Fürstenfeldbruck:"Die Verbraucher sollten ihr Verhalten ändern"

Am Montag beginnt im Landkreis eine Kampagne, mit der für neue Photovoltaikanlagen geworben wird. Die Beratung übernimmt der Energiewendeverein Ziel 21. Im SZ-Interview erläutert dessen Vorsitzender Gottfried Obermair das Angebot und berichtet von praktischen Erfahrungen mit Solarenergie

Interview von Erich C. Setzwein

Mit einer Kampagne möchte der Landkreis Fürstenfeldbruck in diesem Jahr das Bewusstsein für erneuerbare Energien und die eigene Stromproduktion fördern. Ziel soll es sein, dass auf Dächern von Privathäusern, aber auch von gewerblich genutzten Immobilien sowie öffentlichen Gebäuden Photovoltaikanlagen gebaut werden. Die Beratung der Interessenten läuft über den Energiewendeverein Ziel 21. Dessen Vorsitzender ist seit dem Jahr 2016 Gottfried Obermair, 59, aus Maisach.

SZ: Was wollen Sie mit der Photovoltaik-Kampagne bewirken?

Gottfried Obermair: Wir wollen den Anteil der Stromerzeugung mit Photovoltaik im Landkreis erhöhen. Gerade im ländlichen Bereich ist noch viel Potenzial vorhanden. Die Leute sind vermutlich noch von den hohen Einspeisevergütungen früherer Jahre verwöhnt. Das ist jetzt vorbei, das ganz große Geld kann man mit der Stromeinspeisung nicht mehr verdienen. Aber es sind immer noch Renditen von bis zu 2,5 Prozent erzielbar, wo gibt es das heute sonst noch?

Lohnt es sich denn, für den eigenen Verbrauch, Strom zu produzieren?

Auf jeden Fall! Aber ohne Eigenverbrauch lässt sich die Rendite nicht erzielen. Nehmen wir als Beispiel eine PV-Anlage unter zehn Kilowatt peak: Da gibt es derzeit etwas mehr als elf Cent pro eingespeister Kilowattstunde, das ist nicht der Hit. Es rechnet sich aber, wenn der Eigenverbrauch bei etwa 30 Prozent des von der PV-Anlage erzeugten Stroms liegt. Aus diesem Grund sollten die Verbraucher ihr Verhalten ändern. Zum Beispiel das Handy am Tag aufladen, wenn es Sonnenstrom gibt, und nicht in der Nacht, wenn der Strom zugekauft werden muss. Oder die Waschmaschine nicht abends laufen lassen, sondern vielleicht am Samstag unter Tag. Bei unseren Beratungen, die wir anbieten, gehen wir auch auf die Änderung des Verhaltens beim Stromverbrauch ein.

Energieserie

Viele Dachflächen wären für Photovoltaikanlagen geeignet, behauptet Ziel-21-Vorsitzender Gottfried Obermair. Deswegen setzt er sich für die Kampagne ein, die in diesem Jahr läuft und zum Ziel hat, möglichst viele neue Anlagen zur Gewinnung von Solarstrom zu realisieren.

(Foto: Günther Reger)

Im Gutachten, das der Landkreis über den Stand der Energiewende in Auftrag gegeben hat, kommt die Ludwig-Bölkow-Stiftung zu dem Schluss: "Von einer Energiewende kann keine Rede sein. Seit 2000 versucht der Landkreis nun schon, den Energieverbrauch zu halbieren, doch sinken die Zahlen nicht, sondern sie steigen. Kommt die Aktion nicht reichlich spät?

Stimmt! Man hätte viel früher etwas machen können. Deshalb bin ich froh, dass wir jetzt im Kreistag die nötige Unterstützung gefunden haben. Das war wichtig, und ebenso wichtig war, dass wir den ursprünglich vorgesehenen Solarkataster nicht gemacht haben. Der würde doch nur in irgendeiner Schublade verschwinden. Hingegen versuchen wir jetzt, die Menschen von einer PV-Anlage direkt vor Ort zu überzeugen. Wenn wir nur den Solarkataster gemacht hätten, müssten wir uns darauf verlassen, dass sich irgendeiner über das Internet den Kataster ansieht, um nur festzustellen, ja, mein Dach wäre geeignet. Das bringt noch keine PV-Anlage aufs Dach. Ich bin froh, dass wir das eine abwenden konnten und das andere realisieren können. Das Budget ist übrigens das gleiche.

Bleibt die PV-Kampagne ein Einzelfall oder ist sie in einen größeren Zusammenhang eingebettet?

Als Kampagne bleibt sie ein Einzelfall für das laufende Jahr.

Sie gehören den Freien Wählern an, sind jetzt in der Landtagsfraktion der FW in der Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt und waren in der vergangenen Legislaturperiode Energiereferent: Wird es mit den FW in der Koalition eine Änderung der 10-H-Regelung für Windkraftanlagen geben, um mehr Windräder im Landkreis errichten zu können?

Die 10-H-Regelung wird durch die neue Staatsregierung leider nicht aufgeweicht. Es steht im Koalitionsvertrag, dass bei der Windkraft die bayerischen Gesetze gelten, also auch die Abstandsregel. Wobei es jeder Kommune möglich ist, Standorte für Windkraftanlagen über ihre Flächennutzungspläne oder Bebauungspläne zu finden. Ich befürchte aber, dass sich ein Großteil der Bürgermeister kurz vor der Kommunalwahl im nächsten Jahr hüten wird, ein solches Thema in Angriff zu nehmen. Ich wohne ja nicht weit weg von den Windrädern in Mammendorf und Malching, und ich höre oft die Frage, warum steht die Anlage schon wieder still. Es hat sich wegen der Windkraftanlagen auch noch niemand bei Ziel 21 beschwert. Ich bin sicher, dass wir im Landkreis Potenzial für drei bis fünf zusätzliche Windräder hätten. Wenn man dann aber eine Windkraftanlage errichten kann, dann muss man die Bürger bereits von Anfang an bei der Planung mitnehmen. Zudem könnten sich bei einer Bürgeranlage die Menschen auch finanziell beteiligen.

Gottfried Obermair

Gottfried Obermair

(Foto: Günther Reger)

Sehen Sie noch Chancen für die Geothermie?

Auch bei der Geothermie gibt es sicherlich noch Potenzial im Landkreis. Aber man muss auch die Ängste und Sorgen der Bürger respektieren, wenn zum Beispiel Erderschütterungen drohen. Ich persönlich vertraue den Gutachten der Geologen, aber ich habe auch Verständnis für die Befürchtungen und nehme die Bedenken ernst. Ich möchte schon die Energiewende im Landkreis unterstützen, aber nicht auf Teufel komm raus.

Dadurch, dass PV-Anlagen installiert werden, nimmt der Energieverbrauch ja nicht automatisch ab. Nur die Produktionsart ist eine andere. Wo sind denn noch kampagnenfähige Möglichkeiten der Energieeinsparung? Bei der Heizung? Beim Auto?

Bleiben wir beim Strom: Ich habe selbst zu Hause erlebt, wie sich normaler Haushaltsstrom allein durch den Austausch eines Verbrauchers, in meinem Fall ein Gefrierschrank, der 20 Jahre alt war, einsparen lässt. Der Kauf amortisiert sich durch die Einsparung in spätestens zwei Jahren. Außerdem habe ich die normalen Umwälzpumpen für die Fußbodenheizung durch Hocheffizienzpumpen, die übrigens zu 30 Prozent vom Staat gefördert werden, ersetzt. Gespart habe ich in einem Jahr mehr als 1000 Kilowattstunden, ein Drittel meines bisherigen Stromverbrauchs. Sie sehen: Jeder von uns kann einsparen, wenn er denn will, und Energiesparen geht auch ohne Komfortverlust.

Für wen kommt eine PV-Anlage in Frage, warum ist der Eigenverbrauch interessant?

Eine Photovoltaik-Anlage kommt für jeden in Frage, der eine Fläche zur Verfügung hat. Auf dem Hausdach, auf der Garage, für Kommunen ebenso wie für Gewerbe. Schauen wir uns das Gewerbe an: Es produziert unter Tag, hätte also einen besonders hohen Eigenstromverbrauch. Es gibt auch in der Landwirtschaft noch viele freie Flächen. Da gibt es vielleicht nicht den großen Eigenverbrauch, aber es rechnet sich über die große Fläche. Man muss es einfach rechnen, und wenn es sich rechnet, sollte man es auch machen.

11,47 Cent

pro Kilowattstunde ist im Januar 2019 die Vergütung, wenn der mit Photovoltaik produzierte Strom aus einer Dachanlage kommt, die keine größere Leistung als zehn Kilowatt peak (kWp) hat. Für PV-Anlagen zwischen zehn und 40 kWp sind es 11,15 Cent, für Anlagen zwischen 40 und 100 kWp noch 9,96 Cent. In Freiflächenanlagen produzierter Strom wird aktuell mit 7,93 Cent vergütet. Zum Vergleich: Eine Kilowattstunde (kWh) Strom bei den Stadtwerken Fürstenfeldbruck (Grundversorgung) kostet derzeit etwas mehr als 29 Cent.

Sollen sich auch die Gemeinden beteiligen?

Absolut! Die sollen eine Vorbildfunktion ausüben. Gemeinden haben zum Beispiel auf ihren Bauhöfen große Dachflächen. Auch auf Turnhallen oder den von der Gemeinde vermieteten Häusern sind PV-Anlagen wünschenswert. Deshalb treten auch die Gemeinden bei den Veranstaltungen unserer Kampagne mit auf. Dort hält der Bürgermeister der Kommune, in der wir die Kampagne vorstellen, ein Grußwort. Landrat und Bürgermeister spielen in diesem Zusammenhang immer eine ganz wichtige Rolle.

Wer bietet die Beratung an, wie können sich Interessierte anmelden, was wird geboten?

Ziel 21 macht das. Dort kann sich jeder rund um die Uhr per E-Mail anmelden. Ich erhalte alle E-Mails, ich beantworte sie und werde den Interessenten mitteilen, dass sich ein Energieberater mit ihnen in Verbindung setzt. Wir haben einen Photovoltaikanlagenberater, der sich hauptsächlich darum kümmert und zwei weitere als Ersatz, und wenn es wirklich eng werden sollte, kann auch ich die Beratung machen.

Wissen denn auch die Solarfirmen im Landkreis, was auf sie zukommen könnte?

Um es klarzustellen: Wir vermitteln keine Firmen. Unser Fachberater hinterlässt beim Kunden lediglich eine Checkliste, in der bestätigt wird, dass das Dach für die Montage einer Anlage geeignet ist. Damit kann sich der Kunde ein Angebot einholen. Der Fachberater ist angewiesen, keine Firma speziell zu empfehlen, jedoch findet man alle von Ziel 21 zertifizierten PV-Partnerfirmen aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck auf unserer Homepage. Unsere Partner von Ziel 21 wissen von der Kampagne und freuen sich auch darauf. Andererseits gehen wir aber auch davon aus, dass von den Interessenten, die sich bei uns melden, nicht alle eine PV-Anlage installieren lassen. Das kann damit zusammenhängen, dass Dächer nicht geeignet sind oder dass es noch Fragen zur Finanzierung gibt. Wir fassen aber immer nach und erkundigen uns bei den Leuten, wie sie sich entschieden haben. Wenn sie sich noch nicht entschieden haben, bieten wir weitere Hilfe an und beantworten noch offene Fragen. Und wenn jemand dann immer noch gar keine Lust hat, sich eine PV-Anlage anzuschaffen obwohl das Dach geeignet wäre, tja, dann hat er halt keine Lust. Wir können ja niemanden zwingen. Im Übrigen werden wir dem Kreistag berichten, wie viele Anlagen durch die PV-Kampagne initiiert und letztendlich auch tatsächlich installiert worden sind.

Gibt es schon Interessenten?

Ja, die gibt es durchaus. Die haben bereits von der Kampagne erfahren und wollen sich beraten lassen. Übrigens bekommen die ersten drei Kunden, die eine Anlage aufgrund unserer PV-Kampagne installiert haben, ein Geschenk von uns.

Eine aufblasbare Sonne?

(heiter) Nein, natürlich nicht. Etwas Regionales, aber mehr verrate ich nicht.

Ernsthaft, ist die Energiewende im Landkreis, so wie sie einmal geplant war, noch zu erreichen?

Wir werden die Energiewende, so wie im Jahre 2000 geplant, weder bis 2030 noch bis 2040 schaffen. Da sind politische Anstrengungen nötig. Nehmen wir nur das Beispiel Individualverkehr. Es wird nicht zu schaffen sein, dass niemand mehr mit dem Auto fährt. Aber wir können etwas anderes tun. Anstatt dass die Leute mit dem eigenen Auto zur Arbeit in weiter Ferne fahren, sollten und müssen wir die Arbeit zu den Leuten bringen. Das spart ein. Deshalb sollte es ein ganz klares politisches Ziel sein, dass wir Firmen in den Landkreis bekommen, die hier Arbeitsplätze anbieten. Damit die Menschen nicht im Stau auf der A 99 stehen, wenn sie ins Büro wollen. Als Ziel 21 können wir alleine die Energiewende nicht umsetzen. Unsere Aufgabe sehen wir, indem wir diesen Prozess durch Öffentlichkeitsarbeit, Energieberatungen und Bildungsmaßnahmen unterstützen. Nehmen Sie nur Home Office als Beispiel. Wir können niemanden vorschreiben, daheim zu arbeiten. Wir können und wollen auch niemandem vorschreiben, sich ein Elektroauto anzuschaffen oder sein Haus energetisch zu sanieren. Aber wir können es immer wieder anregen. Und das werden wir auch weiterhin tun.

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