Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Der Spätberufene

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Karl-Heinz Henninger aus Puch ist eine Seltenheit unter den Altardienern. Er ist 52 Jahre alt

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Vor rund sechs Jahren hat Karl-Heinz Henninger beschlossen, Ministrant zu werden. Das Außergewöhnliche: Henninger entspricht mit einem Alter von 52 Jahren nicht dem gängigen Bild eines Altardieners. Und eigentlich war die Sache mit dem Kirchendienst auch eher aus der Not geboren. Vor sechs Jahren hängte sein Sohn nach der Firmung die Ministrantenkutte an den Nagel. Da war er in einem Alter, in dem andere Dinge einfach wichtiger wurden. "In Puch war sonst keiner da", erzählt Karl-Heinz Henninger. "Und dann habe ich mir gedacht, wenn keiner etwas macht, mache ich es halt".

Das war der offensichtliche Grund. Daneben, gab es natürlich, das betont Henninger, auch andere. "So etwas macht man nicht nur aus einem einzigen Grund", sagt er. Für ihn sei einfach wichtig gewesen, sich für die Gemeinschaft einzusetzen, zu helfen. "Außerdem macht's mir Spaß", erzählt er. Dabei würde er sich nicht einmal als außergewöhnlich religiös bezeichnen. "Also nicht mehr als alle anderen", sagt er. Und dann fügt er hinzu: "Ich habe eine schlechte Zeit durchgemacht." Viel Stress im Job, viel Verantwortung in den beiden Gärtnereien. Da kommt man eben mal ins Grübeln. "Aber da hat mir die Kirche darüber hinweggeholfen", sagt er. Und weil es in der Kirche so viele Menschen gegeben hat, die Henninger eine Stütze waren, wollte er den Menschen etwas zurückgeben.

Das Ministrantsein bringt für den Pucher viele Besonderheiten mit sich. Einerseits das Evangelium mitzubekommen, andererseits habe er auch gemerkt, dass er in den Gottesdiensten Antworten auf Fragen in schwierigen Lebenssituationen bekomme. "Das hat eine Zeit lang wirklich alles aufeinandergepasst", sagt er. "Man kann viel rausholen aus dem Ganzen." Die Kirche, für Henninger ist sie auch Stütze. "Ich bin der Meinung, dass die Kirche wesentlich mehr Rezepte für das Zusammenleben bereit hält, als die Politik. Sie geht viel mehr auf die Sorgen der Menschen und auf das, was sie bewegt, ein", sagt er. Wo die Politik nur rede, habe die Kirche Antworten, findet er. Und nicht zuletzt gehe es bei den Ministranten auch um Gemeinschaft.

Umso bedauerlicher sei der anhaltende Mangel an Nachwuchs. Verantwortlich dafür hält Henninger die allgemeine Abgewandtheit der Menschen. Die vielen Kirchenaustritte, das schlage sich eben auch in der Zahl der Ministranten nieder. Dabei ist Henninger der Meinung, dass viele Gründe, die Menschen zu Austritten aus der Kirche bewegen, etwa Schicksalsschläge oder schlimme Erlebnisse, viel leichter zu bewältigen seien, wenn man sich dem Glauben zuwende.

Seinen Einsatz als Ministrant erlebt der Pucher als Bereicherung. Seine Entscheidung hat er nie in Frage gestellt. Wo er gebraucht wird, hilft Henninger mit. Wer sich in der Kirche engagieren will, denkt wahrscheinlich eher an etwas anderes als an diesen einfachen Dienst. Aber ich finde es einfach entspannend", sagt er. Dabei stehe das Dienen im Vordergrund. "Sonst bin ich derjenige, der die Anweisungen gibt", sagt er. Beim Ministrieren sei es genau andersherum. Man gewinne dabei eine ganz andere Aufmerksamkeit, erlebe, wie die Dinge ineinandergreifen und bekomme einen anderen Blickwinkel auf vieles. Henninger weiß jetzt, was im Leben wirklich zählt. Er könne sich zwar vorstellen, dass ein solcher Einsatz für viele Menschen in seinem Alter nicht vorstellbar ist, weil man sich dabei merkwürdig vorkommt, ihm selbst komme ein solcher Gedanke aber nie.

Die Voraussetzungen für den Dienst als Ministrant sind übrigens nicht groß. "Es kommt nur auf den Willen an", betont Henninger. Man helfe ohnehin zusammen. Der Rest ergibt sich von selbst.

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SZ vom 05.01.2016
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