Fürstenfeldbruck:Das Nachschlagewerk der Philatelisten

Der altehrwürdige Michel-Katalog wird nun in Germering hergestellt. Eine Redaktion mit zehn Mitarbeitern aktualisiert für Sammler die Wertentwicklung und Neuerscheinungen von Briefmarken

Von Peter Bierl

Mit dem Michel-Katalog sind Generationen von Briefmarken-Sammlern groß geworden. Der erste vollständige "Michel-Briefmarken-Katalog Europa 1910" erschien Anno 1909 in Apolda in Thüringen im Großherzogtum Sachsen-Weimar. Über Leipzig und Kasendorf bei Kulmbach kam der Michel nach München. Seit Januar residiert der renommierte Verlag in Germering im Industriegebiet. Dort arbeiten zehn Redakteure unter Leitung von Oskar Klan, dazu eine Herstellerin, vier Programmierer, weil der Michel seit 2002 online zu finden ist, sowie Menschen in Buchhaltung und Vertrieb.

Gedruckt gibt es zur Zeit knapp 90 Michel-Titel, darunter einen Kriminalroman. Die Standardausgaben beinhalten Briefmarken aus Deutschland und Europa, die jährlich neu aufgelegt werden, sowie Postwertzeichen aus Afrika, Asien und Amerika, deren Neuausgaben in mehrjährigem Turnus erfolgen. Dazu gibt es allerlei Motivbände, wie zuletzt die Kataloge mit Haushunden und Hauskatzen sowie Fachbücher für Teilgebiete, etwa Post, die mit Zeppelinen befördert wurden. Solche Spezialgebiete seien in Deutschland sehr beliebt, sagt Klan. Die Zeppelin-Fans sammeln die kompletten Briefumschläge, weil es auf Marken und Stempel und Angaben zu den einzelnen Flügen ankommt. Von den Printausgaben ist der Deutschland-Katalog mit einer fünfstelligen Auflage das erfolgreichste Produkt, wobei der Chefredakteur berichtet, dass es "vor einer Generation" deutlich mehr waren.

Fürstenfeldbruck: Chefredakteur Oskar Clan (links) und Geschäftsführer Hans Hohenester präsentieren ein Produkt des Michel-Verlages.

Chefredakteur Oskar Clan (links) und Geschäftsführer Hans Hohenester präsentieren ein Produkt des Michel-Verlages.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Ähnlich wie Briefmarkenvereine registriert auch der Verlag, dass das Interesse der jüngeren Generation deutlich nachlässt. "Früher kamen Kinder schon damit in Berührung, weil die Briefpost eine alltägliche Erscheinung war", sagt Klan. Im Zeitalter des E-Mails und immer neuer weiterer elektronischer Kommunikationsformen, hat sich das dramatisch geändert. Dennoch registriert der Michel-Chefredakteur großes Interesse bei Kindern und Jugendlichen etwa auf Freizeitmessen wie der Spielwiesn und Forscha in München. Im Regelfall lässt heute wie vor 100 Jahren das Interesse mit Beginn der Pubertät nach. Das größte Potenzial sieht Klan dennoch bei den Senioren. "Die Leute werden immer älter und Briefmarkensammeln ist ein Hobby, das man ohne größere körperliche Anstrengung pflegen kann."

Längst hat die Redaktion deshalb ein zweites Standbein im Internet. Die kostenpflichtige Online-Ausgabe startete 2002 und enthält heute zwischen 750 000 bis 800 000 Briefmarken aus aller Welt. Sie wird wöchentlich aktualisiert und stetig ausgebaut. Das Ziel ist ein tägliches Update. Während die Abonnenten der Printausgaben im Durchschnitt zwischen 50 und 60 Jahre alt sind, seien die Nutzer des Online-Angebots etwa zehn Jahre jünger.

Der berühmte Katalog geht auf Georg Hugo Paul Michel (1872-1944) zurück, der 1892 im beschaulichen Apolda ein Briefmarkengeschäft eröffnete. Michel war zunächst als Händler erfolgreich, bevor er auf die Idee kam, einen Katalog herzustellen. Die erste gebundene Ausgabe, der Michel-Europa, von 1909 kostete 60 Pfennig plus fünf Pfennig Porto. Er wurde wohl überwiegend nicht gezahlt, da Hugo Michel vermutlich das Werk von 100 Seiten zwar mit einer Rechnung an seine Kunden sandte, diese aber den Band als Preisliste betrachteten, die es gratis gab.

Fürstenfeldbruck: Im Archiv finden sich Raritäten wie ein Briefmarkenkatalog von anno 1912.

Im Archiv finden sich Raritäten wie ein Briefmarkenkatalog von anno 1912.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Während des Ersten Weltkrieges schaffte es Michel in Apolda genügend Papier zu bekommen, während sein größter Konkurrent, der "Senft-Katalog" 1915 aufgeben musste. Dennoch verkaufte Michel die Rechte an seinem Katalog 1919 an den Schwaneberger Verlag in Leipzig, der von dem Verlagsbuchhändler Eugen Berlin geleitet wurde. Unter dessen Regie wurde das Sortiment deutlich ausgebaut, was auch damit zusammenhing, dass der Postverkehr und die Herstellung von Briefmarken expandierten, auf die sich Sammler beziehen konnten: So erschien ein neuer "Hugo Michels Kriegsmarken Katalog 1920" und im gleichen Jahr der erste "Michel Übersee Katalog". Michel selber trat bis 1926 noch als Herausgeber und bis 1930 als Berater der Redaktion auf. Während der Hyperinflation von 1922/23 erfand er die "Michel-Mark" eine Notierung der Preise auf Basis von Gold als relativ solidem Wert.

Mit einem Bombenangriff im Dezember 1943 endete die Michel-Produktion in Leipzig und wurde von Eugen Berlin erst 1949 mit dem Michel-Europa-Katalog in Kasendorf wieder aufgenommen. 1950 zog der Verlag nach München um, Berlin verkaufte seinen Verlag an die Druckerei Carl Gerber. Zuletzt residierte die Redaktion in Unterschleißheim-Lohhof bevor sie nun ins Germeringer Zentrum umzog.

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