Das Passionsgeschehen mit der Leidensgeschichte Jesu steht in unmittelbarem Kontext zum Osterfest. Für Komponisten aus vielen Jahrhunderten war die Vertonung der in den Evangelien überlieferten Passion von großem Reiz. Während hier die Person Jesu Christi im Mittelpunkt steht, bleiben andere Betroffene eher am Rande. Die Person, die wohl am tiefsten emotional von den Geschehnissen betroffen ist, ist seine Mutter Maria.
Im „Stabat Mater“, einer Reimsequenz aus dem 13. Jahrhundert, wird der Fokus auf Maria gelegt, und dabei auf die Schmerzen, die sie empfindet. Insofern gehört das „Stabat Mater“ genauso zum Karfreitag wie die Passion selbst. Antonín Dvořák hat im 19. Jahrhundert die bis dahin aufwändigste Vertonung des „Stabat Mater“ vorgelegt und allein mit der Größe der Besetzung in Chor und Orchester den Kirchenraum in Richtung Konzertsaal verlassen. Nach über zehn Jahren haben Bach-Chor und Bach-Orchester Fürstenfeldbruck dieses Werk unter der Leitung von Gerd Guglhör wieder auf das Programm ihres sehr gut besuchten Konzerts im Stadtsaal gesetzt. Als Solisten waren Claire Elizabeth Craig (Sopran), Julia Schneider (Alt), Thomas Kiechle (Tenor) und Alexander Kiechle (Bass) zu hören.

Der Todesmarsch von Kaufering nach Waakirchen:Morden bis zum Schluss
Im April vor 80 Jahren werden etwa 9000 Gefangene von der SS aus den KZ-Außenlagern bei Kaufering durch den Landkreis Fürstenfeldbruck getrieben - erst nach Dachau und Allach, später Richtung Süden. Viele verhungern, erfrieren, werden erschossen oder von Wachhunden zerfetzt.
Musik, die nur Schmerzen vertont, hat es schwer, sich Gehör zu verschaffen. Insofern braucht es immer die Ebene der Weiterführung und Linderung, um in der Gesamtheit überzeugen zu können. Im Kontext der Passion ist die Lösung durch die Auferstehung bereits vorgezeichnet. Insofern verbindet auch Dvořák die Dissonanz und die Spannung ganz selbstverständlich mit der Hoffnung von Ostern. Diese Melange aus unterschiedlichen Stimmungen, die wunderbar ineinander verzahnt sind, ist wesentlicher Grund für die Popularität von Dvořáks Werk.
Der große Erfolg der Aufführung war der Stimmigkeit der Emotionen hier zuzuschreiben, die gleichsam den Stadtsaal fluteten, aber nie aus der Balance gerieten oder in oberflächliches Pathos verfielen. Sorgsam austarierte Spannungsbögen und dynamische Entwicklungen betonten nicht nur die überragend lyrischen Qualitäten des „Stabat Mater“, sondern konturierten ebenso eine dramaturgische Gesamtarchitektur für eineinhalb Stunden. Die Dimensionen mit etwa einhundert Sängerinnen und Sängern im klangprächtigen Chor und einem bestens disponierten Orchester, das durch eine große Zahl an Bläsern zu symphonischer Größe angewachsen war, boten alle Möglichkeiten einer soliden Umsetzung. Die Klanggruppen befruchteten sich immer wieder gegenseitig und berauschten sich im positivsten Sinn am Klang. Die ausdrucksstarken Solisten positionierten sich darin als Teil des Ganzen und erweiterten das Klangspektrum.
Der Eingangssatz, fast identisch mit der Schlussnummer, entwickelte sich organisch aus der Einstimmigkeit hin zur Mehrstimmigkeit und dadurch zu dissonanten Klängen. Das hatte damit fast menschliche Qualitäten. Das folgende Solistenquartett „Quis est homo“, das durch ein sehr inniges Motiv geprägt war, durchzog nicht nur wie ein gemeinsames Statement die Stimmen. Im Verlauf erschien der Gestus aus der Tiefe heraus fast schwebend tänzerisch zu sein, eine Wirkung, die in Worten kaum zu fassen ist. Gerade auch im Dialog einzelner Solisten mit dem Chor auf der Basis eines soliden Orchesterfundaments berührten das Publikum die sehr verinnerlichten Ausdrucksebenen.
Dvořáks „Stabat Mater“ wäre kein romantisches Meisterwerk, wenn nicht die Ebenen von Transzendenz und Opernbühne zumindest gestreift würden. Im Bass-Solo „Fac, ut ardeat cor meum“ akzentuierten dem Gesamtklang beigemischte Orgelklänge diskret den geistlichen Kontext. Sopranistin und Tenor entwickelten im Duo „Fac, ut portem Christi mortem“ eine beeindruckend opernhafte Strahlkraft. Am Ende „siegte“ in einem tollen Finale die unbedingte Zuversicht. Begeisterten Beifall gab es für alle Beteiligten.