Fürstenfeldbruck:Emotionale Achterbahnfahrt

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Worte wie Gemeinschaft und Gelassenheit, aber auch wie Selbstzweifel und Stress sind neben Bildern auf Stellwänden im Landratsamt zu finden. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Wanderausstellung zeigt Bilder und Texte von Depressiven

Von Felix Schulz, Fürstenfeldbruck

Die Welt hat ihre Farben verloren, alles erscheint nur noch in einem Einheitsgrau, nichts macht mehr Sinn. Die Vögel im Park haben das Singen aufgehört und der Geruch eines frischgebackenen Kuchens löst schon längst kein Hungergefühl mehr aus. Die Konsequenz der inneren Leere ist die Abschottung gegenüber anderen Menschen, die Rollläden werden heruntergelassen. Und es gibt niemanden, der einen versteht. Ein düsteres Bild, gezeichnet von einer oftmals schleichenden Krankheit: Depression.

"Etwa neun Prozent aller 18 bis 65 Jährigen erleben jährlich eine vorübergehende depressive Phase in ihrem Leben", erklärt Roland Biendl, Diplom Sozialpädagoge beim Gesundheitsamt Fürstenfeldbruck. Ursachen sind meist dramatische Ereignisse, Druck im Job, die Angst vorm Scheitern oder Beziehungsprobleme. Der Großteil der Betroffenen findet wieder einen Weg aus der Misere, doch für viele wird die Krankheit auch zu einem chronischen Albtraum. Das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat im vergangenen Jahr die Kampagne "Bitte stör mich! Aktiv gegen Depression" zur Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung initiiert. Im Rahmen dieses Projekts hat Biendl auch die Wanderausstellung "LebensBilderReise" organisiert, die noch bis zum kommenden Mittwoch, 17. Mai, im Zwischengeschoss des Landratsamts Fürstenfeldbruck zu sehen ist.

Die Sammlung umfasst vier Stellwände mit Vorder- und Rückseite. Auf der einen Seite werden jeweils selbstgemalte Bilder von vier unter Depression leidenden Patienten der Schön Klinik Roseneck gezeigt, auf der anderen Seite sind Zitate von ihnen abgedruckt. Wenngleich alle Bilder persönliche Unterschiede in der Maltechnik aufweisen, haben alle Wände "die Ambivalenz von Depressionen gemein", erläutert Roland Biendl. Demnach sei der Krankheitsverlauf von emotionalen Achterbahnfahrten geprägt, welche die Patienten auffällig oft in Form von Schiffen auf dem Meer darstellen. So werden in einem Bild mehrere Segelboote in einem Strudel tief in den Ozean gezogen, während auf dem daneben ein Boot bei Sonnenschein auf ruhiger See treibt.

"Wichtig ist, schon früh Hilfe und Unterstützung in Anspruch zu nehmen, und die gibt es zu Genüge", sagt Biendl. Dem stehe allerdings oft ein Umfeld im Wege, das die Symptome nicht wirklich ernst nehme. Das führe oft zur Isolation des Erkrankten, das auch das Bild mit dem Titel "Mein Panzeranzug" umsetzt, auf dem ein Mensch in solch einer Ganzkörpermontur steht. Auf dieser sind negative Begriffe wie Selbstzweifel, Frust, Stress und Hass geschrieben, wovor sich die abgebildete Figur mittels völliger Verhüllung zu schützen versucht. Durch den künstlerischen Ausdruck der Patienten wird die Erkrankung erfahrbar, ein Teil des Innenlebens erkennbar. Ein wichtiger Meilenstein der Behandlung des Leidens mit Hilfe von Medikamenten und Psychotherapie ist letztendlich das Akzeptieren der eigenen Situation: "Dann kann man wieder Oberwasser gewinnen", so Biendl. In diesem Sinne ist unter dem Motiv "Akzeptanz" ein in warmem Blau gemalter Mensch zu sehen, der sich augenscheinlich einer feindliche, roten Macht zur Wehr setzt. Auf der Rückseite heißt es: "Der Feuervogel zieht sich langsam zurück und gibt mir mehr Raum."

© SZ vom 10.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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