Fürstenfeldbruck:Erdrückt von Rechnungen

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Lebenshaltungskosten und Mieten sind sehr hoch", sagt Heidi Schaitl von der Schuldnerberatung der Caritas. (Foto: Günther Reger)

Seit 25 Jahren hilft die Schuldnerberatung Menschen, die finanziell nicht mehr zurecht kommen

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Die gescheiterte Selbständigkeit, die Trennung vom Lebenspartner oder der Verlust des Jobs. Die Gründe dafür, warum immer mehr Menschen im Landkreis in die Überschuldung rutschen, sind vielfältig, weiß Heidi Schaitl, die Leiterin der Caritas-Schuldnerberatung im Landkreis. Oft kommt zu den genannten Gründen noch eine fehlende finanzielle Allgemeinbildung hinzu. "Es kommt immer wieder vor, dass Menschen nicht wissen, wie sie mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, haushalten können", sagt Schaitl. Allein im vergangenen Jahr haben sie und ihre fünf Hauptamtlichen, sowie 13 ehrenamtlichen Mitarbeiter 739 Klienten beraten. Die Zahl der Schuldner sei über die vergangenen Jahre hinweg immer weiter gestiegen und habe sich auf einem hohen Niveau eingependelt. Und das obwohl der Landkreis Fürstenfeldbruck laut Kaufkraft-Index der GfK deutschlandweit den siebten Platz belegt.

Seit 25 Jahren versuchen die Mitarbeiter der Schuldnerberatung ihren Klienten Wege aus deren Notsituation aufzuzeigen. Einen der Hauptgründe, warum immer mehr Landkreisbewohner Schulden anhäufen, sieht Schaitl in der Lage des Landkreises im Ballungsraum München. "Die Lebenshaltungskosten und die Mieten sind sehr hoch", sagt Schaitl. In Deutschland ist es üblich, dass die Mietkosten etwa 30 Prozent des Einkommens ausmachen. In München und im Umland sieht die Realität anders aus. Dazu kommen oft noch Kosten für Bahntickets, die bezahlt werden müssen, wenn der Arbeitsplatz etwa in München liegt. "Im Landkreis gibt es viele Haushalte, die gerade so über die Runden kommen. Viele leben von einem Niedriglohneinkommen", erklärt sie. Für sie bestehe eine besonders große Gefahr in die Überschuldung zu rutschen. Theoretisch könne es aber jeden treffen. Auch die Zahl der Arbeitslosen ist in Fürstenfeldbruck von 2,9 Prozent im Jahr 2013 auf 3,2 Prozent im Jahr 2014 gestiegen.

Wichtig sei es für die Leute, zu wissen, dass es Angebote wie die Schuldner- und Insolvenzberatung gibt. "Grundsätzlich kann jeder zu uns kommen, der Schulden angehäuft hat", sagt die Sozialpädagogin Sandra Dierksheide, die seit 2008 in der Beratungsstelle arbeitet. Je früher desto besser. Denn oft erlebten sie und ihre Mitarbeiter, dass Klienten sehr viel Zeit verstreichen lassen, ehe sie sich dazu überwinden, Hilfe zu suchen. "Gerade für die ältere Generation ist es typisch, dass sie ein schlechtes Gewissen hat. Sie kämpfen mit der Frage, ob ihnen im Falle eines Insolvenzverfahrens überhaupt einen Entschuldung zusteht", erzählt sie. Wichtig ist Schaitl zudem, zu betonen, dass die Schuldnerberater keine Vorwürfe machen und keine Schuldzuweisungen treffen. Es wird lediglich beraten - professionell und ohne Wertung.

Überwiegend sind es Menschen aus der Gruppe der 40- bis 49-Jährigen, die sich an die Beratungsstelle wenden, ihr Anteil macht 26 Prozent aus. 24 Prozent der Schuldner fallen in die Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen. In diesen Lebensabschnitten gibt es häufig einschneidende Erlebnisse wie Trennungen, eine gescheiterte Selbständigkeit und Arbeitslosigkeit. Im höheren Alter sind die häufigsten Gründe für die Überschuldung eine unzureichende Altersvorsorge während einer Selbständigkeit oder auch Überschuldung durch Immobilien.

Wenn die Schuldner sich bei Schaitl und ihren Kollegen melden, versuchen diese zuerst, gemeinsam mit den Klienten einen Überblick über offene Rechnungen, Gläubiger, Einkommen und Ausgaben aufzustellen. Von Termin zu Termin bekommen die Klienten einzelne Aufgaben, die es abzuarbeiten gilt. Es wird besprochen, welche Zahlungen Priorität haben, ob ein pfändungsfreies Konto eingerichtet werden kann, ob man mit den Gläubigern eine außergerichtliche Vereinbarung über Ratenzahlungen treffen kann und, wenn das nicht der Fall ist, welche Art von Insolvenzverfahren für den einzelnen Schuldner in Frage kommt.

Alles in Rücksprache und unter Berücksichtigung ihrer individuellen Situation. Das Stichwort lautet Hilfe zur Selbsthilfe. Sechs hauptamtliche und 14 Ehrenamtliche arbeiten im Team. Die Ehrenamtlichen stehen den Schuldnern auch dann zur Seite, wenn es gilt, Schubladen voller Unterlagen zu sichten und zu sortieren. Eine Schuldnerberatung kann je nach Situation bis zu einem Jahr dauern. In weniger gravierenden Fällen können auch einzelne Beratungstermine über wenige Wochen ausreichen.

© SZ vom 27.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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