Fürstenfeldbruck:Die Erinnerung findet eine Heimat

Die Gedenkstätte für die Opfer des Olympia-Attentats im Fliegerhorst gilt nun als finanziell abgesichert. Landrat Thomas Karmasin erwartet den Umbau des Alten Towers für 2018

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

An dem Tag, an dem der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, Juden nahelegt, in Deutschland mehr Vorsicht walten zu lassen, konkretisieren sich in Fürstenfeldbruck die Überlegungen für den "Erinnerungsort Olympia-Attentat" im Alten Tower des Fliegerhorstes. Zwischen den beiden Ereignissen besteht ein Zusammenhang, auf den der israelische Generalkonsul für Süddeutschland am Donnerstagabend nach einer Sitzung des Forums zur Realisierung der Gedenkstätte im Landratsamt hinweist. Beeindruckt von der Ernsthaftigkeit und dem Verantwortungsbewusstsein des Brucker Teams äußert Generalkonsul Dan Shaham die Hoffnung, dass in Fürstenfeldbruck mehr als nur ein Ausstellungsort entstehe. Er beschwört "die Partnerschaft des Erinnerns an ein gemeinsames Schicksal".

Fuerstenfeldbruck: Germany Commemorates Victims Of 1972 Olympic Games Attack

Ministerpräsident Horst Seehofer sagte bei der Gedenkfeier im Fliegerhorst zu, das Projekt "Erinnerungsort" in der Kaserne zu unterstützen.

(Foto: Johannes Simon)

Wie Landrat Thomas Karmasin ergänzt, soll auf einer Fläche von rund 640 Quadratmetern im Alten Tower nicht nur ein historischer Ort rekonstruiert werden. Das übergeordnete Thema lautet, eine Einrichtung zu schaffen, an dem die Bedrohung der Freiheit einer offenen Gesellschaft in ihren unterschiedlichen Formen dargestellt wird und man sich bei Begegnungen und in Debatten mit diesem Phänomen intensiv auseinandersetzt. Damit wird das Erinnern zu einer politischen Aufgabe. Es geht also um viel mehr, als nur eine Stätte zu schaffen, an der an Gedenktagen Politiker pflichtbewusst Kränze, Blumen und Steine niederlegen. Allerdings ist noch völlig offen, wie man sich dem Thema annähern will. Die besonderen "Profile" der Fürstenfeldbrucker Erinnerungsstätte wollen Vertreter des Landkreises mit der "Projektgruppe München 72" in den nächsten Monaten im Wissenschaftsministerium erst noch erarbeiten. Das Konzept für die Gestaltung de Towers soll aus diesen Eckpunkten bis zum Ende dieses Jahres entwickelt werden.

Olympische Spiele in München, 1972: Terroranschlag

Der zerstörte Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck nach dem Terroranschlag auf die israelische Olympiamannschaft.

(Foto: dpa)

Laut Werner Karg von der Landeszentrale für politische Bildung, der als Projektleiter des Erinnerungsorts in München die Diskussionen in Fürstenfeldbruck begleitet, besteht die eigentliche Herausforderung darin, wie man mit dem Areal umzugehen gedenkt, an dem am 5. September 1972 neun israelische Sportler und ein Polizist im Kugelhagel von Terroristen starben. Da die Erfahrungen fehlen, muss man das erst noch lernen.

Plötzlich drängt die Zeit. Mit der dritten Sitzung des Forums Erinnerungsort am Donnerstagabend lässt sich ein Durchbruch verbinden. Obwohl der Landrat das Wort Durchbruch noch vermeidet und lieber von wichtigen Startsignalen spricht. Aber die Fakten sind eindeutig. Der wichtigste Punkt ist die Zusage des Wissenschaftsministers Ludwig Spaenle und des Ministerpräsidenten Horst Seehofer, der Freistaat beteilige sich finanziell an dem Projekt. Karg zitiert die Vertreter der Staatsregierung mit den Worten: "Jetzt geht es in Fürstenfeldbruck los." Dazu passt die Ankündigung des Kasernenkommandanten, die Büros der Unterstützungsgruppe der Offizierschule der Luftwaffe im Alten Tower noch in diesem Jahr zu räumen. Auch daraus entwickelt sich ein gewisse Dynamik, was Karmasin entgegenkommt. Bisher ging man davon aus, das Gebäude stehe erst drei Jahre später zur Verfügung.

LRA

Sprechen über den Gedenkort (von links): Werner Karg, Dan Shaham und Thomas Karmasin.

(Foto: Günther Reger)

Aus diesen Fakten ergibt sich ein enger Zeitplan, was Karmasin gelegen kommt. Die Mittel für den Erinnerungsort sollen im nächsten Doppelhaushalt des Freistaates 2017/2018 bereitgestellt werden. Geschieht das, wovon die Beteiligten überzeugt sind, könnte 2017 mit der Planung und 2018 mit den Bauarbeiten begonnen werden. Das erklärt Karmasin auf Nachfrage. Da dem Landkreis die Mittel fehlen, den Alten Tower samt dem Teil des Flugfeldes von der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheit (Bima) zu erwerben, auf dem die Israelis starben, hat Karmasin sich schon überlegt, wie die Nutzung des Areals trotzdem zu sichern ist. Er verweist darauf, wie die Bima mit anderen historischen Gebäuden umgeht. So werde das ehemalige Bundesratsgebäude in Bonn ebenfalls für Ausstellungszwecke genutzt. Hier ist die Bima nicht nur Eigentümerin geblieben, sie kommt sogar noch für den Unterhalt auf. Eine solche Lösung strebt der Landrat für den Tower an. Und er hat Vorsorge getroffen, dass der spätere Erinnerungsort von der Stadt Fürstenfeldbruck und der Gemeinde Maisach, die ein Nachfolgekonzept für die Kaserne entwickeln, nicht überplant wird.

Allerdings gilt es noch zu berücksichtigen, wie sich eine solche Stätte in die Entwicklung eines komplett neuen Stadtteils einfügt. Schließlich sollen hier nach dem Abzug der Luftwaffe auf rund 200 Hektar einmal mindestens 4000 bis 8000 Menschen wohnen und arbeiten.

Und noch etwas wird bei der Pressekonferenz klargestellt: Der künftige Erinnerungsort ist nicht primär ein Fürstenfeldbrucker oder eine bayrische Aufgabe und damit auch "kein lokales Privatvergnügen" des Landkreises, wie formuliert wird. Sondern eine nationale, ja eine internationale Angelegenheit. Deshalb will man beispielsweise den Staat Israel, das Innenministerium des Bundes sowie internationale Sportverbände und Organisationen informieren und zu Rate ziehen.

Deshalb diente die Forumssitzung der Vorbereitung einer Fachtagung im September, bei der Experten und ein Fachpublikum unter Beteiligung der Bevölkerung über die Chancen und Risiken des Erinnerungsorts diskutieren werden. Versprochen wird ein transparenter Meinungsbildungsprozess, dessen Ergebnisse in das Konzept einfließen.

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