Fürstenfeldbruck:Das Blaue Palais gibt Rätsel auf

Im Sommer 1977 nimmt die Offizierschule der Luftwaffe den Lehrbetrieb auf. Die 40-Jahr-Feier im Fliegerhorst steht ganz im Zeichen des bevorstehenden Umzugs. Die Zukunft des Gebäudekomplexes ist völlig offen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

1970 ist ein gewaltsames Jahr: Die USA intervenieren in Kambodscha. In Deutschland wird die Rote Armee Fraktion gegründet. 1970 ist ein Jahr großer Bilder: Der Kniefall Willy Brandts in Warschau ist in den Fernsehnachrichten. 1970 ist auch für den Militärstandort Fürstenfeldbruck ein bedeutsames Jahr: Am 11. Juni regt Bundesverteidigungsminister Helmut Schmidt den Bau zweier Bundeswehr-Hochschulen an. Eine davon wird in Neubiberg errichtet. Die dortige Offizierschule der Luftwaffe muss also verlegt werden. Die Wahl fällt auf den Brucker Fliegerhorst. Architekt Kurt Ackermann entwirft einen zeitgemäßen, verzweigten Komplex. Am 25. April 1975 erfolgt die Grundsteinlegung. Brigadegeneral Wolfgang Kessler steht in der Baugrube unter wehenden Fahnen. Bald schon wird das durchdachte Konzept der neuen, 105 Millionen Mark teuren Offizierschule sichtbar: Mehrstöckige Gebäude aus Beton,Metall und Glas, mit Flachdächern, gruppieren sich um begrünte Innenhöfe. Der für 1100 Personen ausgelegte Unterkunftsbereich ist mit den Wirtschafts- sowie den Hörsaalflügeln durch überdachte Fußgängerbrückenverbunden, die kurze Wege garantieren. Wegen seiner Farbe wird der Funktionsbau von den Offizierschülern bald nur noch "Blaues Palais" genannt - und der Teil des Lehrsaalgebäudes im zweiten Stock, in dem die Fachlehrer untergebracht sind, scherzhaft "Olymp". Im Sommer 1977 startet der Lehrbetrieb "in der damals modernsten Offizierschule aller Nato-Luftstreitkräfte", wie sich Harald Meyer von der Gemeinschaft Jagdbombergeschwader 49 erinnert.

An diesem Mittwoch wird mit einem Festakt im Ludger-Hölker-Saal also das 40-jährige Bestehen dieser ganz besonderen Schule gefeiert. Michael Traut, Brigadegeneral, Standortältester des Fliegerhorsts und Schulleiter, wird ein Fass Bier anzapfen. Gefeiert wird freilich mit durchaus gemischten Gefühlen. Denn die Tage der Offizierschule in Bruck sind gezählt, voraussichtlich Ende 2021, einige Monate vor der kompletten Schließung des Standorts, soll sie umziehen. Was aus dem bestehenden Gebäude wird, ist offen. Es gibt Bestrebungen der Stadt, es unter Denkmalschutz zu stellen, um es auch nach der zivilen Umnutzung des riesigen Militärareals im Nordosten Brucks zu erhalten. Offenhalten will sich die Stadt laut Oberbürgermeister Erich Raff (CSU) aber beispielsweise den Rückbau der Unterkünfte. Denn diese würden im Fall einer Nutzung beispielsweise durch ein Wissenschafts- oder Forschungszentrum oder einen Bezug durch die derzeit im Kloster untergebrachte Bayerische Beamtenfachhochschule oder ähnliche Einrichtungen zumindest im aktuellen Umfang und Zuschnitt kaum mehr benötigt. Noch in diesem Jahr wird mit einer Entscheidung des Landesamts für Denkmalschutz gerechnet. Thomas Goppel, Landtagsabgeordneter und Leiter des Landesdenkmalrats sowie Generalkonservator Mathias Pfeil haben bereits signalisiert, den Gebäudetrakt erhalten zu wollen. Pfeil bescheinigte dem Gebäudekomplex bei einem Besuch Anfang des Jahres einen guten Allgemeinzustand und "hohe architektonische Qualität". In der Kreisstadt gibt es einen entsprechenden Vorstoß vor allem von den beiden CSU-Stadträten Georg Jakobs und Andreas Lohde. Denn "Fursty" gilt als "Wiege der Luftwaffe", und auch der tragische Verlauf des Attentats und der Entführung israelischer Sportler bei den Olympischen Sommerspielen 1972 steht mit diesem Ort in enger Verbindung. Die Offizierschule ist ebenso wie die 19 bereits unter Denkmalschutz stehende Gebäude der früheren Luftkriegsschule sowie das Ehrenmal vor den Toren des Fliegerhorsts historisch bedeutsam. Den künftigen Generationen soll dieser Baubestand erhalten werden, mag er dann auch längst zivil genutzt werden.

Fürstenfeldbruck: Ein Bild aus der "guten alten Zeit": Drei Alpha-Jets des Jagdbombergeschwaders 49 überfliegen 1980 die Offizierschule.

Ein Bild aus der "guten alten Zeit": Drei Alpha-Jets des Jagdbombergeschwaders 49 überfliegen 1980 die Offizierschule.

(Foto: Lehrsammlung der Luftwaffe)

Das Herzstück der Offizierschule ist bis heute das dunkel getäfelte Auditorium Maximum mit 976 Sitzplätzen, das von Gerhard Limberg, dem damaligen Inspekteur der Luftwaffe, auf den Namen "Ludger-Hölker-Saal" getauft worden ist. Seit 1977 haben unzählige Generationen angehender Offiziere in Fürstenfeldbruck die Schulbank gedrückt. Jeder, der in der deutschen Luftwaffe Karriere gemacht hat, war mindestens einmal, meistens für Fortbildungen sogar wiederholt in Bruck. So auch Brigadegeneral Michael Traut, 52, der im September 2016 den Stab als Schulleiter übernommen hat - sein Vorgänger Bernhardt Schlaak wechselte zur Nato nach Brüssel.

Traut kam als Offizierschüler erstmals 1985 nach Fürstenfeldbruck, sein Vorgänger Schlaak erinnert sich ebenfalls noch gut an die Zeit, als er dort die Schulbank drückte. Er habe "spannende Erfahrungen" gemacht, sagte er einmal in einem SZ- Interview. "Hier war alles modern. Ich war unter anderem in einem Zwei-Mann-Zimmer untergebracht mit eigenem Waschbecken." Für damalige Verhältnisse beinahe luxuriöse Bedingungen.

Im Lauf der Jahrzehnte hat freilich der Zahn der Zeit an dem Siebzigerjahre-Haus genagt. Die Dämmung ist nicht mehr zeitgemäß, das Flachdach nicht überall dicht. Immer wieder kursieren Beträge von bis zu 100 Millionen Euro, die eine Sanierung angeblich kosten würde. Ehemalige Bundeswehrangehörige, die das Gebäude gut kennen, weisen solche Zahlen zurück.

Erster Spatenstich in Roth

Im Zuge der Bundeswehrreform 2011 ist die Verlegung der Offizierschule nach Roth bei Nürnberg beschlossen worden. Die dortige Otto-Lilienthal-Kaserne war mit 360 Hektareinst einst der größte Bundeswehrstandort Bayerns und beherbergte unter anderem das Kampfhubschrauberregiment 26, die Heeresfliegerstaffel 269, das Luftwaffenausbildungsregiment und Teile der Flugabwehrraketengruppe 23. Bis 2011 entstanden dort Wartungshallen und andere Gebäude für die geplante Stationierung des Tiger-Hubschraubers, zu der es aber nie kam. Das Hubschrauberregiment wurde 2014 aufgelöst, die Tiger-Hubschrauber dem Kampfhubschrauberregiment 36 dem hessischen Fritzlar zugeschlagen. Das zweite Bataillon des Luftwaffenausbildungsregiments wurde Ende 2012 aufgelöst, das Luftwaffenausbildungsregiment und die Heeresfliegerstaffel folgten 2013, das Kampfhubschrauberregiment 2014. An diesem Donnerstag, 29. Juni, wird Karl Müllner, Inspekteur der Luftwaffe, in Roth den symbolischen ersten Spatenstich für den Neubau der Offizierschule ausführen. Diese soll Ende 2021 den Ausbildungsbetrieb mit 270 militärischen und zivilen Mitarbeitern aufnehmen. Die Einrichtung ist auf 720 Lehrgangsteilnehmer ausgelegt. In einer Mitteilung spricht die Bundeswehr von einer "Trendwende beim Personal der Luftwaffe". Hatten 2016 noch 420 Offiziersanwärter ihr Patent erhalten, so werden im laufenden Jahr voraussichtlich 500 und im kommenden Jahr sogar 600 angehende Offiziere die Ausbildung - noch am derzeitigen Standort in Fürstenfeldbruck - erfolgreich abschließen können.slg

Der militärische Flugbetrieb ist bereits 1997 eingestellt worden. Noch gibt es innerhalb der Truppe Zweifel, ob der Neubau nahe Nürnberg fristgerecht fertig wird. Gleichwohl deutet wenig darauf hin, dass sich die Wünsche vieler Brucker Stadträte, die Bundeswehr möge die Umzugsentscheidung doch noch revidieren, erfüllen.

Auszüge des Textes sind bereits im April 2015 veröffentlicht worden. Damals wurde die 40 Jahre zurückliegende Grundsteinlegung gefeiert.

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