Fürstenfeldbruck:Die Familie bekommt Nachwuchs

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Der Inklusionschor "Oh Happy Day" arbeitet für seine diesjährigen Auftritte erstmals auch mit mehreren Kindergruppen zusammen. Dadurch kann dieses einmalige Projekt fast 200 Mitwirkende auf der Bühne versammeln

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Der Chor "Oh Happy Day" zeigt seit mehreren Jahren im Kleinen das, was eigentlich für die ganze Gesellschaft längst selbstverständlich sein sollte: Wie Menschen mit und ohne Behinderung, jeden Alters, jeder Nationalität und jeder sozialen Schicht ganz selbstverständlich gemeinsam an einem großen Projekt arbeiten und dabei zusammen unglaublich viel Spaß haben. Die Räume, in denen die Mitglieder des Inklusionschores sind, werden so für eine bestimmte Zeit stets zu einem kleinen und im wahrsten Sinne des Wortes bunten Utopia. Auch in diesem Jahr wird das Projekt mit drei Konzerten fortgesetzt. Premiere ist an diesem Sonntag im Brucker Veranstaltungsforum.

Erstmals wirken auch Kinder auf der Bühne mit. "Wir verstehen uns ja als Familie, und in diesem Jahr haben wir uns gedacht, dass da ja auch Kinder gehören", sagt Ulrike Buchs-Quante. Seit Gründung des Chores vor fünf Jahren ist sie die künstlerische Leiterin. "Und Inklusion funktioniert ja auch nur dann, wenn man die Kinder früh zueinander bringt. Gerade weil das Schulsystem das ja oft nicht tut." Deshalb hat man sich also in diesem Jahr Schüler mit und ohne Behinderung dazu geholt. Sie kommen vom Graf-Rasso-Gymnasiums, der Kinderhilfe Fürstenfeldbruck und der Heilpädagogischen Tagesstätte.

So kommt der Chor in diesem Jahr auf mehr als 180 Beteiligte, so viele wie noch nie, 50 von ihnen haben eine Behinderung. "Es ist wichtig, dass wir immer ein passendes Verhältnis haben", sagt Buchs-Quante, "Die Menschen mit Behinderung haben eine tolle Energie, treffen aber oft die Töne nicht. Da braucht es dann auf der anderen Seite doppelt so viele Sänger, die die Töne treffen".

Und so fügt sich am Ende eben alles zusammen: Die besondere Energie und einmalige Atmosphäre, für die der Chor steht, mit einer ordentlichen gesanglichen Qualität.

Mittlerweile habe sich ein Kern aus mehr 100 Sängern gebildet, die sich in jedem Jahr beteiligen. Und nach jedem Projekt blieben einige Teilnehmer dabei. Vor zwei Jahren etwa hat der Chor mit Flüchtlingen gearbeitet, eine Syrerin und ihr behinderter Bruder, die damals mitgesungen haben, gehören auch heute noch dazu. "Wir haben außerdem eine Frau aus Afrika, die auch ein Solo singen wird. Und dann haben wir Mitglieder aus der ganzen Welt: Einen Chinesen, der ein Lied aus seiner Heimat singen wird, eine Russinen, einen Griechen", sagt Buchs-Quante. Sie selbst war früher eine gefragte Mezzosopranistin und Professorin für Gesangspädagogik am Mozarteum in Innsbruck.

Damit der Chor bei seinen Auftritten die Leichtigkeit zeigen kann, für die er bekannt ist, braucht es eine intensive Probenzeit, gerade in diesem Jahr. "Man hat gemerkt, dass die Kinder schon eine Anlaufzeit brauchen, bis sie sich öffnen. Aber es war schön zu sehen, wie schnell sie danach beieinander und füreinander da sind. Etwa wenn da ein 14-jähriges Mädchen sitzt, das ein behindertes Kind im Arm hat und schaut, dass es ihm gut geht. Da erlebt man schon kleine Wunder. Wir haben ein autistisches Kind, das sehr viel schreit. Aber wenn es singt, dann beruhigt es sich ganz schnell und ist voll mit dabei", erzählt Buchs-Quante.

Damit alles funktioniert, sind bei den Proben und Workshops bis zu 15 Sozialarbeiter der Caritas dabei, die sich um die Teilnehmer kümmern. Auch bei den Auftritten sind sie dabei. "Wenn sie dann sehen, dass ein Teilnehmer nicht mehr kann, dann nehmen sie ihn zur Seite, gehen hinter die Bühne, schnaufen durch oder trinken einen Tee, bis derjenige wieder bereit ist, weiter zu machen". Ihr großer Traum sei es, erzählt Buchs-Quante, dass das Projekt irgendwann vielleicht in eine Stiftung übergeht und damit auch langfristig bestehen kann. Bisher wird von Jahr zu Jahr geplant, der große logistische Aufwand ist teuer. Bisher hat Projektleiter Thilo Wimmer von der Caritas, die den Chor trägt, es aber immer geschafft, die nötigen Mittel zusammen zu bekommen. Zu den Sponsoren gehört seit der Gründung auch der Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung. Für das kommende Jahr stehe die Planung schon zu weiten Teilen, sagt Buchs-Quante. Außerdem wartet der bisher wohl größte Auftritt auf die Sänger: Ein Konzert in der Münchner Philharmonie.

Konzert des inklusiven Gospelchors "Oh Happy Day", Sonntag, 18. November, von 19.30 Uhr an im Veranstaltungsforum Fürstenfeld. Der Eintritt kostet im Vorverkauf 26,60 Euro, ermäßigt 14,60 Euro. Im Konzert stehen Gebärdendolmetscher und eine Induktionsanlage zur Verfügung.

© SZ vom 15.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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