Fürstenfeldbruck:Die Faust als Antwort auf die Bierflasche

61-Jähriger schlägt und würgt die Tochter seiner Freundin. Amtsgericht spricht ihn frei, da es vielleicht Notwehr war

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Ein Faustschlag ins Gesicht, Würgen mit beiden Händen und sich als nicht gerade schmächtiger Mann minutenlang auf die am Boden liegende, deutlich schmalere Tochter der Lebensgefährtin setzen - der Umgang eines 61 Jahre alten Olchingers mit der psychisch labilen 21-Jährigen, der Tochter seiner Partnerin, Ende Februar ist alles andere als zartfühlend. Ein Richter am Amtsgericht Fürstenfeldbruck spricht den Mann dennoch vom Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung frei. Es sei nicht auszuschließen, dass der Mann in Notwehr handelte. Denn die junge Frau hatte dem Freund ihrer Mutter an jenem Februarabend eine leere Bierflasche auf den Kopf geschlagen. Das gibt sie am Dienstag in der Verhandlung auch zu. Allerdings erklärt die Zeugin ebenfalls, in Notwehr gehandelt zu haben.

"Sie hatte mich mit der Bierflasche geschlagen und da habe ich zurückgeschlagen", beginnt der Olchinger. Die inzwischen 21 Jahre alte Tochter seiner Partnerin, ein generell schwieriger Mensch, habe sich darüber aufgeregt, dass er seinen Tablet aus ihrem Zimmer genommen habe. Der bislang nicht vorbestrafte Angeklagte gibt zu, wie es ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft, dass er die junge Frau dann an die Wand drängte und mit beiden Händen würgte. "Ich habe damit gerechnet, dass sie weiter mit der Flasche zuschlägt", rechtfertigt er sich. Seine Partnerin kam dazu, entwand ihrer Tochter die Flasche. Der Angeklagte schildert, wie er sie durch Verbiegen der Handgelenke zu Boden gehen ließ und sich bis zum Eintreffen der Polizei auf die junge Frau setzte.

Wie die 59-jährige Lebensgefährtin des Angeklagten berichtet, kam sie zu dem Streit, als beide in der Küche standen und ihre Tochter mit der Flasche zuschlug. Der habe sie die Flasche dann entwunden und auf Bitten ihres Partners die Polizei gerufen. Der Vorsitzende Richter Martin Ramsauer hält ihr vor, dass ihrem Partner zufolge der Schlag mit der Flasche im Wohnzimmer stattgefunden hatte. Den habe sie dann nicht mitbekommen, erwidert sie.

Des weiteren erfährt man von der Zeugin, dass der Angeklagte, sie und ihre Tochter acht Jahre lang zusammengelebt haben. Schon vor dem 28. Februar 2017, als die Situation in der Olchinger Wohnung eskalierte, hatte es immer wieder mal Probleme gegeben. In der Regel würden sich die beiden aus dem Weg gehen, ansonsten komme es zu solchen oft handgreiflichen Streits . Sie erzählt, wie ihre Tochter sie vor zwei Jahren mit einem Messer bedrohte, was diese gegenüber dem Richter bestreitet, und sagt: "Es ist schwierig mit ihr, wenn sie in Rage ist."

Die Tochter zog noch am gleichen Abend aus, zunächst zu Freunden, jetzt lebt sie in einer Einrichtung für Menschen mit psychischen und anderen Problemen. Die Aussagen über ihren Geisteszustand gehen im Gerichtssaal weit auseinander: Der Verteidiger spricht von Paranoia und Wahnvorstellungen, will deshalb das Verfahren eingangs sogar einstellen. Die Mutter indes schildert "Probleme im sozialen Bereich" und ADHS.

Die 21-Jährige selbst fällt zwar mit ihrem herabhängenden Kopf und der nach vorn gebeugten Körperhaltung auf. Die seitens der Verteidigung geschilderte Aggressivität lässt sie indes nicht erkennen. Sie erklärt, dass der Angeklagte sie in dem Streit in die Ecke drängte und sie nicht vorbeiließ. "Ich habe ihm zweimal gesagt, lass mich bitte vorbei", da er nicht reagierte, habe sie ihm die Flasche "aus Notwehr" über den Kopf gehauen. Nach ihrer Schilderung kam in dem Moment ihre Mutter dazu, nahm ihr die Flasche ab und rief die Polizei, während der Angeklagte auf ihr saß. Zeitweise, sagt sie, "hat er auf meinem Gesicht gesessen". Ein Polizist berichtet von Würgemalen und Veilchen bei ihr sowie einer Platzwunde an der Braue bei ihm. "Ich bin nicht der Überzeugung, dass der Angriff des Angeklagten nachgewiesen ist", schließt die Staatsanwältin. Ihrer Forderung nach einem Freispruch schließt sich der Verteidiger an. "Der Vorfall konnte zur Überzeugung des Gerichts nicht hinreichend aufgeklärt werden", Notwehr könne nicht ausgeschlossen werden, erklärt der Richter.

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