Fürstenfeldbruck:Ein Ort der Zuflucht

Symbolbild Streit

Streit in der Familie macht krank - ganz besonders unter Blutsverwandten.

(Foto: Jan-Philipp Strobel/dpa)

Seit 25 Jahren gibt es im Landkreis ein Frauenhaus. Seither haben dort mehr als 800 Frauen und 1000 Kinder eine vorübergehende Bleibe gefunden. Häusliche Gewalt ist seither aber nicht weniger geworden

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Gewalttätig geworden ist er in der Zeit, als das erste Kind kam, berichtete die Frau vor Gericht. Sie war damals 34, als es im Jahr 2012 zum Prozess gegen ihren Ex-Ehemann kam - wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Beleidigung seiner Frau. Beim letzten Übergriff war er ihr so heftig in die Magengegend getreten, das sie einen Milzriss davon trug. Eine Notoperation rettete das Leben der Frau, die zu diesem Zeitpunkt Mutter von vier Kindern war. Vier Mal war die Frau im Laufe der Jahre in ein Frauenhaus geflüchtet. Es sind Fälle wie diese, die die Notwendigkeit von Frauenhäusern dokumentieren.

Im Landkreis Fürstenfeldbruck gibt es seit 25 Jahren ein solches Frauenhaus, das Frauen, die Gewalt erlebt haben, vorübergehend bis zu einem halben Jahr eine geschützte Unterkunft bietet. An diesem Donnerstag gibt es dazu in den Räumen der Neuen Bühne Bruck einen kleinen Festakt mit Sektempfang, Imbiss und Theaterstück. "Wir feiern jetzt nicht den Beginn einer schönen, neuen, gewaltfreien Welt, in der unsere Arbeit nicht mehr gebraucht wird", hatte Vorstandsfrau Franziska Gumtau vor anderthalb Jahren gesagt, als der Verein "Frauen helfen Frauen", der das Frauenhaus betreibt, an sein 30-jähriges Bestehen erinnerte. An der Situation hat sich indes nichts geändert. "Gewalt gegen Frauen stellt in Deutschland nach wie vor ein hoch relevantes Problem dar", heißt es in einer Studie, die das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration beim Institut für empirische Soziologie an der Universität Erlangen-Nürnberg in Auftrag gegeben hatte und die soeben veröffentlicht wurde.

Mehr als 800 Frauen und mehr als 1000 Kinder suchten in den vergangenen 25 Jahren Zuflucht im Frauenhaus des Landkreises. 26 Frauen waren es im vergangenen Jahr. Sie fliehen in den meisten Fällen vor häuslicher Gewalt, die sie als Psychoterror oder in allen physischen Ausprägungsformen bis hin zu sexuellen Misshandlungen und Vergewaltigungen erleben. "Kinder sind immer mitbetroffen, ob die Gewalt gegen sie gerichtet ist oder ob sie die Gewalt miterleben", sagt Maria Harrer, die neben Ulrike Jurschitzka und Miriam Ludwig als Diplom-Sozialpädagogin im Frauenhaus tätig ist. 19 der 26 Frauen im Vorjahr kamen mit Kindern. Problematisch wird es, wenn eine Frau mehrere Kinder mitbringt und dann die Kapazität des Frauenhauses, das über sechs Wohnplätze für Frauen und sieben für Kinder verfügt, nicht ausreicht. Das Frauenhaus erhält deutlich mehr Anfragen auf Aufnahme als es erfüllen kann. Man versuche dann, Frauen in andere Häuser zu vermitteln oder eine Übergangslösung etwa bei Freunden zu finden, sagt Harrer. Es gibt Frauen, die mehrere Anläufe brauchen, um sich zu lösen. Es gibt Frauen, die wieder zurückgehen, ihrem Ehemann eine zweite Chance geben wollen - "besonders dann, wenn Kinder im Spiel sind", weiß Harrer. Die betroffenen Frauen stammen aus allen Gesellschaftsschichten und aus verschiedenen Kulturen. 39 Prozent der Frauen, die im Vorjahr das Frauenhaus des Landkreises aufsuchten, waren Deutsche. Die meisten, nämlich 73 Prozent, waren zwischen 20 und 35 Jahre alt.

Aus einer parteiübergreifenden Initiative war 1989 der Wunsch nach einem Frauenhaus im Landkreis entstanden, 1991 wurde es eröffnet. Träger ist der Verein "Frauen helfen Frauen", der auch den Frauennotruf und eine Interventionsstelle für Opfer häuslicher Gewalt unterhält. Der Landkreis unterstützt die Einrichtung finanziell. Im Vorjahr wurde der Vertrag neu verhandelt und die Fördersumme für das Frauenhaus bis 2020 auf 150 000 Euro im Jahr erhöht. Nicht allen war es zunächst leicht gefallen, die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung anzuerkennen, mittlerweile ist das Frauenhaus unumstritten. Zumal neue Erkenntnisse zeigen, dass der Bedarf in Bayern viel höher ist als bisweilen angenommen. In 38 staatlich geförderten Frauenhäusern gibt es derzeit 426 Plätze für Frauen und 504 Plätze für Kinder. Die bereits erwähnte Studie der Uni Erlangen-Nürnberg, die ermitteln sollte, welche Hilfen gewaltbetroffene Frauen in Bayern erhalten, kommt zu dem Ergebnis, dass der Bedarf an Frauenhausplätzen nicht ausreichend gedeckt ist. In Bayern müssten mindestens so viele Frauen aus Kapazitätsgründen abgewiesen werden wie aufgenommen werden können, heißt es darin. Die Plätze reichten nicht aus, weil es nicht genügend Wohnraum auf dem freien Markt gibt und die Frauen auch deshalb länger bleiben müssten. Die Studie empfiehlt, die Zahl der Frauenhausplätze auszubauen sowie die Personalstellen in den Frauenhäusern und die Kapazitäten bei der Beratung von gewaltbetroffenen Frauen auszuweiten. Im Landkreis Fürstenfeldbruck sollte das Frauenhaus über die Germeringer Sozialstiftung einen Neubau im Fürstenfeldbrucker Stadtteil Buchenau erhalten. Der Stadtrat aber lehnte eine mit dem Projekt verknüpfte Wohnbebauung ab. Noch ist unklar, ob das Projekt andernorts eine Chance auf Realisierung hat.

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