Fürstenfeldbruck:Ein Marathon der Willenskraft

Bruck: Marathonläufer Bernd Schwärzel

Er wollte seine Lähmung überwinden und quälte sich auf dem Laufband: Marathonläufer Bernd Schwärzel aus Bruck.

(Foto: Johannes Simon)

Acht Jahre nach einem Schlaganfall nimmt Bernd Schwärzel am Münchner Stadtlauf teil

Von Sebastian Mayr, Fürstenfeldbruck

- Bernd Schwärzel hat noch einmal von vorne angefangen, nach einer Meniskusoperation und drei Monaten ohne Sport. Fünf Kilometer lange Läufe haben ihm Mühe gemacht, am kommenden Samstag wird er beim Münchner Stadtlauf eine zehn Kilometer lange Strecke hinter sich bringen. Gemeinsam mit seiner Frau. Schwärzel hat schon einmal von vorne angefangen, ganz anders als heute. Im Winter 2007 fiel er in der Dusche einfach um. Erst im Krankenhaus kam der Industriedesigner wieder zu sich und dachte zuerst an die viele Arbeit, die noch auf ihn wartete. Doch Schwärzel arbeitet nicht mehr, es geht nicht. Er ist jetzt Frührentner. Das, was ihn in der Dusche umgeworfen hat, war ein Aneurysma, eine geplatzte Ader im Gehirn.

Schwärzel war erst nach der Operation wieder zu sich gekommen. Die Chance, sie zu überleben, hatten die Ärzte auf gerade einmal fünf Prozent geschätzt. Danach, glaubten sie, würde Schwärzel, der damals 55 Jahre alt war, ein Pflegefall bleiben. Doch der Fürstenfeldbrucker hat wieder gehen gelernt, Fahrrad fahren und laufen. Im Juni 2014 ist er in Augsburg einen Halbmarathon gelaufen, im Oktober den München Marathon.

Sechs Monaten nach seiner Operation konnte der Fürstenfeldbrucker wieder sitzen. Mit dem Rollator lernte er wieder zu gehen. In der Reha begann Schwärzel, der vorher begeistert und immer schnell Motorrad gefahren war, mit dem Fahrrad fahren. Das Fahren selbst klappte ganz gut, doch im Stehen kippte er immer wieder zur Seite. Eine linksseitige Lähmung blieb. Schwärzel verkaufte sein Motorrad und dachte dabei: "Das kann jetzt nicht alles sein."

Er wollte seine Lähmung loswerden, sich wieder bewegen können. Fast alle Nachbarn sind Marathonläufer oder Triathleten. Der Industriedesigner, der jetzt Frührentner ist, ging ins Fitnessstudio. Vor der Hirnblutung war er keinen Schritt zu Fuß gegangen, jetzt stellte er sich aufs Laufband. Dort hielt er es anfangs nicht länger als eine Minute aus. Zwei Jahre nach dem Aneurysma konnte er fünfzehn Minuten lang laufen, noch einmal zweieinhalb Jahre später schaffte er Strecken, die fünf Kilometer lang waren. Dann erfuhr Bernd Schwärzel von der Laufgruppe des Brucker TuS. Die gibt es inzwischen seit drei Jahren. Sie ist von fünf auf 45 Läufer gewachsen und will auch Anfängern das Laufen beibringen. Eine halbe Stunde zu Fuß gehen zu können, ist die einzige Anforderung in der Einsteigergruppe.

Schwärzel schloss sich den Läufern an, lief mit ihnen los und hörte auf halber Strecke auf, mitzulaufen. Die zehn Kilometer waren ihm zu weit. Doch da hatte ihn der Ehrgeiz schon gepackt: "Ich habe mir gesagt, wenn ich so weit komme, dann geht es noch weiter." Seine Trainer mussten den ihn oft einbremsen, denn der Frührentner wollte zu schnell zu viel. Jetzt sagt Schwärzel über Werner Ginzky, der die Laufsparte leitet: "Dem Werner hab ich viel zu verdanken, auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren."

Auch auf den Halbmarathon bereitete sich Schwärzel in einer Gruppe des TuS vor. Doch genug hatte Bernd Schwärzel auch nach dem Lauf in Augsburg noch nicht. Er wollte einen Marathon laufen, ein Mal zumindest. Dabei habe er sich selbst eigentlich nie für besonders willensstark gehalten, behauptet Schwärzel. Werner Ginzky widerspricht ihm da: "Er ist ehrgeizig und ein sturer Bock. Einen Willen hat er." Das ärztliche Okay hatte sich Schwärzel gleich ganz am Anfang eingeholt: "Alles, was Sie machen können, können Sie machen", hatte man ihm gesagt. Und Schwärzel selbst erklärt: "Ich kann nicht sagen, geh' in eine Sportgruppe und alles wird gut. Aber mir hat es geholfen." Er bewältigte die 42 Kilometer, auch wenn sein Knie zu schmerzen begann. Jetzt ist das Knie operiert, doch einen Marathon will er nicht mehr laufen. Er wollte es nur ein Mal schaffen, sich selbst beweisen, dass er es kann. "Ich bin stolz darauf, besonders unter diesen Umständen." Früher wäre er gar nicht auf die Idee zu kommen, an einem solchen Lauf teilzunehmen. Am Anfang war das Laufen für ihn nicht mehr gewesen als der Versuch, die Lähmung zu überwinden. Das ist Bernd Schwärzel gelungen. Jetzt wird er das Laufen nicht mehr los, es hat ihn gepackt.

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