Fürstenfeldbruck:"Einfach weglegen"

Die Brucker Planungsreferentin Gabriele Fröhlich schwärmt von der Gartenstadtbewegung. Der Architekt Wolf-Dieter Stollenwerk riet seiner Kollegin, nicht mit der Nostalgie zu spielen.

Peter Bierl

Die alten Villen und Gebäude wie den Schlachthof auf der Lände stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, ist ein löbliches Unterfangen. Gelingt es, Kommunalpolitikern und Hausbesitzern klar zu machen, welche architektonischen Schätze diese Gebäude darstellen, dass diese erhalten bleiben und behutsam restauriert werden sollten, wäre viel gewonnen.

Alter Schlachthof

Erhaltenswertes Kleinod: das denkmalgeschützte Gebäude des Alten Schlachthofs.

(Foto: Günther Reger)

Keinen Gefallen haben sich die Initiatoren des Projektes "Verborgene Schätze - Künstlervillen in Fürstenfeldbruck und Emmering als Zukunftschance", das aus einer Ausstellung in der Sparkasse und einer Vortragsreihe besteht, damit getan, diese gute Absicht mit dem Begriff der Gartenstadt zu befrachten. Denn Künstlervillen machen noch keine Gartenstadt und wenn man sich mit einem beliebigen Aspekt deutscher Geschichte befasst, und vermeiden will, in einen kackbraunen Fettnapf zu treten, muss man in die Epoche des alten Fritz zurückgehen.

Auf die historische Gartenstadtbewegung wird auf einer Homepage, in der Ausstellung und im Katalog Bezug genommen, die Planungsreferentin Gabriele Fröhlich (FW) widmete dem Thema in ihrem Vortrag am Mittwoch im Saal des alten Rathauses fast eine dreiviertel Stunde. Sie berichtete von Ebenezer Howard, dem englischen Vordenker, der ersten Gartenstadt Letchworth bei London und dass die australische Hauptstadt Canberra nach diesen Grundsätzen konzipiert wurde. Ausführlich stellte sie sechs deutsche Modelle vor, von Hellerau bei Dresden bis Falkenberg in Berlin, blendete aber den völkischen Kontext der deutschen Gartenstadtbewegung aus.

Fröhlich lieferte lediglich die Schlagworte Sozialreform und Lebensreform. Eine wesentliche Vorstellung der deutschen "Reformer" war, die Rasse degeneriere in den Großstädten, ländliche Siedlungen und Gartenstädte sollten dem entgegenwirken. Noch vor Howard publizierte Theodor Fritsch sein Werk "Die Stadt der Zukunft" (1895). Fritsch verbreitete wüste antisemitische Pamphlete, darunter den "Antisemiten-Catechismus", der viele Auflagen erlebte und Hitler inspirierte.

Im Vorstand der Deutschen Gartenstadtgesellschaft saßen die von Fröhlich genannten Architekten Richard Riemerschmidt und Theodor Fischer neben Spitzenfunktionären der Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene wie Alfred Ploetz und Max von Gruber nebst Schweizer Gesinnungsfreunden wie August Forel sowie dem völkischen Verleger Eugen Diederichs.

Ein weiteres Defizit benannte Kulturreferent Klaus Wollenberg (FDP) am Mittwoch: Bloß die Baugenossenschaften in Eichenau und Gröbenzell in den 1920er Jahren bezogen sich auf die Gartenstadtidee. Für Bruck blieb Fröhlich den Nachweis schuldig. Im Kontext der Stadterhebung von 1935 bemühte sich die Brucker NSDAP, den Begriff Gartenstadt zum Zwecke des Standortmarketings zu vereinnahmen. Getreu der völkischen Ideologie betonte Bürgermeister Adolf Schorer, man wolle "nicht eine Großstadt nachahmen", sondern "mit voller Absicht" eine "Land- und Gartenstadt sein und bleiben".

Insofern mangelt es dem Versuch Fröhlichs, diese Tradition zu belegen, auch an Originalität. Für ihren Vortrag hatte sie als Titel gewählt: "Leitvision einer Gartenstadt. Zukunft durch Herkunft." Sie präsentierte eine Grafik Howards, in die sie die Namen Münchens und der umliegenden Kleinstädte einsetzte, wo der Brite Siedlungen mit viel Grün, Landwirtschaft und Gärten eingezeichnet hatte. Während Professor Peter Sprinkert von der Fachhochschule München in seiner Einführung bedauerte, dass das Neubauquartier Freiham von den Ideen der Gartenstadt leider gar nicht inspiriert sei, verwies Fröhlich auf eine grüne "Agropolis Freiham" als Teil einer Vision.

Fürstenfeldbruck rühmte Fröhlich als eine fahrradfreundliche Stadt, mit Fußwegenetz und "wohlproportionierter Bebauung", die darauf verzichte, "auf der grünen Wiese zu expandieren". Diverse Bausünden, dass sich das Gewerbegebiet Hasenheide nach Maisach hin entwickelt und ein bekannter Baumarkt nebst Kreisverkehr nicht im Zentrum gebaut wurden, hat die Planungsreferentin in ihrer Euphorie wohl übersehen.

Über ihrer Begeisterung für autofreie und grüne Städte könnte man vergessen, dass sie zu denen gehört, die eine Umgehungsstraße durch den Stadtpark schlagen wollen und ob Mister Howard sich an den neuen Einkaufszentren erfreut hätte, darf man bezweifeln. Die schöne Idee, in alten Gebäuden Kultur anzusiedeln, dürfte schnöder Immobilienwirtschaft weichen: Im alten Schlachthof werden keine Subkultur-Bands mehr auftreten, sobald nebenan die geplanten Wohnungen auf dem städtischen Filetgrundstück bezogen sind.

"Was Sie erzählen, war alles schon mal da und wurde zerstört", wandte eine Zuhörerin ein. Der Architekt Wolf-Dieter Stollenwerk riet seiner Kollegin, den Begriff der Gartenstadt einfach "wegzulegen", statt mit Nostalgie zu spielen. Stadtbaurat Martin Kornacher brachte das eigentliche Anliegen auf den Punkt: Die Villen sollten als "identitätsstiftende Momente" erhalten bleiben. Der modernen Architektur und Stadtplanung stellte er damit kein gutes Zeugnis aus.

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