Regisseur:"Das Anrennen gegen die Teflonwände"

Die Fürstenfelder Theaterreihe zeigt eine Inszenierung von "Das Fest", basierend auf dem gleichnamigen Film. Im Interview spricht Christopher Rüping über Kritik, Traumabewältigung und den Umgang mit Angriffen auf die Gesellschaft

Interview von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Mit einer Inszenierung von "Das Fest" gastiert Regisseur Christopher Rüping am Freitag mit einem Stück über sexuellen Missbrauch in der Familie in Fürstenfeld. Es spielt auf einer Geburtsfeier, auf der einer der Söhne die Taten des Vaters anspricht - und auf Unverständnis stößt. Rüping hat das Stück am Staatsschauspiel Stuttgart inszeniert.

SZ: Herr Rüping, als Ihr Stück 2014 in Stuttgart Premiere gefeiert hat, waren die Reaktionen nicht gerade positiv. Wie war das damals für Sie?

Christopher Rüping: Das Ensemble und auch ich, wir waren damals ja noch ziemlich jung und ganz am Anfang. Und dann wurden wir bei der Premiere ausgebuht, es gab keine einzige positive Kritik, die Vorstellungen waren erst einmal nicht voll. Das war natürlich nicht einfach. Trotzdem stand das Ensemble immer hinter dem Abend, wir waren überzeugt davon, dass wir den richtigen Zugriff auf den Stoff gefunden hatten. Und auch das Schauspiel Stuttgart und der Intendant Armin Petras haben uns immer darin bestärkt. Als wir dann zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurden, hatte es die Inszenierung in Stuttgart merklich leichter.

Inwiefern?

Danach kamen die Leute plötzlich. Vor Kurzem hatten wir unsere letzte Vorstellung in Stuttgart und es gab donnernden Beifall. Dieselbe Inszenierung wurde also bei der Premiere ausgebuht und bei der Derniere bejubelt. Es ist ein unglaublicher Weg, den das Ensemble zusammen zurückgelegt hat. Und jetzt freuen wir uns umso mehr, dass wir unser "Fest" noch einmal in Fürstenfeldbruck zeigen können, zum allerletzten Mal. Danach ist Schluss.

Das Fest; Das Fest

Pullover mit den Anfangsbuchstaben der Beteiligten stehen symbolische für die jeweilige Rolle, die die Schauspieler gerade spielen.

(Foto: JU_Ostkreuz/OH)

Das Fest ist ein extrem schweres Stück. Warum haben Sie sich damals als junger Regisseur genau dafür entschieden?

Ich hatte noch grob den Film in Erinnerung und fand die situative Rahmung der Geschichte sehr dankbar für das Theater: Ein Familienfest, jeder beobachtet jeden, und einer stört die Geselligkeit, weil er mit seiner nackten Wahrheit immer und immer wieder gegen die Fassade anrennt, die erst langsam zu bröckeln beginnt. Ich war damals in einer Phase, in der es mir mit dem Theater ähnlich ging - das Anrennen gegen die Teflonwände einer manchmal wirklich trägen Institution, das Sich-verbeißen in bestimmte Szenen und Konflikte, die sich einfach nicht lösen lassen. Natürlich hat all das nichts mit sexueller Gewalt zu tun, sondern ist viel banaler. Aber das Grundgefühl hat mich gefesselt. Außerdem mochte ich den Text sehr gerne, die direkte, klare Sprache.

Trotz des schweren Stoffs spürt man in der Inszenierung eine gewisse Leichtigkeit. War Ihnen von Anfang an klar, dass Sie diesen Kontrast wollen?

Das ist ja im Material so angelegt, die Grundsituation ist ein ausgelassenes Familienfest anlässlich des Geburtstags des Familienpatriarchen. Man will feiern und möchte dabei nicht gestört werden. Lange besteht die Strategie der Familie - man könnte auch sagen: der Gesellschaft - darin, Christians Anklage so gut es geht unter den Tisch zu kehren: "Ach, hört gar nicht darauf, was der da redet, komm Opa, erzähl weiter deine Geschichten." Erst ganz zum Ende brechen die Konflikte wirklich aus, davor werden sie unter einer zunehmend aufgesetzten Feierlaune begraben. So wird auch unser Abend in seinem Verlauf immer verzweifelter und bösartiger - gegen Ende hat der Humor nichts mehr mit Leichtigkeit zu tun, mit dem anfänglichen Konfettiregen. Das ist meiner Meinung nach die zentrale Energie der Vorlage und die wollte ich von Anfang an auf der Bühne erlebbar machen.

Sie haben gerade schon das Wort Gesellschaft verwendet. Inwiefern ist das Fest auch ein Stellvertreterstück für den Umgang unserer Gesellschaft mit ihren Problemen?

Es gibt natürlich diese fast allegorische Leseweise: Auch wir wollen uns innerhalb unserer Gesellschaft die Party nicht versauen lassen - von Wirtschaftskrisen, Bürgerkriegen, Attentätern. Sicherlich stimmt das auch zum Teil. Beim "Fest" allerdings liegt der Konflikt nicht darin, dass eine Gesellschaft von außen bedroht wird, sondern von innen, aus ihrer eigenen Mitte heraus, angegriffen wird.

Christopher Rüping

Christopher Rüping, 31, hat unter anderem bereits am Thalia Theater, dem Deutschen Theater in Berlin und dem Schauspiel Frankfurt inszeniert. Seit 2016 ist er Hausregisseur an den Münchner Kammerspielen.

(Foto: Andreas Brüggemann)

Sie erzählen die Geschichte, anders als das Drehbuch zum Film, aus der Sicht der Kinder. Warum wechseln Sie die Perspektive?

Weil ich finde, dass es um das Trauma der Kinder geht, egal, ob sie sich ihm stellen oder nicht. Der Weg, den das "Fest" nachvollzieht, ist der verzweifelte Versuch, diesem Trauma zu entkommen und die Deutungshoheit über das eigene Leben zurück zu gewinnen. Wenn man es psychologisch-figürlich betrachtet, müssen die Kinder die Eltern in sich selbst besiegen, sie dort töten, und nicht die realen Eltern. Und auch wenn unsere Inszenierung nicht so angelegt ist, könnte man das "Fest" sicherlich auch so erzählen, dass Christian seinen Kampf mit den Eltern nur in seinem Kopf durchspielt, hypothetisch: Wie würde der Vater reagieren, wenn ich sage, was er mit uns gemacht hat? Was würde ich dann machen? Wann würde ich aufgeben?

"Das Fest", Inszenierung des Staatsschauspiels Stuttgart, Freitag, 24. März, von 20 Uhr an im Veranstaltungsforum.

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