Stimmungen:Ein kleines rotes Rechteck und ein Kandidat mit Rückenwind

Die SPD geht regelrecht unter bei der Landtagswahl. Ihr Bewerber Peter Falk verlässt die Wahlparty im Landratsamt deshalb bald wieder. Die Stimmung an dem Abend bleibt gedrückt, auch wenn CSU-Mann Benjamin Miskowitsch Grund zur Freude hat

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Von Säulen kann keine Rede sein. Es sind nur kleine Rechtecke, die am unteren Rand des Bildes zu sehen sind, das ein Beamer in Vergrößerung auf eine Leinwand im Eingangsfoyer des Fürstenfeldbrucker Landratsamtes wirft: Ein kleines Rechteck in gelb, das für FDP steht und 4,21 Prozent anzeigt. Nun, die Liberalen sind, gerade in Bayern, solche Ergebnisse gewohnt. Auch bei den Sozialdemokraten häufen sich die Horrormeldungen, aber das rote Rechteck aus Egenhofen mit gerade mal 4,11 Prozent? Egenhofen ist als erste Gemeinde ausgezählt am Sonntagabend um 19.50 Uhr. Die SPD und ihr Kandidat Peter Falk landen hier auf Platz sechs - ein Fiasko. Falk ist, als das erste Ergebnis einer Kreiskommune in Großaufnahme zu sehen ist, schon nicht mehr da. Kein bisschen Rot hat der überzeugte Sozialdemokrat und erfahrene Wahlkämpfer am diesem Abend getragen, nicht einmal seine rote Krawatte. "Ich wollte heute keine", sagt er lapidar. Rot ist an diesem Abend nicht die Farbe, die bewegt.

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Söder-TV im Landratsamt.

(Foto: Günther Reger)

Um kurz vor 18 Uhr sind knapp zwei Dutzend Besucher da. Es ist still, sehr still. Vier Stuhlreihen sind vor dem TV-Gerät aufgebaut, die Wahlsendung des Bayerischen Fernsehens überträgt die erste Prognose. Genau zehn Prozent wird für die Sozialdemokraten landesweit angezeigt. Landrat Thomas Karmasin (CSU) ist auch gerade gekommen, er hat für die SPD nur ein einstelliges Ergebnis vorhergesagt. Im Laufe des Abends wird er Recht behalten, für die SPD wird in Bayern dann nur noch eine neun vor dem Komma stehen. Als es Gewissheit wird und in manchen Kommunen im Landkreis sogar noch schlimmer kommt, wird er fast gnädig und sagt, es sei nicht gut, wenn eine Traditionspartei in der Bedeutungslosigkeit verschwinde. Seiner CSU hat er natürlich mehr zugetraut und sie bei 40 Prozent verortet. "Ist aber schon ein paar Wochen her", sagt er und lacht.

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Auch Stimmkreiskandidat Peter Falk (SPD) war da.

(Foto: Günther Reger)

Zwei alte SPD-Recken müssen das bayerische Desaster mitansehen, obwohl sie selbst die Folgen nicht mehr ausbaden müssen. Die Landtagsabgeordneten Herbert Kränzlein und Kathrin Sonnenholzner sind nicht mehr zur Wahl angetreten. "Am untersten Rand der Befürchtungen" sieht Kränzlein das Wahlergebnis seiner Partei, er selbst sei "ziemlich ratlos". Nun müsse ein echter Neustart her - selbstverständlich auch mit personellen Konsequenzen, ergänzt Sonnenholzner. Dass die AFD bayernweit zweistellig mit elf Prozent in den Landtag einzieht, schockiert sie geradezu: "Die sind Lichtjahre weg von meinem politischen Verständnis." Mehr als neuneinhalb Prozent erhält die AfD in Egenhofen, als viertstärkste Kraft.

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Hier fand sich Stimmkreiskandidat Peter Hans Friedl (FW) ein.

(Foto: Günther Reger)

Die Stimmung im Landratsamt bleibt den ganzen Abend über gedämpft. Kurzer Jubel brandet lediglich bei der CSU auf, als die ersten Ergebnisse aus Egenhofen, Adelshofen und Jesenwang ihrem Kandidaten Benjamin Miskowitsch zwischen 42 und fast 45 Prozent zuweisen. "Das tut gut, das gibt Rückenwind", freut sich der 34-jährige Novize, "vor allem für einen neuen Kandidaten in der Nachfolge" sei das nicht selbstverständlich. Miskowitsch sollte den Erbhof von Reinhold Bocklet verteidigen. "Der Kandidat wird mehr geliebt als die Partei", ruft ihm Maisachs Bürgermeister Hans Seidl zu. Wohl wahr. Auch die CSU hat ja ordentlich verloren. Joseph Schäffler, Bürgermeister von Moorenweis, könnte deshalb richtig liegen mit seiner Einschätzung, dass es notwendig sei, dass die Politik wieder "zuhört, Kompromisse eingeht, die anderen ernst nimmt". Miskowitsch könnte dafür der Richtige sein, meint Schäffler.

Die Besucher können sich derweil zum kleinen Preis stärken mit Gulasch- oder Kürbissuppe, Wasser, Wein, Bier und Cola. An Stehtischen gibt es ein paar Cräcker. Früher sei hier schon mal mehr los gewesen, ist Georg Stockinger, dem Kandidaten der Freien Wähler für den Stimmkreis Fürstenfeldbruck-West/Landsberg, aufgefallen. Vielleicht liegt es ja daran, dass es mit dem Auszählen zäh geht an diesem Abend. "Mehr Parteien und höhere Wahlbeteiligung", findet Landratsamtssprecherin Ines Roellecke als Grund für die Verzögerung heraus. Fast zwei Stunden sind die Wahllokale schon geschlossen, als das erste Ergebnis fest steht. Viele Besucher wollten nicht so lange warten, verfolgen die Ergebnismeldungen später daheim im Internet. Die, die noch geblieben sind, sitzen jetzt nicht mehr vor dem Fernsehschirm, sondern stehen vor der großen Leinwand, die die Landkreisresultate in Säulendiagrammen zeigt. Karmasin würdigt den ländlichen Raum im Landkreis als vernünftig, als das AfD-Ergebnis von Egenhofen unter dem Landesergebnis liegt.

Und wie geht's jetzt weiter in Bayern? Die Frage wird an vielen Tischen diskutiert. Eine Dreierkoalition aus CSU, Freien Wählern und der am frühen Abend bei exakt fünf Prozent liegenden FDP "bringt nix", sagt der Freie Wähler Hans Friedl. Und eine Koalition mit den Grünen? "Da verliert's ihr dann auf dem Land", prophezeit er den CSU-Bürgermeistern Seidl und Schäffler. Eine Zusammenarbeit von CSU und FW auf Bayernebene aber sei "ein schlechtes Signal zu Lasten der CSU", vermutet Seidl, und Friedl stimmt ihm zu. Was aber dann? Hans Seidl ist für Schwarz-Grün und möglicherweise in seiner Partei in der Minderheit. Für Seidl ist "alles andere keine Erneuerung der Politik".

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