Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Corona-Kredite und Crowdfunding

Lesezeit: 3 min

Mit zunehmender Dauer der Krise schmelzen bei vielen Firmen die Rücklagen weg. Sie benötigen nicht nur Soforthilfen und neu aufgelegte Darlehen, sondern besorgen sich, wie die Camperboys, Geld per Kampagne

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

"Wir sind die ersten, die wiederkommen", sagt Andreas Mall zuversichtlich. Mall und Paul Pizzinini sind die Geschäftsführer der Fürstenfeldbrucker Firma "Camperboys" und derzeit im Wartestand. Wie für viele andere in der Reisebranche bedeuten der Stillstand des gesellschaftlichen Lebens und die Einschränkungen der Freiheitsrechte für sie jeden Tag finanziellen Verlust. Als Startup, das am Flughafen München Reisemobile vermietet, haben sie in ihren ersten beiden Jahren noch nicht die Rücklagen bilden können, mit denen sie in diesen Wochen locker durchkämen. Um liquide zu bleiben, die Gehälter für sechs Mitarbeiter und die laufenden Kosten zu begleichen, wird Geld benötigt. Entweder über die derzeit ausgereichten Corona-Kredite der Förderbanken oder über das Crowdfunding, also per Sammeln von Geld in aller Öffentlichkeit.

Wie den Camperboys geht es derzeit vielen Firmen, nicht nur denen in der Reisebranche. Beim Firmenberater der Commerzbank-Filiale an der Augsburger Straße in Fürstenfeldbruck, Arno Slawinski, häufen sich jetzt die Anfragen und Anträge. Auch bei der Volksbank Raiffeisenbank berichtet Vorstandsvorsitzender Robert Fedinger von einem Anstieg der Anträge. Die Wochen, in denen die üblichen Abbuchungen von den Firmenkonten weitergingen, aber dagegen keine Einnahmen standen, werden länger, die Umsatzeinbußen spürbarer. Die Lage verschärft sich für die, die dieses Jahr investieren wollen.

Um bei den Camperboys als Beispiel zu bleiben: Deren Geschäftsmodell ist es, zu Beginn jeder Urlaubssaison neue Reisemobile zur Vermietung anbieten zu können. Und wenn die Saison vorüber ist, kommen die Fahrzeuge - mit vergleichsweise wenigen Kilometern und gut gepflegt - auf den Gebrauchtwagenmarkt. Das hat im vergangenen Jahr auch gut geklappt, wenn man den Erzählungen der beiden Jungunternehmer Glauben schenken darf, und für dieses Jahr waren schon 33 Neufahrzeuge bestellt: 25 VW-Busse mit Campingausstattung und acht Wohnmobile für bis zu fünf Reisende. Am 1. April hätte die Saison beginnen sollen, doch schon von der zweiten Märzwoche an trafen bei den Camperboys die ersten Stornierungen ein. Mit einem Schlag kam die Reisebranche zum Stehen, die Aussichten, den geplanten Urlaub machen zu können, waren dahin.

Ihre größte Sorge war nun die Finanzierung der Reisemobilflotte. Nach Gesprächen mit dem Zulieferer, bei dem schon Anzahlungen geleistet worden seien, sei die Auslieferung gestoppt worden, und auch auf die in diesem Jahr zum ersten Mal gemieteten Räume innerhalb des Flughafens München konnte die Firma zunächst verzichten. "Den Kunden haben wir Kulanz gezeigt, und das ist gut angenommen worden", sagt Pizzinini. So konnten Stornierungen in Gutscheine umgewandelt werden, die dann eingelöst werden, wenn wieder gereist werden kann.

Um die Kosten zu drücken, hätten sie zunächst ihre eigenen Gehälter gekürzt, berichtet Mall, für die Mitarbeiter sei Kurzarbeit beantragt worden. Auch die Soforthilfe vom Staat beantragten die Camperboys für ihr sechsköpfiges Team. "Es sind 5000 Euro ausgezahlt worden - für sechs Leute", sagt Mall und muss nicht weiter erläutern, wie lange das reicht. Um die Firma am Laufen zu halten, rechneten sie etwa 40 000 Euro aus, eine Summe, die sie als Ziel einer Crowdfunding-Kampagne angaben. Stand Montag sind 6175 Euro eingegangen, 21 Tage bleiben noch Zeit, um das Ziel zu erreichen. Dabei wird das Geld nicht einfach gespendet, sondern die Anleger dürfen dafür etwas erwarten. Von der Edelstahl-Campingtasse über T-Shirts mit dem Firmenlogo bis hin zu Vorträgen der Gründer reichen die Angebote.

Firmen wie den Camperboys stehen aber noch weitere Möglichkeiten der Finanzierung offen. Robert Fedinger, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Raiffeisenbank Fürstenfeldbruck, hat in den vergangenen Wochen viele Gespräche mit Firmenkunden geführt und dabei den Eindruck gewonnen, dass die meisten noch liquide sind und so gut durch die Krise kommen. Soforthilfen seien in Anspruch genommen worden, eigene Rücklagen würden aufgebraucht. Mit zunehmender Dauer des allgemeinen Stillstands aber sei ein Anstieg der Kreditanträge festzustellen. Da die Förderbanken KfW und LfA Corona-Kredite zu besonderen Konditionen aufgelegt haben, nehme das Interesse zu, die Zahl der Beratungen sei gestiegen. Ende vergangener Woche seien es "geschätzte 20 Anträge" gewesen, so Fedinger. Gleichzeitig würden Gespräche geführt, die Ratenzahlungen bestehender Darlehen zu unterbrechen und nachzuzahlen. "Wir sind die Bank, mit der man reden kann", sagt Fedinger, "wir pflegen ein partnerschaftliches Miteinander."

Ihren Kunden Hilfe anbieten will auch die Commerzbank in Fürstenfeldbruck: "Wir stehen auch in dieser schwierigen Situation fest an der Seite unserer Privatkunden, Selbständigen, Gewerbetreibenden und mittelständischen Kunden", lautet der Slogan. Man habe eine Hilfe-Plattform für Unternehmer eingerichtet, damit Kunden jetzt Gutscheine kaufen und sie später einlösen können. Laut Arno Slawinski, Leiter Unternehmenskunden, informieren sich die meisten Kunden erst einmal über Soforthilfen des Bundes und Landes und der KfW. "Wir stellen eine Antragsquote von zehn zu eins fest,", so Slawinkis. Das heißt, von zehn erhaltenen Anfragen wird ein Kreditantrag gestellt." Der Antragsweg für einen KfW-Kredit sei schnell und einfach online zu erledigen. Die Summe der beantragten KfW- oder LfA-Kredite für Fürstenfeldbruck befindet sich den Angaben des Unternehmenskundenberaters zufolge etwa "im mittleren einstelligen Millionenbereich".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4882548
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.04.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.