Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Der Brucker Becher

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Die Inhaber von mehr als einem Dutzend Geschäften setzen beim Verkauf von Kaffeegetränken zum Mitnehmen auf Mehrweg. Die Idee stammt von Schülern, das finanzielle Risiko übernimmt die Kreisstadt

Von Lisa Severin, Fürstenfeldbruck

Vier enthusiastische Schüler des Viscardi-Gymnasiums sind nicht nur die Paten, sondern vor allem die Impulsgeber für das Vorhaben "Mehrwegbecher statt Einwegbecher" in Fürstenfeldbruck. Am Dienstagnachmittag stellen sie im Rathaus ihr Konzept vor. Zu ihren Zuhörern gehören auch etwa 20 Inhaber von Cafés und Bäckereien in der Stadt, die sich an dem Umweltschutzprojekt beteiligen wollen. Es ist eine vielseitige Runde von Gastronomen und Umweltschützern.

Die Teenager haben erkannt, dass das Müllaufkommen durch die steigende Zahl weggeworfener Einwegbecher stark zunimmt. Eine Umfrage an ihrer Schule unter Jugendlichen der Klassenstufen acht bis zwölf ergab, dass sich deren monatlicher Kaffeekonsum auf insgesamt 312 Becher beläuft. "Das sind 2650 Behälter im Jahr - und das nur bei unseren Schülern und Schülerinnen", erklärt ein Schüler des Gymnasiums. Um dem Müllberg hinter solchen Zahlen entgegenzuwirken, entwickelten die Teenager gemeinsam mit ihren Lehrern ein Pfandsystem. Gegen eine geringes Entgelt können Bambusbecher entliehen werden. "Das funktioniert super", sagt ein anderer Junge, der sich ebenfalls bei dem Projekt engagiert." Jeder könne etwas für die Umwelt tun. Jeder könne mitwirken. "Gemeinsam schaffen wir das." Mit diesen Worten leitet er die Diskussion ein.

Erich Raff, amtierender Bürgermeister und Oberbürgermeisterkandidat, startet die Diskussionsrunde. "Auch ich trinke meinen Kaffee auf dem Weg zum Rathaus. Geht schnell, ist praktisch. Aber die Idee der Jugendlichen gefällt mir sehr", lobt er. Die Umsetzung am Schulkiosk hat geklappt, doch wie es in der gesamten Stadt aussieht, soll an diesem Nachmittag erst noch geklärt werden - in Absprache aller Beteiligten. "Sie sind es, die jahrelange Erfahrung mitbringen", meint Andreas Habersetzer. Er ist für die Veranstaltungen der Stadt zuständig und leitet gemeinsam mit Claudia Metzner das Projekt.

Schon seit längerer Zeit reife die Idee, Einwegbecher durch ein Gefäß, das öfter genutzt werden kann, zu ersetzen. Einwegbecher sollen in möglichst vielen Brucker Cafés angeboten werden. Dafür sei vorab recherchiert worden. "In Städten wie Heidelberg, Freiburg oder Tübingen klappt es ja auch, warum also nicht hier", sagt Habersetzer optimistisch. Doch die Teilnehmer bleiben kritisch. Der erste Schritt bestehe doch darin, erst mal abzuklären, ob die Lebensmittelüberwachung so etwas genehmigen würde, meint ein Vertreter der Bäckerei Ihle. Werden mitgebrachte Becher aufgefüllt, bestehe das Risiko, dass diese verschmutzt entgegengenommen werden müssen, was für die Gastronomen eine Gefahr darstellen würde. Doch das wurde bereits von der Lebensmittelüberwachung genehmigt. Aber auch bezüglich der Reinigung sieht die Inhaberin der Bäckerei Drexler ein Problem: "Wie spüle ich die Becher beziehungsweise die Deckel sorgfältig? Ich möchte meinen Kunden ja eine hygienisch perfekte Lösung bieten."

Um auf die Zweifel der Teilnehmer einzugehen, werden sechs unterschiedliche, von Metzner und Habersetzer mitgebrachte Becher vorgestellt. Wobei sowohl Material, Aussehen und Füllmenge unterschiedlich sind. Nach einer regen Diskussion einigt man sich auf einen Prototypen: den Baumsaft-Becher. Dieser wird nun von der Stadt angeschafft und in den teilnehmenden Cafés und Konditoreinen angeboten. Wie viele der Becher letztendlich bestellt werden, sei noch nicht klar, das müsse mit Hilfe der Gastronomen erst noch errechnet werden, sagt Habersetzer zum weitere Vorgehen. Fest steht auf jeden Fall, dass alle Anwesenden sich an dem Versuch beteiligen wollen.

Das Konzept sieht ein Pfandsystem vor. Der Becher kann in einem Café für zwei Euro gekauft und an einer beliebigen anderen Stelle neu befüllt oder gegen das Pfand zurückgegeben werden. Der sogenannte "Brucker Becher" kann im Rahmen des Umwelt- und Klimaschutzes finanziert werden. Nach etwa drei Monaten wollen sich die Anbieter erneut absprechen. Bis dahin wollen sie wissen, ob ihr Angebot bei Kunden auf großes Interesse stößt oder nicht. "Es ist eine absolut freiwillige Sache, das finanzielle Risiko trägt allein die Stadt," erklärt Metzner. Die Idee erfordere eben Mut und lebe vom Mitmachen.

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Quelle:
SZ vom 09.03.2017
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