Fürstenfeldbruck:Der Kulturbringer

Kaum einer hat die künstlerische Landschaft im Landkreis und darüber hinaus geprägt wie Günter Mayr. Nun wird er 80. Ein Porträt

Von Florian J. Haamann

Günter Mayr liebt die Bühne - und sie ihn. Es ist eine leidenschaftliche Beziehung, ganz Europa ihr Schauplatz. Steckt man auf einer Karte die Länder ab, in denen Mayr und seine Inszenierungen zu sehen waren, bleibt nicht viel Platz: Österreich, Italien, Polen, Griechenland, Spanien, Dänemark, Tschechien - unter anderem. Und natürlich immer wieder Bayern. 1975 gründet er das neue Münchner Volkstheater mit, 1979 in Garching das erster Bürgerhaus im Großraum München, von 1990 an ist er als Kulturreferent für die Planung der Stadthalle Germering verantwortlich, übernimmt nach der Eröffnung 1993 deren Leitung - um nur die wichtigsten Stationen schon einmal zu nennen. Mittlerweile ist es etwas ruhiger geworden in Mayrs Leben, auch weil er in den vergangenen zwei Jahren mehrere Krankheiten überstehen musste. Aber was heißt schon ruhiger, bei einem der so von der Kultur getrieben ist. Gerade jetzt, zu seinem 80. Geburtstag, erinnert er sich gerne an die turbulenten Zeiten zurück.

Angefangen hat alles in Mayrs Zeit als Ministrant. "Des is ja a a bissl Theater", sagt der gebürtige Ingolstädter und setzt ein spitzbübisches Lächeln auf. Wenn man ihn dabei anschaut, kann man sich gut vorstellen, wie er schon damals den Altarraum als Bühne für seine ersten Selbstinszenierungen genutzt hat. Die erste "richtige" Rolle gab es dann im Alter von zehn Jahren. Welche genau könne er nicht mehr sagen. "Aber es war in der Pfarrei in Ingolstadt. Großer Saal, gute Bühne". Aber der Bub konnte nicht nur schauspielern, sondern auch recht ordentlich singen. Vom Kinderchor hätte es zu den Regensburger Domspatzen gehen sollen. "Meine Mutter hat mich nicht gehen lasen. Sie hatte in einem Roman gelesen, dass da alle kastriert sind. Also hat sie gesagt, es kommt nicht in Frage, dass ich wegfahre, ohne dass sie auf mich aufpassen kann". So gerät Mayrs Karriere schon vor der Pubertät ins Stocken.

Fürstenfeldbruck: Günter Mayr als Rentner.

Günter Mayr als Rentner.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Es folgen eine solide Ausbildung zum Bankkaufmann und 1966 die solide Heirat in eine Bauunternehmens-Familie. Die Kultur ist in dieser Zeit aber immer wieder mehr als nur ein stiller Begleiter. Während Mayr für ein großes Münchner Sporthaus 99 Tennisplätze verwaltet, beginnt er seine Gesangsausbildung am Trapp'schen Konservatorium, bekommt ein Stipendium der Staatsoper Wien, wird von der berühmten Hilde Zadek unterrichtet. Doch damit nicht genug. Nebenbei nimmt er Schauspielunterricht am renommierten Institut Gernot-Heindel in München.

"Für eine Karriere als Sänger hat es nicht gereicht. Nach Wien hatte ich einige Anfragen für kleinere Rollen. Aber zur der Zeit hatte ich schon Kinder. Die Gagen hätten vielleicht gereicht, um alleine davon zu überleben, aber mit Familie war das nicht möglich", sagt Mayr. Wie er da sitzt, gebräunt, bunt gestreiftes Hemd, die oberen beiden Knöpfe geöffnet, nimmt man ihm jedenfalls alle Rollen ab: Verwalter, Kaufmann, Schauspieler.

Mitte der Siebziger beginnen die Mayrschen Gründerjahre. 1975 ruft er den "Chor der Musikfreunde Grafrath" ins Leben, der wenige Jahre später zum "Philharmonischen Chor Fürstenfeldbruck" wird - bis heute eine Institution, vor allem wegen seiner Faschingskonzerte. "Das war damals eigentlich eine sehr egoistische Handlung" sagt er. Und da ist es wieder, das einnehmende Lachen, das Mayr in seinem Leben gewiss viele Türen geöffnet hat. "Es gibt diese tolle Cäcilienmesse von Charles Gounod. Mit einem tollen Tenorsolo. Das wollte ich singen". Also hat Mayr Konzerte alle Chöre im Landkreis besucht. "Ich habe mir angeschaut, wer da gut singt, und die dann angesprochen". Es kommt eine beträchtliche Anzahl an Sängerinnen und Sängerin zusammen.

Fürstenfeldbruck: Günter Mayr in seiner Paraderolle als Bairscher Jedermann.

Günter Mayr in seiner Paraderolle als Bairscher Jedermann.

(Foto: Robert Haas)

Aufführungsort sollte Ingolstadt sein, seine Geburtsstadt. "Ich dachte, da kennt mich die halbe Stadt, das wird ein Selbstläufer". Es werden magere 150 Besucher, die Rettung ist ein Mönch der dortigen Franziskaner. "Er kam nach dem Auftritt zu mir und meinte, wie schön das doch gewesen sei. Und hat mir 500 Mark in die Hand gedrückt". Für Mayr, der das Konzert selbst finanziert hatte, zumindest Schadensbegrenzung. Den Rest fängt die Schwiegermutter auf. "Wenn ich immer vorher überlegt hätte, hätte ich vieles wahrscheinlich nicht gemacht".

Im gleichen Jahr ist Mayr an der Neugründung des Münchner Volkstheaters beteiligt, das in dieser Zeit mit Stücken wie "Fahr'n ma, Euer Gnaden" und "Das Große Welttheater" Erfolge feiert. In Fürstenfeldbruck ruft Mayr 1976 die "Meisterkonzerte im Sparkassensaal" ins Leben, mit längst verstorbenen Stars wie Wolfgang Schneiderhan, André Navarra und Tibor Varga.

Es folgt der Ruf nach Garching. Ein Bürgerhaus solle er dort aufbauen. "Bei unserem ersten Treffen hat der Geschäftsführer zu mir gesagt: Ich weiß nicht, was ein Kulturreferent für eine Arbeit hat, aber Sie werden das schon machen". Und Mayr macht. Anfangs gegen Widerstände aus Teilen der Bevölkerung, vielen ist die Idee zu neu und vor allem zu teuer. 1981 tritt Mayr dort erstmals als Regisseur auf. Quasi unfreiwillig. "Wir wollten die "Fledermaus" inszenieren und haben acht Regisseure verschlissen. Einer wurde krank, der nächste hat entschieden, dass er lieber Zahnarzt werden will und ein anderer wollte aus dem Stück eine bizarre Sexgeschichte machen. Irgendwann haben die Sänger zu mir gesagt: Wenn du es übernimmst, machen wir weiter, sonst geben wir auf." Also übernimmt Mayr.

Fürstenfeldbruck: Günter Mayr als Stadthallenchef.

Günter Mayr als Stadthallenchef.

(Foto: Günther Reger)

Kurz vor der Premiere der Strauss'schen Operetten-Komödie dann die Tragödie: Der Stadel mit Kostümen und Bühnenbild brennt ab; Brandstiftung. "Solche Momente sind meine Stärke, da laufe ich zu Hochform auf", sagt Mayr. Die Kostüme bekommt er von der Staatsoper, das Bühnenbild wird aus dem zusammengeflickt, was da ist. Die Aufführung wird ein Erfolg, Mayr erhält dafür die Kulturpreise zweier Münchner Zeitungen. Sein Ruf als kultureller Alleskönner verfestigt sich.

Seine persönliche Paraderolle findet Mayr 1984 mit dem Bairischen Jedermann. Mehr als 100 Mal ist er mit seiner Version des Salzburger Festspiel-Stücks im ganzen Freistaat aufgetreten. In diesem Sommer wird er am Jexhof noch ein letztes Mal in diese Rolle schlüpfen.

Als 1990 in Germering entschieden wird, dass man nun endlich die geplante Stadthalle realisieren möchte, wird Meyr aus Garching geholt. Bis zur Eröffnung des Hauses 1993 ist Mayr in jeden Schritt eingebunden. "Es war eine tolle Zeit. Stadtrat und Verwaltung sind hinter uns gestanden, und ich hatte ein tolles Team, das alles mitgemacht hat". Bereits als der Rohbau steht, fängt Mayr an, das Gebäude zu bespielen. Mit Theaterstücken in der Tiefgarage etwa. Von Anfang an hält sich Mayr an eine Regel. "Ich habe immer mit den Vereinen zusammengearbeitet, sie als meine Freunde verstanden. Erst wenn die Vereine ihre Veranstaltungen geplant hatten, habe ich meine Kultur gemacht. Ich glaube, viele unterschätzen bis heute, wie wichtig das ist", sagt Mayr. Immerhin sei es das Steuergeld der Menschen, das man in so einem Haus ausgebe. "Klar, Kultur ist immer ein Zuschussbetrieb. Aber was oft übersehen wird, ist, dass jeder Euro, den man ausgibt, den Bürger auch wieder etwas zurück gibt. Deswegen hatte ich nie ein schlechtes Gewissen".

Fürstenfeldbruck: Günter Mayr als Säulenheiliger beim Aschermittwoch in Garching.

Günter Mayr als Säulenheiliger beim Aschermittwoch in Garching.

(Foto: Ulla Baumgart)

2004 verlässt Mayr die Stadthalle und geht in das, was man offiziell Rente nennt. Mayr freilich will von Ruhestand nichts wissen. Er inszeniert - unter anderem - an der Staatsoper in Danzig den "Rosenkavalier", geht mit dem Stück auf Europatournee. In Grafrath gründet er das Rassoburg-Theater, geht 2012 an den Jexhof, wo er bis heute als Vorsitzender des Fördervereins auch für das Theater zuständig ist.

Nun also der 80. Geburtstag. Wie es weitergeht? "Ach, ich hoffe, dass es nicht mehr so lange weitergeht", sagt er. Zum ersten Mal nimmt seine Stimme einen ernsten Ton an. "Ich bin glücklich und dankbar." Gerade erst hat er sich von einer Verengung der Wirbelsäule erholt. Drei Operationen, Reha. Andere Menschen in seinem Alter können nach so einem Eingriff nicht mehr richtig laufen. Und Mayr? Lässt er es jetzt ruhiger angehen? "Was soll ich denn dann machen? Daheim sitzen, Händchen halten und fernsehen? Das wäre furchtbar für mich". Und schon schaltet er wieder um. Jetzt gilt es erst einmal den Bairschen Jedermann vorzubereiten. Und dann, erzählt er, hat er ja auch noch große Pläne für den Jexhof - seine Oase, wie er das Bauernhofmuseum nennt.

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