Fürstenfeldbruck:Ein Supersommer für den Borkenkäfer

Das Forstamt und die Waldbesitzervereinigung rufen die Waldbesitzer zu strengen Kontrolle ihrer Fichtenbestände auf. Die Hitze und die Trockenheit der vergangenen Monate hat den Schädlingsbefall stark begünstigt

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Wenn Stefan Kiemer mit seiner Kettensäge den Fichtenstamm entastet und genau auf die schuppige Rinde achtet, weiß er, dass er eben genau das Richtige gemacht hat. Kiemer, von Beruf Forstwirtschaftsmeister, hat am Dienstag mehrere Fichten in einem Privatwald bei Pfaffing gefällt. Und er wird sein Werk im Auftrag der Waldbesitzervereinigung fortsetzen, um möglichst viele "Käferbäume" zu fällen. Denn nur so, sagt Forstamtschef Hans-Jürgen Gulder "wird man dem Borkenkäfer Herr".

Fürstenfeldbruck: Mit einem Beil schält Paul Högenauer von der Waldbesitzervereinigung die Rind einer Fichte, um die Borkenkäfer freizulegen.

Mit einem Beil schält Paul Högenauer von der Waldbesitzervereinigung die Rind einer Fichte, um die Borkenkäfer freizulegen.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Gulder und Paul Högenauer von der Waldbesitzervereinigung Fürstenfeldbruck haben am Dienstag die örtlichen Medien in das Waldstück eingeladen, um, wie Gulder es ausdrückt, "ein ganz ernstes Thema" zu besprechen. Was das Sturmtief Niklas vor fünf Monaten nicht zerstört hat, versuchen derzeit unzählige Borkenkäfer zu vernichten. Begünstigt durch die lange Trockenperiode und extreme Temperatur haben sich Buchdrucker und Kupferstecher, die beiden Arten des Borkenkäfers, fast explosionsartig ausgebreitet. "150 bis 200 Käfer genügen, um eine Fichte zu töten", sagte Gulder. Er appelliert deshalb an alle Privatwaldbesitzer, die Fichten in ihren Beständen haben, in diesen Tagen in ihren Wälder zu gehen und an den Fichtenstämmen auf das eigentliche Zeichen für den Käferbefall zu schauen: helles Holzmehl, das die Borkenkäfer meist am Fuß der Bäume hinterlassen, wenn sie sich durch die Rinde in jene Schicht gebohrt haben, in denen sie sich fortzupflanzen gedenken. Ist ein Baum erst einmal befallen, hat er laut Gulder kaum Überlebenschancen. Die Käfer fressen sich in die Leitungsbahnen der Fichte, dorthin, wo der Baum die Flüssigkeit und die Nährstoffe bis in die Krone transportiert. Diese Wachstumsschicht, das sogenannte Kambium, ist für die Käfer der ideale Aufenthaltsort. Der Baum stirbt mit der Zeit ab.

Fürstenfeldbruck: In die Saftbahn der Fichte dringen die Käfer vor und legen Larven ab. Die lebenswichtige Schicht wird zerstört, der Baum stirbt.

In die Saftbahn der Fichte dringen die Käfer vor und legen Larven ab. Die lebenswichtige Schicht wird zerstört, der Baum stirbt.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Der starke Käferbefall in den Fichtenbeständen ist für Gulder und Högenauer auch ein Zeichen für den Klimawandel, der sich in diesem Jahr sehr deutlich gezeigt habe. Gulder nennt den 31. März, als "Niklas" die nur flach verwurzelten Fichten umwarf oder sie auf halber Höhe einfach abriss, und weist auf die kalten und nassen Monate Mai und Juni hin, denen eine Hitzeperiode bis am Dienstag folgte. "Diesem Stress sind die Bäume nicht gewachsen", sagt Gulder und meint damit nicht nur die Fichte, sondern auch die Laubbäume. Denen haben man die Belastung der vergangenen Wochen angesehen, als sie ihr Laub abwarfen. Wenn eine Fichte ihre Belastungsgrenze erreicht, sei sie anfällig für Borkenkäfer. "Wir lagen dreieinhalb bis vier Grad über dem langjährigen Mittel", referiert der Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten , "es gab viele Tage über 30 Grad, da haben die Bäume langfristig Anpassungsprobleme." Vor allem der Fichte, deren eigentlicher Standort der Bergwald ist und die erst vor gut 250 Jahren ins Flachland kam und über drei Fichtengenerationen fast nur in Monokulturen gepflanzt wurde, schade solches Klima. Es gelte deshalb, bisherige Gewohnheiten in der Forstwirtschaft zu ändern. Das Forstamt und die Waldbesitzervereinigung raten den Waldbesitzern jetzt schon, ihre Bestände zu überprüfen und den Fichten schon in jungen Jahren mehr Platz zu verschaffen. "Dadurch wachsen sie besser und schneller und können statt nach 80 bis 100 Jahren schon nach 60 gefällt werden". sagt Gulder.

Zudem plädieren die Forstberater für Mischwälder, die weiter zu einem Gutteil auch Fichten enthalten können. Deshalb scheint es für den Behördenleiter ein Genuss zu sein, den sich in dem Bereich bei Pfaffing entwickelnden Mischwald zu sehen. Wo "Niklas" gewütet hat, kommen nun auf freier Fläche die teils schon mehrjährigen Bergahorne empor. Sie sind eine sogenannte Naturverjüngung "und kosten nichts", sagt Gulder. Auch Högenauer ist zuversichtlich, dass die Waldbesitzer umdenken: "Viele haben aus dem Schaden gelernt", sagt er im Hinblick auf die Folgen der Stürme für die Monokulturen. Momentan sei es wichtig, den Käfer zu bekämpfen und danach neu anzupflanzen. Stefan Kiemer schafft den Platz für die Aufforstungsflächen. Bevor er wieder zur Säge greift, sagt er: "Nur wenn man jetzt mehr wegnimmt, wird sich der Schaden in Grenzen halten."

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