Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Echte Kunst

Die Jahresausstellung der Künstlervereinigung Fürstenfeldbruck widmet sich heuer dem Thema "echt". Zu sehen sind echte Knochen, echte Ideen und weitere echt gute Werke

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Jahresausstellungen sind für Kunstvereine meist das wichtigste Ereignis des Jahres. Es ist die große Leistungsschau der eigenen Mitglieder, bei der jeder darf zeigen, was er hat und was er kann. Und weil "Jahres-" oder "Gruppenausstellung" als Titel allein kein Straßenfeger ist, heißt es Jahr für Jahr ein Motto finden, das eine mystisch-intellektuelle Aura umgibt. Gleichzeitig jedoch darf das Thema einer Gruppenausstellung nicht zu spezifisch sein, geht es doch häufig lediglich darum, alle entstandenen Arbeiten unter zu bekommen. Betritt man dann als Besucher so eine Ausstellung, ist es ohne eine persönliche Erklärung der Künstler oft schwer, das ausgelobte Motto in den Werken zu erkennen. Meist ist das allerdings nicht weiter schlimm, denn so kann man einfach die Kunst auf sich Wirken lassen, ohne sie immer in den Kontext des Themas setzen zu müssen. L'art pour l'art im kleinen Rahmen sozusagen.

Bei der Künstlervereinigung Fürstenfeldbruck hat man sich heuer auf "echt" als Titel für die Jahresausstellung geeinigt. Echt, soviel sei schon einmal verraten, sind alle Kunstwerke, die da im Haus 10 zu sehen sind. Und auch sonst haben sich die Künstler einige Gedanken gemacht, wie sie dieses zunächst sperrig wirkende Thema umsetzen und auch für den Besucher in den Werken erkennbar machen können. So zeigt Bettina Elsässer-Max drei schwarz lackierte und mit Blattgold verzierte Skulpturen, die gleich auf den ersten Blick verdächtig an Knochen erinnern. Und es sind tatsächlich echte Knochen, die sie in Kunstwerke verwandelt hat: Den Teil eines Beckens, eines Oberschenkelknochens und eines Kiefers, an dem sogar noch ein paar Backenzähne zu sehen sind. Die Größe der Fragmente lässt außerdem erahnen, dass es sich wohl um Tierknochen handelt, die hier zu sehen sind.

Die Frage, was überhaupt echt oder besser gesagt wahr ist, hat Waltraud Flickinger beschäftigt. Beim Betrachten von Bildern und Videos in den Medien und im Internet hat sie sich gefragt, wie und ob man dem Gesehenen trauen kann. Das Kunstwerk, das dabei entstanden ist, besteht aus zwei Teilen: Einem Künstlerbuch, in dem Flickinger einfache Szenen festhält und das aufgeschlagen unter Plexiglas liegt, und einem Video, in dem die Bilder zu sehen sind und von der Künstlerin kommentiert werden. Thematisch bewegen sich die Werke zwischen Biografischem, Politischen und Erfundenem. Eines der Bilder zeigt ein Windrad und mehrere Landschaftsausschnitte. "Die Meinungen gehen auseinander", heißt es dazu im Video. Der Betrachter, so erklärt es die Künstlerin, müsse selbst entscheiden, was nun "echt" ist. Das Buch? Das Video? Beides?

Neben einer Säule im mittleren Raum liegt ein buntes Tuch, darauf ein silberner Teller mit einer Kugel. Angesichts des Mottos stellt man sich hier die Frage: Ist das Tuch aus echter Seide, sind die Gegenstände aus echtem Silber? Und dann wiederum: Warum ist das überhaupt wichtig? Was ändert sich dadurch? Bis man bei der Grundfrage angelangt ist: Was bedeutet dieses Wort eigentlich, was sagt es aus?

Natürlich gibt es auch einen zweiten Weg, sich diese Ausstellung anzuschauen. Wirft man den Fragenkatalog ab, mit dem einen das Motto in die Ausstellung wirft, kann man viele interessante Kunstwerke entdecken. Etwa den herrlichen Esel, den Ruth Strähhuber gemalt hat. Oder die experimentellen Schiessbilder, wie der Künstler Friedo Niepmann seine Werke nennt. Mit einem Bogen hat er 100 bis 400 Mal auf zwei Zielscheiben und den Umriss einer Hand geschossen. Hansjürgen Vogels "Salome" zeigt zwei Männerkörper und eine Frau. Die Skelette sind über der Haut farblich hervorgehoben. Technisch hervorragend und so ästhetisch, dass man stundenlang davor verbringen könnte. Echte L'art pour l'art sozusagen.

"Echt", Jahresausstellung der Künstlervereinigung Fürstenfeldbruck, Vernissage am Freitag, 17. Juli, um 19.30 Uhr im Haus 10. Zu sehen bis zum 2. August. Geöffnet freitags von 16 bis 18 Uhr und samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2015
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