Fürstenfeldbruck:Das Fest fürs Volk

Das Brucker Volksfest ist geprägt von kleinen Familienbetrieben wie dem Süßigkeitenstand von Kerstin Münch und dem Autoscooter von Jenny Fertsch. Beide schätzen die Atmosphäre und das neue Konzept der Stadt

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Es muss so vor 20 Jahren gewesen sein. Kerstin Münch erinnert sich noch an das große Hallo auf dem Brucker Volksfest. An einem Tag, es ist bereits nach Mitternacht, macht eine frohe Botschaft die Runde: Eine Frau aus dem Kreis der Schausteller hat ein Kind zur Welt gebracht. Das muss gefeiert werden! An die 15 Leute stoßen an. Jemand kommt auf die Idee, das Kettenkarussell anzuwerfen und ein paar Runden zu drehen. Aus den paar Runden werden ziemlich viele Runden. Spätestens nach 30 Minuten dämmert der fröhlichen Feierrunde, der zunehmend schwindlig wird, dass der Betreiber des Karussells nach dem Anschalten schnell noch aufgesprungen ist und keiner ans Abschalten gedacht hat. Irgendwann erbarmt sich dann aber einer, der sich längst schlafen gelegt hatte, und lässt sich von den lauten Rufen zum Schaltpult dirigieren.

Die Schausteller fuhren nachts mit dem Kettenkarussell - auch der Betreiber, der eingeschaltet hatte

Das sind Erinnerungen, die Kerstin Münch nicht vergisst. Schon möglich, dass das Kettenkarussell von damals das der Familie Diepold war, das auch in diesem Jahr wieder neben ihrem Süßigkeitenstand steht. Die 49-Jährige erinnert sich gerne an die früheren Jahre auf dem Brucker Volksfest. Das kennt sie "eigentlich schon von Geburt an". Kerstin Münch ist mit ihm groß geworden. Sie erinnert sich noch gut, wie sie früher durch das beleuchtete und mit Wimpeln geschmückte Bruck spazierte oder das Schwimmbad besuchte.

Volksfest FFB

Kerstin Münch hat nicht nur ein großes Herz. Sie hat viele. Verkauft werden diese am "Kostbarkeiten"-Stand.

(Foto: Günther Reger)

Am Mittwochnachmittag steht sie in ihrem Stand mit der verheißungsvollen Aufschrift "Kostbarkeiten" und lässt zwischen Lebkuchenherzen, Schoko-Küssen und Limo-Lollys die letzten Jahrzehnte Revue passieren. Eigentlich neigt sie gar nicht zu Sentimentalität und schwärmt nicht von der angeblich guten alten Zeit. Aber früher hätten Volksfeste schon einen höheren Stellenwert bei der Bevölkerung genossen. Das liegt natürlich daran, dass es kaum Alternativangebote gab. Im Fernsehen gab es bestenfalls das erste, zweite und dritte Programm, Computer waren noch Zukunftsmusik. Und es gab noch nicht so viele Vereinsfeste, die heute den Volksfesten Konkurrenz machen.

Einiges hat sich dennoch über die Zeit erhalten. Viele Schausteller treffen sich immer wieder auf den verschiedenen Volksfesten, und in Bruck schauen viele Stammgäste bei Kerstin Münch und ihrem Lebensgefährten Romanus Zinnecker vorbei, die auch die ein paar Meter entfernte Los- und Spielebude betreiben. An diesem Tag hilft die 17-jährige Tochter Sarina aus. Zwei Wochen im Jahr, wenn die Familie auf den bislang zwei Brucker Volksfesten war, besuchte diese erst die Philipp-Weiss-Grundschule gleich neben dem Volksfestplatz und später die heutige Mittelschule West. Das Leben im Wohnwagen möchten die drei bis heute nicht missen - Mitte April geht es los, und erst Ende Dezember, nach den Christkindlmärkten, zieht die Familie in ihr Haus bei Landshut. Das neue Volksfestkonzept in Bruck findet Kerstin Münch gut. Vor allem merke man, "dass die Stadt hinter dem Volksfest steht". Zudem glaubt sie an eine Art Renaissance der Volksfeste, die wieder zunehmend wertgeschätzt würden als traditioneller Treffpunkt für die Familie.

Volksfest FFB

Der Autoscooter von Jenny Fertsch.

(Foto: Günther Reger)

Ähnlich sieht das Jenny Fertsch, die Chefin des Autoscooters. Auch die findet es gut, dass sich Bruck nicht blind dem atemlosen "Höher, schneller, weiter" verschreibt, Familienbetrieben ihren Platz einräumt und das Fest seinen familiären Charakter behält. Ihre Kunden sind heute eher Eltern mit kleinen Kindern als die coolen Jugendlichen - "da muss man sich eben anpassen." Aber es sei schon schön, dass zum Beispiel gegenüber immer noch die Zinnecker-Losbude steht, in der sie vor vielen Jahren als Teenager bereits mit klopfendem Herzen darauf hoffte, den Hauptgewinn zu ziehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: