Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Das Ensemble schrumpft

Lesezeit: 3 min

Die Kreismusikschule hat binnen eines Jahrzehnts etwa ein Sechstel ihrer Schüler verloren. Die Gründe dafür sind vielfältig und nur schwer zu erklären

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Die Mitgliederzahlen der Kreismusikschule sind in den vergangenen zehn Jahren um etwa ein Sechstel zurück gegangen. Waren es 2008 noch 2855 Schüler, sind es in diesem Jahr nur noch 2427. Ein Grund zur Panik sei dies allerdings noch nicht, sagt Kreismusikschulleiter Dirk Olbrich. Dennoch beobachte man diese Entwicklung natürlich und versuche gegenzusteuern, erklärt Olbrich, der die Leitung der Schule im Juni des vergangenen Jahres übernommen hat. "Ich mache mir natürlich Sorgen", sagt der Schulleiter.

Besonders deutlich war der Rückgang im vergangenen Jahr, knapp 200 Schüler hat die vom Landkreis geförderte Einrichtung von 2017 auf 2018 verloren. Für Olbrich allerdings keine überraschende Zahl, sondern vielmehr erklärbar. "Im vergangenen Jahr sind vier Lehrkräfte in den Ruhestand gegangen, inklusive der ehemaligen Leiterin Angelika Lutz-Fischer. Die Erfahrung zeigt, dass mit den Lehrern immer auch einige Schüler gehen, weil sie nur wegen der Person noch Unterricht genommen haben", sagt er. Dazu käme die befristete Stelle einer sehr beliebten Lehrerin, die ausgelaufen ist, auch dadurch habe man einige Schüler verloren. Manch einer, auch das zeige die Erfahrung, höre dann ganz auf, andere wechseln mit dem Lehrer an eine andere Einrichtung oder nehmen privaten Unterricht.

Der stetige Rückgang über die letzte Dekade lässt sich damit freilich nicht erklären. Vielmehr spielten verschiedene Faktoren in die Entwicklung hinein. Etwa die seit Jahren von vielen Vereinen beklagte fehlende Freizeit durch das G8 und immer mehr und mehr Möglichkeiten, diese zu gestalten. Gleich mehrere konkrete Gründe für die sinkenden Schülerzahlen vermutet Frank Wunderer, Musiklehrer und Leiter des bekannten Jazzstreicher-Ensembles Bluestrings, das ebenfalls zur Kreismusikschule gehört. "Ich habe schon von mehreren Kindern gehört, die lieber mit Youtube-Tutorials ein Instrument lernen als in eine Schule zu gehen", sagt Wunderer. Eine Entwicklung, die auch Olbrich bestätigen kann.

Außerdem, meint Wunderer, habe sich die Gesellschaft dahin entwickelt, dass es nicht mehr zum "guten Ton" gehöre, ein Instrument zu lernen, gerade in Zeiten, in denen Kinder so viele andere Möglichkeiten der Freizeitgestaltung haben. Deshalb müssten Musikschulen weit mehr bieten als Unterricht, wenn sie die Kinder langfristig motivieren wollten. "In Zukunft haben wir nur eine Chance, wenn wir die Kinder, wie im Sport, von Anfang an zu einem Team formen", glaubt er. Dazu gehörten das gemeinsame Spielen im Ensemble ebenso wie Reisen und Konzerte.

Olbrich setzt vor allem auf Aktionstage und einen Ausbau der Frühförderung. "Man erkennt deutlich, dass die Schülerzahlen vor allem in den Orten zurück gehen, in denen wir wenig Früherziehung anbieten können". Deshalb versuche er verstärkt, Schulen zu Kooperation zu bewegen.

Nicht nur die Kreismusikschule kämpft mit sinkenden Zahlen. Der Schöngeisinger Heinrich-Scherrer-Musikschule als zweiter vom Landkreis geförderten Einrichtung geht es ähnlich. Dort ist die Schülerzahl in den vergangenen zehn Jahren sogar um ein Fünftel gesunken, von 355 auf 280. Lediglich die dritte landkreisgeförderte Einrichtung, die Rasso-Musikschule in Grafrath, konnte einen leichten Anstieg von 208 auf 227 verzeichnen.

Während die Schülerzahlen also spürbar zurück gegangen sind, ist die Gesamtfördersumme für die drei Musikschulen durch den Landkreis von 150 000 auf etwa 214 0000 Euro gestiegen. 2012 hatten die Kreisräte beschlossen, nicht mehr einen Fixbetrag zu verteilen, sondern einen Euro pro Landkreiseinwohner. Schulleiter Olbrich freut sich natürlich über konstant hohe Unterstützung und die Möglichkeiten, die sich nun ergeben, sieht allerdings auch ein Problem. "Durch die Entwicklung haben wir natürlich den Vorteil, dass wir mehr Schülern zusätzliche Angebote wie etwa Einzelunterricht bieten können", sagt Olbrich, "aber die Politik will, dass wir eine Breitenförderung machen".

Bisher habe die Entwicklung in der Politik allerdings noch zu keinen Förderungskürzungen geführt, weder direkt und indirekt, erzählt der FDP-Kreisrat und Kulturpolitiker Klaus Wollenberg. Und das sei auch richtig, schließlich sei Musik genauso wichtig für die Entwicklung wie etwa Sport. Und dann ergänzt er das Spektrum der Vermutungen für den Rückgang um eine weitere: "Vielleicht spielt auch mit rein, dass es zahlreiche andere Ensembles gibt, Stadtkapellen, Jugendorchester, Bläsergruppen, die kaum etwas kosten. An der Kreismusikschule dagegen müssen die Eltern für den Unterricht zahlen, die Jahresgebühren reichen von 241 bis 1185 Euro für Einzelunterricht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4054010
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.07.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.