Fürstenfeldbruck:Erinnerungen an "Fürsty"

Henning Remmers war viele Jahre zunächst Pilot und dann Ausbilder auf dem Fliegerhorst. Beim Erzählcafé in der Stadtbibliothek blickt er vor allem zurück auf die einschneidenden Erlebnisse am 5. September 1972

Von Emil Kafitz, Fürstenfeldbruck

Zwischen Jazz-CDs und Zeitschriftenständern sitzt Henning Remmers, vor sich ein Glas Wasser, ein paar Fotografien, Rosen mit noch geschlossenen Blüten in einer kleinen Vase. Er trägt ein neumodisches Headset, seine tiefe, leicht kratzige Stimme tönt durch die Stadtbibliothek Aumühle. Remmers ist Zeitzeuge des Olympia-Attentats von 1972, der Bericht seiner Erlebnisse steht im Mittelpunkt des zweiten Erzählcafés, organisiert vom Brucker Forum, dem Mehrgenerationenhaus und der Stadtbibliothek.

Zeitzeuge Remmers

Henning Remmers neben Moderatorin Karin Wimmer-Billeter in der Aumühle.

(Foto: Günther Reger)

Dieses Mal gibt es einen besonderen lokalen Bezug. Remmers war viele Jahre im Fliegerhorst in Fürstenfeldbruck, genannt "Fürsty", stationiert, zunächst als Pilot, später als Ausbilder. Die Gäste des Erzählcafés haben ihrerseits einen besonderen Bezug zu dem Thema. Wie eine kleine Befragung am Anfang gezeigt hat, haben die meisten von ihnen persönliche Erfahrungen mit dem Fliegerhorst, ob nun als zivile oder militärische Angestellte oder auch nur, weil sie einmal als Kind das Schwimmbad dort besuchen durften - so wie die Moderatorin Karin Willem-Billeter vom Brucker Forum.

Zeitzeuge Remmers

Viele Besucher interessieren sich für den Vortrag des Zeitzeugen und seine Beobachtungen am Rande des Olympiaattentats.

(Foto: Günther Reger)

Traurige Bekanntheit erlangte der Fliegerhorst im September 1972, als Hauptschauplatz des Olympia-Attentats. Dort wurde Henning Remmers Zeuge der gescheiterten Befreiungsaktion der israelischen Geiseln. Obwohl er in der Nacht keinen Dienst hatte, fuhr er zum Ort des Geschehens. "Wir hatten übers Radio erfahren, was passiert ist. Als ich dann die Hubschrauber in der Luft hörte, musste ich einfach da hin. Sehen, ob ich etwas machen kann." Mit militärischer Korrektheit, ohne Sentimentalität, beschreibt er die Geschehnisse, die Gäste verfolgen seine Erzählung mit Hilfe ausgeteilter Pläne des Fliegerhorstes. "Ich hörte die Explosionen der beiden Hubschrauber, in denen die israelischen Geiseln saßen. Als alles vorbei und der Fliegerhorst wieder ruhig war, fuhr ich nach Hause und konnte erstaunlich gut schlafen. Am nächsten Morgen wurde ich vom Radiowecker mit Trauermusik geweckt."

Das Vorgehen der Einsatzkräfte damals nennt er immer wieder dilettantisch, beschreibt das Ganze als "Tohuwabohu", kritisiert sachlich und zollt dennoch Respekt. "Man hatte einfach keine Erfahrung mit solchen Anschlägen. Und wenn man darauf aus dem Stegreif reagieren muss, gibt es drei verschiedene Lösungen, aber vier davon sind schlecht." Immer wieder verwendet Remmers Begriffe aus dem militärischen Jargon, spricht von der Funktionsweise von Handgranaten und erklärt, warum die Einsatzkräfte am Fliegerhorst keine Scharfschützen gewesen sein können. Im zweiten Teil der Veranstaltung kommt der pensionierte Pilot auf seinen persönlichen Werdegang zu sprechen und bringt mit Bemerkungen wie "Nato - No Action, Only Talking" oder "Jeder Düsenjäger ist sein eigener Fliesenleger" seinen trockenen Humor zum Ausdruck. Schon als Kind habe er Pilot werden wollen, der Fliegerhorst in Fürstenfeldbruck war dem gebürtigen Hannoveraner während seiner gesamten Bundeswehrkarriere der liebste Standort. Selbst heute, als Pensionär, lässt er nicht von "Fürsty" ab. Dort befindet sich das Museum "Jagdbombengeschwader 49", das Henning Remmers eingerichtet hat. "Wir wussten nicht wirklich, was wir dort ausstellen sollten, bis meine Frau zu mir sagte: "Räum doch mal den Keller aus!" So wurden aus privaten Sammlerstücken Exponate". Das Museum erinnert an die Geschichte des Fliegerhorstes und somit auch an die Geschichte der heutigen Kreisstadt Fürstenfeldbruck. So wie es aussieht, droht dem Museum die Schließung im Jahr 2023. Zum Ende hin wirbt Henning Remmers für den Ort der Erinnerung und lädt zu einer Führung durch den Fliegerhorst ein: "Ich bin überzeugt: Das Museum muss bestehen bleiben, wenn wir eine anständige Erinnerungskultur in Fürstenfeldbruck pflegen möchten!"

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