Fürstenfeldbruck:"Das Jugendzentrum ist kein Auslaufmodell"

KJR-Vorsitzender Philipp Heimerl glaubt, dass durch die sozialen Medien alles schnelllebiger geworden ist. Doch bei vielen Jugendlichen sieht er weiterhin das Bedürfnis, sich persönlich zu treffen

Von #Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Soziale Medien und Handys sind allgegenwärtig. Jugendliche kommunizieren ganz anderes als die vorherigen Generationen. Haben sich Jugendzentren oder der gute alte Bauwagen als Treffpunkt überholt? Wo und wie treffen sich Jugendliche heute in den Städten oder Gemeinden des Landkreises Fürstenfeldbruck? Und wie tickt die Jugend? Nach Antworten auf diese Fragen will die SZ in einer Serie suchen. Zum Auftakt versucht sich Philipp Heimerl, 25, Vorsitzender des Kreisjugendrings, an einer Einordnung.

SZ: Die Jugend hat aus Sicht vieler Erwachsener ja noch nie etwas getaugt. Aber wie hat sie sich verändert?

Philipp Heimerl: Ich glaube, dass sich durch die Medienvielfalt einiges geändert hat. Heute verschaffen sich auch Jugendliche viel schneller Informationen, sie haben immer und überall Zugriff aufs Netz und zu sozialen Medien wie Whatsapp, Facebook oder Twitter. Alles ist sehr schnelllebig, ständig kommen Trends beispielsweise aus den USA, die das Verhalten Jugendlicher beeinflussen. Ich denke da unter anderem an neue Idole wie You Tube Stars, die zu Trendsettern werden.

Bedeutet vermehrte Nutzung sozialer Medien nicht zwangsläufig weniger Zeit für Treffen von Angesicht zu Angesicht?

Das würde ich so nicht sagen, auch wenn das Handy allgegenwärtig ist. Jugendliche nutzen es auch, um sich zu verabreden.

Dennoch gibt es Entwicklungen wie das achtstufige Gymnasium und Ganztagsunterricht. Und es gibt mehr Einzelkinder.

Sicher, die Sache mit dem G8 spüren zum Beispiel die Vereine und Verbände, die Kirchen und auch die politischen Parteien. Den Schülern fehlt die Zeit fürs Engagement. Und weil es mehr Alleinerziehende und Doppelverdienerhaushalte gibt, sind auch mehr auf sich gestellt.

Früher hat man sich in Bauwagen oder in Cafés getroffen. Wie war das bei Ihnen?

Ich habe mich hier in Fürstenfeldbruck oft im Jugendheim von Sankt Magdalena mit Freunden getroffen, das war schon ein starker Bezugspunkt. Ansonsten haben wir uns im Freundeskreis zu Hause besucht.

Welche Rolle spielten Jugendzentren?

Bei mir keine besonders große. Ich wohne ja auch ziemlich weit weg von den beiden Brucker Jugendzentren.

Wo trifft sich heute die Jugend?

Auch in den Jugendzentren. Außerdem gibt es kirchliche Angebote wie das Opossum der Erlöserkirche am Stockmeierweg, die Jugendräume von Sankt Magdalena oder Sankt Bernhard. Die etwas Älteren gehen ins Unterhaus am Marktplatz.

Discos sind ja offenbar ziemlich out?

Das Buck Rogers im Brucker Gewerbegebiet gibt es ja noch. Ansonsten geht es eher in Richtung Club. Die Red Lounge im Veranstaltungsforum ist immer sehr gut besucht, außerdem gibt es Partys im Squashpalast oder Konzerte der Subkultur.

Wie ist es mit den eher informellen Treffpunkten auf öffentlichen Plätzen?

Das hängt stark von der Duldsamkeit der Nachbarschaft ab. Am Niederbronner Platz und hinter der Sparkasse am Brucker Marktplatz sind Treffpunkte, oder am Silbersteg. Aber da gibt es auch immer mal wieder Beschwerden und die Jugendlichen müssen sich andere Treffs suchen.

Ist es schwerer geworden, an Kinder und Jugendliche heranzukommen oder sind die auch anspruchsvoller geworden und neigen zum Konsum ohne Verpflichtung?

Ja, ich glaube tatsächlich, dass es schwieriger geworden ist durchzudringen. Früher ist man zu den Ministranten gegangen, weil im Religionsunterricht auf die Möglichkeit hingewiesen wurde. Oder man hat sich für einen Sportverein entschieden. Oft haben die Eltern gesagt: geh' da mal hin. Heute ist das nicht mehr so. Und die Kinder haben ein riesiges Alternativangebot im Freizeitbereich.

Sind Jugendzentren altmodisch?

Ich glaube, dass man das so pauschal nicht sagen kann. Das Jugendzentrum ist kein Auslaufmodell. Es hat ein offenes Angebot. Da bildet sich eine Gruppe, da entwickelt sich Dynamik. Die Gruppe besetzt das Juz für sich, andere gehen dann seltener hin; wenn dann die Gruppe weg ist, liegt das erst mal brach. Dann kommen andere nach. So sind Jugendliche halt. Der KJR hat 2010 die Jugendsituation untersucht. Auch da hat sich gezeigt, dass die Jugendzentren natürlich nicht für jeden Jugendlichen interessant sind. Wichtig ist, dass die Angebote dort ständig weiterentwickelt werden, so wie das zum Beispiel in Germering geschieht. Der Vorteil in den Jugendzentren ist die sozialpädagogische Betreuung.

Gerade das wollen viele doch gar nicht.

Das ist ja auch freiwillig. Und es gibt ja auch selbstverwaltete Treffpunkte wie das Brucklyn oder Bauwagen, wie es sie eher im westlichen Landkreis gibt. Da ist halt das Problem, dass manche Bürgermeister da rechtliche Bedenken haben.

Sind Jugendzentren unverzichtbar?

Ich denke schon. Sie haben einen offeneren Charakter als zum Beispiel Vereine. Da kann man sich auch mal reinsetzen, wenn einem zu Hause die Decke auf den Kopf fällt, und das ohne Verpflichtungen. Außerdem gibt es dort Angebote jenseits der reinen Freizeitgestaltung, wie Hausaufgabenbetreuung oder Hilfe bei der Jobsuche.

Kann man Jugendliche auf diese Weise auch von dummen Gedanken abbringen oder ist so etwas ein frommer Wunsch?

Ich glaube schon. Da bleibt schon Raum, ähnlich wie beim Sport den Teamgedanken in den Blick zu rücken. Wenn man sich kennt und vertraut, dann ist man ganz sicher offener für ein ehrliches Feedback.

Wer kommt in die Jugendzentren?

Meistens Leute zwischen 13 und 17. Vor allem in den größeren Städten sind es eher weniger die Gymnasiasten.

Kann über die Jugendzentren auch so etwas wie eine Bindung aufgebaut werden, um Begeisterung für Ehrenamt oder politisches Engagement zu wecken?

Das dürfte schwierig sein. Wenn ich mir die Stadtjugendräte ansehe, dann glaube ich, dass da eher Elternhaus und Schule eine wichtige Rolle gespielt haben.

Haben denn Städte und Gemeinden in punkto Jugendzentren, aber auch Locations überhaupt eine Chance gegen den Magneten München?

In Fürstenfeldbruck zum Beispiel gibt es schon ein breites Angebot. Ich habe das Gefühl, dass viele dableiben. Hier gibt es die Subkultur mit dem Schlachthof, Bars und Kneipen. Das ist vielleicht in Germering anderes, die Stadt liegt ja sehr nahe an München. Gleiches gilt für Eichenau oder Olching. Das sind zwar nicht unbedingt Schlafgemeinden und es gibt sehr wohl Angebote. Aber da zieht es Jugendliche erfahrungsgemäß schon stärker nach München.

Was könnte besser werden?

Manchmal fehlt es an der finanziellen Unterstützung von Vereinen und Verbänden. Und im ländlichen Bereich bieten manche Gemeinden den Jugendlichen jenseits der Fußballvereine noch zu wenig.

In Fürstenfeldbruck gibt es bei SPD, CSU, Grünen und BBV jeweils einen sehr jungen Stadtrat in den Zwanzigern. Ist das eine Möglichkeit, der Jugend über die Fraktionsgrenzen hinweg wieder eine stärkere Stimme zu geben?

Ich hoffe schon. Da gibt es einen direkteren Draht, und für Jugendliche ist es leichter, in Kontakt mit jüngeren Politikern zu treten. Es ist gut, wenn Gemeinde- oder Stadträte altersmäßig gemischt sind.

In Fürstenfeldbruck und Germering gibt es Jugendräte. Sie gehörten dem Gremium in Bruck von 2006 bis 2010 an. Zurzeit hat man nicht den Eindruck, dass viel bewirkt wird.

Bislang gab es da wohl eher zu wenig Kontakt zum Stadtrat. Außerdem ist zu wenig in die Öffentlichkeit gedrungen. Da könnte schon etwas mehr kommen, und das Bewusstsein ist beim aktuellen Jugendrat auch da. Sonst schläft so etwas ein.

Wo hakt es noch, was wünschen sich die Jugendlichen?

Im Nahverkehr gäbe es noch Potenzial, vor allem auch abends. Das betrifft den S-4-Ausbau ebenso wie die Busverbindungen. Es ist noch zu kompliziert, ohne den Bring- und Holdienst der Eltern abends wegzugehen, zum Beispiel von Eichenau nach Emmering auf eine Feier zu fahren. Grundsätzlich wäre es auch wichtig, WG-tauglichen Wohnraum zu schaffen. Wir haben viele Schulen im Landkreis, wir sollten auch versuchen, die jungen Menschen hier zu halten und ihnen ein attraktives Umfeld zu schaffen.

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