Fürstenfeldbruck:Den Opfern Namen und Gesicht geben

Bei der Gedenkveranstaltung für die Ermordeten des Überfalls auf die israelische Olympiamannschaft von 1972 erinnert Charlotte Knobloch an den rechten Terror und nennt die Bundestagswahl ein "Referendum gegen den Hass"

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Sie kamen nicht in Uniformen sondern in Trainingsanzügen, aber ihre bloße Existenz als Menschen aus Israel genügte den Mördern als Rechtfertigung. Solcher Hass sei bis heute nicht verschwunden, sagte Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Beim Gedenken an die Opfer des palästinensischen Terrorkommandos bei den Olympischen Spielen von 1972 erinnerte Knobloch am Sonntag an die jüngsten Anschläge von Nazis in Halle, Hanau und München.

Es sei nicht leicht, an diesem schrecklichen Ort zu sprechen, sagte Knobloch. Denn auf dem Fliegerhorst endete der Überfall in einem Massaker. "Die gescheiterte Befreiungsaktion war ein grauenvoller Höhepunkt", sagte sie. Zuvor hätten jüdische Menschen in aller Welt am Fernseher mitverfolgen müssen, wie israelische Sportler gefangengehalten, misshandelt und schließlich getötet wurden.

Knobloch machte deutlich, dass es sich um einen gezielten Anschlag auf jüdische Menschen handelte. "Sie kehrten in Särgen nach Hause zurück, weil sie Israelis waren." Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde schlug den Bogen in die Gegenwart, in dem sie an die blutigen Taten rechter Terroristen in der Bundesrepublik erinnerte und den Judenhass anprangerte. Die bevorstehende Bundestagswahl bezeichnete sie deshalb als "Referendum gegen den Hass".

Fürstenfeldbruck: Steine des Gedenkens: Carmela Shamir (links) und Charlotte Knobloch vor der Tafel mit den Namen der Getöteten.

Steine des Gedenkens: Carmela Shamir (links) und Charlotte Knobloch vor der Tafel mit den Namen der Getöteten.

(Foto: Günther Reger)

Die Ermordung jüdischer Menschen auf deutschem Boden während der Olympischen Spiele sei ein Albtraum gewesen, der zu den bestehenden Traumata hinzugefügt wurde, sagte Carmela Shamir, Generalkonsulin des Staates Israel für Süddeutschland. Sie würdigte die engen Beziehungen zwischen Bayern und Israel und verwies auf die gemeinsame Aufgabe, das Andenken an die Vergangenheit lebendig zu halten. Knobloch hatte davon gesprochen, dass die Opfer "Namen und Gesicht" behalten sollen.

Auch nach fast fünfzig Jahren seien die Toten nicht vergessen, hatte Landrat Thomas Karmasin (CSU) versichert, der als erster sprach. Er erinnerte an das Leid der Hinterbliebenen, die ihre Angehörigen plötzlich und unwiederbringlich verloren hatten. Karmasin verwies auch auf das neue Leid, das heute Menschen in Afghanistan widerfährt. Er schilderte knapp die Vorgänge des 5. September 1972, als palästinensische Terroristen die israelische Olympiamannschaft in ihrem Quartier überfielen, dort bereits zwei Athleten töteten und später mit ihren Opfern mit Hubschraubern auf den Fliegerhorst transportiert wurden. Bei dem missglückten Befreiungsversuch der deutschen Polizei starben dort in der Nacht neun Geiseln und ein Beamter.

Fürstenfeldbruck: Gemeinsames Gebet (von links): Martin Bickl, Markus Ambrosy und Steven Langnas.

Gemeinsames Gebet (von links): Martin Bickl, Markus Ambrosy und Steven Langnas.

(Foto: Günther Reger)

Im Anschluss an die Reden sprach Rabbiner Steven Langnas aus München das Gebete El Malle Rachamim, vom Gott, der voller Gnade ist, das beim Gedenken an die Toten gesprochen wird. Eingeschlossen waren die Namen von David Mark Berger, Zeev Friedmann, Yossef Gutfreund, Eliezer Halfin, Josef Romano, André Spitzer, Amitzur Schapira, Kehat Shorr, Mark Slavin, Yakov Springer, Mosche Weinberg und Anton Fliegerbauer. Nach einem gemeinsamen Gebet mit Dekan Markus Ambrosy und Dekan Martin Georg Bickl und einer Schweigeminute konnten die Teilnehmer Steine und Blumen an der Gedenkstätte niederlegen. Zwischen den Wortbeiträgen begleitet die Musikerin Antonia Wilczek die Veranstaltung.

Seit Errichtung der Gedenkstätte für die Opfer des Olympia-Attentats am Eingang des ehemaligen Fliegerhorstes 1999 wird dort jedes Jahr der Opfer, ihren Angehörigen sowie der Überlebenden des Attentates gedacht. Etwa 70 Personen nahmen an diesem Sonntag an der Veranstaltung teil, darunter Familienangehörige des ermordeten Polizisten Fliegerbauer, zahlreiche Politiker sowie ein Gruppe von 40 Radfahrern aus München.

Diese Gruppe, unter ihnen der Brucker Oberbürgermeister Erich Raff (CSU), war am Vormittag an der Gedenkstätte im Olympiapark in München zum Fliegerhorst losgefahren, um die beiden Erinnerungsorte symbolisch zu verbinden. Die Radler trugen weiße T-Shirts, auf denen als Motto "Radeln und Erinnern" sowie die Namen der Ermordeten zu lesen waren. Die Aktion, die heuer zum zweiten Mal stattfand, haben das israelische Konsulat und der ADFC München initiiert.

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