Fürstenfeldbruck:Ein Anker im Hier und Jetzt

Im Haus 10 erinnert eine Retrospektive an den vor zwei Jahren verstorbenen Künstler Reiner Amann. Fundstücken gibt er eine neue Form, alten Formen einen neuen Rahmen

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Da, wo andere achtlos waren, Dinge weggeworfen, verloren oder vergessen haben, war der Künstler Reiner Amann besonders aufmerksam. Viele seiner Werke bestehen aus Fundstücken. Dadurch, das er Objekten, die andere bestenfalls als Krempel bezeichnen würden, durch seine Arbeit neue Bedeutung gegeben hat, Hoffnung darauf, dass es in seiner Kunst weiterlebt. So wie Amann selbst in seinen Werken weiterlebt, wie die aktuelle Ausstellung im Haus 10 zeigt. Mit "Hommage an Reiner Amann" gedenkt die Brucker Künstlervereinigung ihres Ende 2017 verstorbenen Mitglieds.

Es ist eine der wenigen Einzelausstellung im Haus 10, aber das umfassende Werk des Brucker Künstlers ist diese Ausnahme absolut wert. Zu sehen sind Werke aus Amanns drei großen Technikfeldern: Fotografien, Skulpturen und seine Assemblagen, also Collagen aus plastischen Objekten. Eines von Amanns großen Themen war die Umgestaltung des Klostergeländes. 14 seiner Bronzeskulpturen zu diesem Thema sind heute im öffentlichen Raum im Kloster, dem Rathaushof und der Stadtbibliothek zu sehen. In der Ausstellung zu sehen ist ein stimmig komponiertes Schwarz-Weiß-Foto, es zeigt den Blick nach oben von der Klosterpforte. Die klaren Linien und strengen Kanten, die fehlende Farbe, all das verstärkt die Monumentalität des barocken Baus. Dem gegenüber steht eine Skulptur, die an drei Orgelpfeifen erinnert: modern, reduziert, klar, funktional.

Fürstenfeldbruck: Skulpturen, Assemblagen, Fotografie: Die von Amann verwendeten Techniken sind vielfältig.

Skulpturen, Assemblagen, Fotografie: Die von Amann verwendeten Techniken sind vielfältig.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Ein großer Teil der Ausstellung ist den Assemblagen gewidmet. Auch sie scheinen teilweise geschaffen für die Präsentation in einem alten Klostergebäude. Die alten Holzstücke und Lederriemen wirken, als seien sie dem Materiallager der Mönche entnommen. "Tarantula" heißt eines dieser Werke. Es besteht aus einem Ring von Nägeln die in ein altes Brett eingeschlagen sind, in ihrer Mitte leuchtet eine rote Holzkugel. Darunter ist ein breiter werdendes Stück Leder befestigt. Amanns Werke tragen nicht unbedingt eine tiefergehende Botschaft. Vielmehr bieten sie sich als starker Projektionsraum für den Betrachter an, sind Gefäße, die sich beliebig mit metaphysischen Gedanken füllen lassen.

Amann erreicht das, indem er mit einfachen, gerne archaischen Formen arbeitet, sie variiert, wiederholt. So findet sich der Nagelring, in dichterer Form, fast schon als Nagelkreis, in einer anderen Skulptur wieder. Zwei Symbole, die der 1931 geborene Künstler immer wieder verwendet hat, sind der Pfahl und der ihm verwandte Stab.

Ähnlich wie die Assemblagen sind Amanns Objektkästen strukturiert. Nur dass die Fundobjekte dort noch "natürlich" wirken, weil sie scheinbar ungeordnet beieinander liegen und nicht in einem Rahmen an der Wand hängen. Dennoch sind die Kästen überlegt strukturiert. In einem ist ein historisches Türschloss zu sehen, zerlegt in seine Einzelteile, ein anderer zeigt ein Zuggeschirr mit breitem Lederband, das um den Hals des Tieres gelegt worden ist, dazu ein dickes Seil. Im dritten Kasten liegen unter anderem eine Mistgabel, verbogene Nägel und ein Metallschild mit der Prägung "INRI". Arbeiten und Beten, die in den Augen der Kirchen reinste Form des Lebens.

Fürstenfeldbruck: Doch seine Werke sind stets geprägt von einem klaren Blick auf das, was gezeigt werden soll.

Doch seine Werke sind stets geprägt von einem klaren Blick auf das, was gezeigt werden soll.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

In einer Dekade, in der das Digitale das Analoge immer stärker verdrängt, wirken Amanns Werke wie ein Anker. Sie fixieren ihren Betrachter im Hier und Jetzt, weil sie ihm alte, abgenutzte Gegenstände zeigen, die vom ehemaligen Besitzer als unnütz verstanden worden sind und die doch noch immer eine starke Wirkung entfalten können. In den richten Händen und in der richtigen Form. Dennoch ist Amanns Kunst keine Nostalgie, keine Mahnung. Vielmehr sind die Werke eine Aufforderung. Dazu, genau hinzuschauen, Dingen zu entlocken, was sie preisgeben wollen.

Ausstellung "Hommage an Reiner Amann", Haus 10, Kloster Fürstenfeld. Vernissage am Freitag, 27. September, von 19.30 Uhr an. Danach zu sehen bis 13. Oktober jeweils freitags von 16 bis 18 und samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr

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