Wäre Theresa Hannigs Roman vor vier Jahren erschienen, der Zeitpunkt hätte noch besser gepasst: Die NSA-Affäre, ausgelöst durch die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden, setzte Diskussionen um den Datenschutz und die Angst vor einem Dasein als gläserner Mensch einmal mehr auf die politische Tagesordnung. Bei der Bundestagswahl 2013 äußerte sich das in immerhin 2,2 Prozent für die Piratenpartei. Doch Theresa Hannig, die Politikwissenschaft studierte und sich auch selbst einmal bei der Piratenpartei engagierte, hat sich Zeit gelassen. 2008 hat sie mit dem Schreiben der "Optimierer" begonnen. Jetzt ist ihr Erstlingsroman, der im Bastei-Lübbe-Verlag erscheint und mit dem Stefan-Lübbe-Preis ausgezeichnet wurde, im Handel erhältlich.
Vorgestellt hat die in Fürstenfeldbruck lebende Autorin ihr Werk am Samstag in der Neuen Bühne Bruck. Passend war der Zeitpunkt immer noch. Gerade haben die deutschen Wähler erneut darüber abgestimmt, wie sie sich die politische Zukunft ihres Landes vorstellen. Dass in München derzeit das Oktoberfest in den Endspurt geht, kommt Hannig ebenfalls gelegen: In der letzten Szene, die sie für die Präsentation ihres Romans ausgewählt hat, irrt der Protagonist Samson Freitag auf der Flucht vor dem allgegenwärtigen Staatsapparat über die belebte Theresienwiese.
In dem ersten Ausschnitt, den sie vorlas, sieht alles noch ganz anders aus: Bevor er zum Abtrünnigen wird, ist Freitag ein zufriedenes Rad im System. Als Lebensberater ist es im Jahr 2052 sein Job, jedem seinen Platz in der sozialen Ordnung zuzuweisen. Denn in "Die Optimierer" gibt es nichts, was der Staat nicht von seinen Bürgern weiß. Schon im ersten Kapitel der Science-Fiction-Dystopie kommen zentrale Elemente jener Zukunftsgesellschaft zur Sprache, darunter Datentransparenz und High-Tech-Linsen, mit denen nicht nur das gesamte Leben gesteuert wird, sondern auch Informationen über alles und jeden abgerufen werden können.
Die szenische Lesung, bei der Hannig von den Schauspielern Tina und Alexander Schmiedel unterstützt wurde, war der Versuch, die allumfassende Präsenz des technologisch geprägten Staats vom Buch auf die Bühne zu transportieren. Gelungen ist dies durch Licht- und Toneffekte, eingespielte Stimmen und eine Anordnung der Akteure, bei der Hannig als Erzählstimme im hinteren Zentrum des Geschehens über die Aktionen der Charaktere wacht. Alexander Schmiedel verkörperte den zuerst überkorrekten Freitag. Tina Schmiedel wechselte parallel dazu von der plumpen Vorstadtversagerin zum intriganten Jungpolitiker und weiter zum maßregelnden Sicherheitsroboter. Nur eine konzentrierte Auswahl der 52 Kapitel kam auf diese Weise auf die Bühne. Doch transportierte diese Auswahl bereits das zentrale Anliegen des Romans der Fürstenfeldbruckerin: Zweifel daran zu wecken, ob man in so einer Zukunft, wie sie Hannig in ihrem Debüt entwirft, leben möchte.