerpräsidenten Seehofer. Nach dieser Vorgabe bestimmt die Höhe eines Rotors dessen Entfernung zum nächstgelegenen Wohnhaus. Der Abstand musste nun nicht mehr mindestens 800 Meter betragen, sondern das Zehnfache der Höhe der Windkraftanlage. Das können zwei Kilometer und mehr sein. "In Bayern können wir uns eine 10-H-Regelung nicht mehr leisten", meint Zauser. Um den Ausbau der Windkraft im Landkreis voranzubringen, sieht er Anknüpfungspunkte an die Grundidee des aufgegebenen Standort-Konzepts. Dieses diente vor allem einem Zweck: Einen Wildwuchs und die damit verbundene unerwünschte Verspargelung der Landschaft zu verhindern, wie man sie durch im Außenbereich privilegierte Windräder befürchtete.

Der Landkreis habe sich zu dem Pilotprojekt durchgerungen, weil es in Oberbayern keinen Regionalplan mit der Festlegung von Windrad-Standorten gab, sagt Zauser im Rückblick. Wäre diese Planung zu Ende gebracht worden, hätten Windkraftanlagen nur noch auf den ausgewiesenen Flächen gebaut werden können. Das Vorhaben verfolgte also zwei Ziele. Es wollte die Nutzung der Windenergie einerseits ermöglichen, diese andererseits aber nur auf erwünschte, also vorab festgelegte Bereiche begrenzen. Es war also sowohl eine Verhinderungs- als auch eine Ermöglichungsplanung. Mit der Folge, dass Investoren wie auch Bürgerinnen und Bürger gewusst hätten, woran sie sind.

Der Start verlief vielversprechend. Schließlich gelang es dem Landrat, bis auf zwei alle Kommunen des Landkreises von den Vorteilen einer Teilnahme zu überzeugen. Der Preis dafür war hoch. Es war das Versprechen, dass jede der Kommunen mit einem Nein den sogenannten Teilflächennutzungsplan Windkraft, so der Fachterminus des Projekts, kippen konnte. Dazu kam es wiederholt, was einen schleichenden Absetzungsprozess in Gang setzte. Schied eine Kommune aus, konnte man weitermachen, indem man neu plante. Kurz vor dem Aus waren nur noch elf Kommunen dabei. Die Flächen für Windräder schrumpften auf diese Weise von 20 auf zuletzt 7,2 Quadratkilometer.

Im ersten Konzept liegt die Hälfte aller Standorte auf Moorenweiser Flur

Drei Gemeinden schieden aus, weil sie überzeugt waren, mit einem Alleingang besser zum Ziel zu kommen. Wie Moorenweis setzten sich aber vor allem jene Kommunen ab, die befürchteten, die Hauptlast aufgebürdet zu bekommen oder von Windrädern eingekreist zu werden. So lag im ersten Konzept die Hälfte aller Standorte auf Moorenweiser Flur, was die Betroffenen als unzumutbar empfanden. Zudem erwies es sich als problematisch, dass es im dichtbesiedelten Landkreis-Osten kaum Standorte gab.

Den ersten vergeblichen Vorstoß nur Nutzung der Windenergie wagte im Jahr 2001 eine Investorengruppe beim Maisacher Ortsteil Stephansberg. Damals ging es um drei Rotoren. An weiteren Versuchen mangelte es nicht. Fast alle scheiterten. Entweder am Protest von Windkraftgegnern, am Naturschutz oder anderen Auflagen.

Trotz vieler Hürden und langwieriger Genehmigungsverfahren glaubt Gottfried Obermair weiter an die Zukunft der Windkraft im Landkreis. Er beruft sich dabei vor allem auf das Beispiel der Gemeinde Fuchstal im Nachbarlandkreis Landsberg am Lech mit ähnlichen Windverhältnissen. Fuchstal ist Vorreiter bei der Nutzung erneuerbarer Energien. Auf deren Flur stehen bereits vier rentable Windräder, drei weitere befinden sich in der Planungsphase.

Obermair ist Kreisrat und Vorsitzender des Energiewendevereins Ziel 21. In dieser Funktion ist er zurzeit in erfolgversprechende Vorgesprächen über neue Standorte für drei Windräder im Landkreis Fürstenfeldbruck eingebunden. Für dieses Projekt sollen sich regionale Investoren interessieren. Mehr will er nicht verraten, um das Vorhaben nicht zu gefährden. Bis zur Inbetriebnahme einer neuen Windkraftanlage rechnet Obermair mit einer Planungs- und Bauzeit von drei bis vier Jahren.

Seinen Optimismus begründet Obermair damit, dazugelernt zu haben. Davon, noch einmal ein interkommunales Landkreiskonzept zu erarbeiten, hält er nichts. Das müsse jede Gemeinde im Rahmen ihrer Planungshoheit selbst regeln, sagt er. Und er beteuert, dass Bürgerinnen und Bürger dann zu gewinnen seien, wenn sie und ihre Kommune profitieren, indem sie sich als Investor beteiligen. Zudem sollten beeinträchtigte Anwohner in Abhängigkeit zum Abstand ihres Hauses von einer solchen Anlage in irgendeiner Form finanziell entschädigt werden können. Mitverdienen können Kommunen schon jetzt, unabhängig von den Erträgen aus einer Beteiligung. So dürfen die Betreiber seit dem vergangenen Jahr an Gemeinden pro eingespeister Kilowattstunde 0,2 Cent auszahlen. Zusätzlich zur Gewerbesteuer. Diese Einnahmen werden für Kitas, Schulen oder Freizeitanlagen dringend benötigen.

Fürstenfeldbruck: Gottfried Obermair, Sprecher des Vereins Ziel 21, glaubt, dass jede Gemeinde auch auf eigene Faust die Klimawende vorantreiben sollte.

Gottfried Obermair, Sprecher des Vereins Ziel 21, glaubt, dass jede Gemeinde auch auf eigene Faust die Klimawende vorantreiben sollte.

(Foto: Privat/oh)

Auch Zauser hält die Finanzierung von Windkraftanlagen für unproblematisch. Angesichts der zu erwartenden Rendite würden Investoren "Schlange stehen". Eine finanzielle Förderung durch den Staat sei nicht nötig.

Vorgaben des Artenschutzes und Vorschriften müssen geändert werden

Einen wichtigen Faktor erwähnt Obermair nicht. Das sind die Anti-Windkraft-Aktivisten, die die Veränderung des Landschaftsbilds und ihres Lebensumfelds durch inzwischen mehr als zweihundert Meter hohe Rotoren als Beeinträchtigung der Lebensqualität empfinden. Werden Bürgerinnen und Bürger wie bei dem Teilflächennutzungsplan Windkraft nicht von Anfang an in die Planungen einbezogen, kann das dazu führen, dass der Unmut der Betroffenen später umso größer ist. Hier geht es auch darum, rechtzeitig informiert und an der Umsetzung beteiligt, also ernst genommen und nicht mit Tatsachen konfrontiert zu werden.

Landrat Karmasin lässt offen, ob er es für möglich hält, an die alten Planungen anzuknüpfen und deren Modalitäten zu ändern. Hätten die Kommunen kein Vetorecht gehabt, hätte keine mitgemacht, beteuert er. Wird in Bayern nur die 10-H-Regelung abgeschafft, bringe diese Maßnahme noch nicht den Durchbruch. Zusätzlich müssten sich viele Vorschriften und Bestimmungen ändern. Dazu gehören laut Karmasin der Artenschutz genauso wie luftrechtliche Vorschriften.

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