Fürstenfeldbruck:Der erste Lutheraner

Zacharias Weichsner, Pfarrer von Pfaffing, hing den Lehren des Reformators an. Dennoch konnte er fast 50 Jahre seinen Dienst in der katholischen Gemeinde versehen. Eine Ursache dafür waren die Missstände im Kloster Fürstenfeld im 16. Jahrhundert

Von Manfred Amann, Fürstenfeldbruck

Nachdem Martin Luther im Jahre 1517 in Wittenberg seine 95 Thesen veröffentlicht hatte, breitete sich sein Gedankengut schnell in alle Richtungen aus und erreichte auch den Landkreis. Da Bruck (erst seit 1908 Fürstenfeldbruck) an einer wichtigen Handelsstraße lag, auf der stets Kaufleute und Boten unterwegs waren, die Neuigkeiten mitbrachten, konnte das Kloster Fürstenfeld, das Bruck damals als Hofmark führte, dies nicht verhindern. Einer der "Infizierten" im Landkreis war der Pfarrer von Pfaffing-Bruck, Zacharias Weichsner, der von 1515 bis 1561 als hauptamtlicher und noch einige Jahre als zweiter Mann neben einem glaubensfesten Katholiken als Seelsorger eingesetzt war.

Wie Anne Ulrike Bergheim und Anne Mischke-Jüngst vom Vorstand erklärten, hatte sich der Historische Verein für Fürstenfeldbruck und den Landkreis anlässlich des "Lutherjahres" die Frage gestellt, wie es sein konnte, dass sich Weichsner trotz seiner liberalen Einstellung etwa 50 Jahre lang im Amt halten konnte. Es hätte auffallen müssen, dass Pfarrer Weichsner Luthers Ideen zugeneigt war und teils intensive Freundschaften zu Anhängern der Reformation pflegte, befand Nico Pietschmann, der dem Historischem Verein angehört und über "Bruck zur Zeit der Reformation: Das Beispiel Zacharias Weichsners - Pfarrer und Reformator im 16. Jahrhundert", referierte. Die Verbreitung reformatorischen Gedankengutes sei dadurch begünstigt worden, dass sich das bayerische Herzogshaus nur zögerlich zu Gegenmaßnahmen habe durchringen können und dann vorrangig nur gegen die "radikalen Wiedertäufer" vorgegangen sei, befand Pietschmann.

Fürstenfeldbruck: Die Kirche in Pfaffing war Wirkungsstätte von Zacharias Weichsner.

Die Kirche in Pfaffing war Wirkungsstätte von Zacharias Weichsner.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Dass Weichsner sich nahezu unbedrängt mit der neuen Konfession habe auseinandersetzen können, habe auch damit zu tun gehabt, dass es zu seiner Amtszeit im Kloster Fürstenfeld "manchmal drunter und drüber ging". Abt Caspar Harder wurde von einem Mönch ermordet, sein Nachfolger Georg I. Menhart wurde des Amtes enthoben, Nachrücker Johannes IV. Albrecht Pistorius, der selbst eine offene Haltung zu Luthers Lehren an den Tag legte, resignierte ob seiner Ohnmacht, das Kloster wirtschaftlich voranzubringen und Abt Michael III. Kain wurde sogar von Herzog Albrecht V. abgesetzt und eingekerkert, weil das Kloster unter seiner Ägide "einen absoluten Tiefpunkt" erreicht hatte. Erst Abt Leonhard Baumann gelang es, den Haushalt des Klosters zu stabilisieren.

Einen Hinweis darauf, dass auch im Volk Luthers Ideen angekommen waren, liefert der Rückgang der Einnahmen der Pfarrei, so 1520 von 100 auf 30 Gulden, was für Weichsner aber ohne Folgen blieb. Wie der 32-jährige Historiker anführte, lebte Weichsner "von Volk und Kloster geduldet" mit Frau und Kindern im Brucker Pfarrhaus, vernachlässigte seine seelsorgerischen Pflichten, indem der Messen ausfallen ließ, im Gottesdienst "wohl unter lutherischem Einfluss" das Ave Maria aussparte und sich auch sonst wenig um die Lithurgie scherte. Statt sich der Seelsorge der bäuerlichen Bevölkerung zu widmen, habe er Kontakte zu bedeutenden Theologen gesucht, junge Theologen im Pfarrhaus aufgenommen und sie mit Schriften Luthers konfrontiert. Der Pfarrer und spätere Reformator Johannes Mathesius zum Beispiel lebte fast zwei Jahre bei Weichsner und wurde einer seiner Freunde, mit denen er sich austauschte und immer wieder traf. Dass dies unter den Augen des Kloster möglich war, könnte an Weichsners ansonsten unauffälligem Leben und seinem Geschick gelegen haben, bei Kontrollen stets begründen zu können, dass er Luthers Schriften nur deswegen lese, um eine Gegenstrategie entwickeln zu können, und die Kontakte zu Lutheranern gut seien, um Ansätze für Gegenargumente zu finden.

500 Jahre Reformation

Heute gibt es im Landkreis mehrere evangelische Gotteshäuser, die den Thesenanschlag von 1517 feiern (im Bild: Auferstehungskirche in Puchheim).

(Foto: Günther Reger)

Infolge des Visitationsberichtes von 1560, der ihm ein denkbar schlechtes Zeugnis ausstellte, resignierte der Pfarrer und musste seinem Nachfolger Michael Trieb Folge leisten, durfte aber bei einer passablen Pension im Brucker Pfarrhaus wohnen bleiben und wurde etwa 80 Jahre alt. "Man sollte dem Pfarrer ein Denkmal setzen, appellierte Pietschmann an Kirche und Politiker, woraufhin Kreisheimatpfleger Toni Drexler in der Aussprache zum Referat anmerkte, dass man in Bruck auch eine Straße nach Zacharias Weichsner benennen könnte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: