Demonstration:Gegenwind für Corona-Kritiker

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Durch ein Spalier von Gegendemonstrierenden machen sich die "Spaziergänger" auf den Weg Richtung Hauptstraße. (Foto: Voxbrunner Carmen)

Erstmals erwarten die Gegner der Pandemie-Maßnahmen bei ihrer wöchentlichen Aktion eine angemeldete Gegendemonstration und eine erhöhte Polizeipräsenz. Das Aufeinandertreffen von mehr als 800 Menschen unterschiedlicher Gesinnung verläuft friedlich.

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Durch ein Spalier von Gegendemonstranten mit Plakaten, die zu Impfung und Solidarität aufrufen, mussten am Montagabend die 700 Gegnerinnen und Gegner der Corona-Maßnahmen auf dem Weg zu ihrem gemeinsamen "Spaziergang" laufen. Erstmals hatte sich ein parteiübergreifendes Bündnis, organisiert von Stadtrat Florian Weber (Die Partei) zusammengefunden, um "Gesicht zu zeigen" gegen den Protestzug. Der war im Gegensatz zur Gegendemonstration wieder nicht angemeldet worden. Die Polizei schätzt die Zahl der Gegendemonstranten auf etwa 80, die Veranstalter auf 120.

Erneut versammelten sich die Maßnahmen-Kritiker auf dem Volksfestplatz. Eine im Vergleich zur vergangenen Woche personell deutlich aufgestockte Polizei erklärte noch vor Ort, dass sie den "Spaziergang", wie die Demonstranten ihre Versammlung selbst bezeichnen, als Versammlung versteht und deshalb ein Versammlungsleiter zu melden sei. Statt die Anweisung zu befolgen, setzte sich der Zug unter vereinzelten "Wir gehen nur spazieren"-Rufen in Bewegung. "Die Polizeiinspektion Fürstenfeldbruck war auf die Versammlungslagen vorbereitet und gut gerüstet. Wir appellieren dennoch an die Veranstalter der unangemeldeten Versammlung, diese vorab anzuzeigen und mit den Behörden den Ablauf vorzubesprechen, wie es das Versammlungsrecht vorsieht", so Nina Vallentin, Leiterin der Polizeiinspektion Fürstenfeldbruck.

Die Polizei hat die Zahl der Beamten an diesem Montagabend deutlich erhöht. (Foto: Voxbrunner Carmen)

Zu einzelnen verbalen Ausfällen und kleineren Diskussionen kam es, als die Demonstrierenden durch das Spalier der Gegendemonstrierenden mussten. Ein Demonstrant beschimpfte die Gegendemonstrierenden lautstark als "rot lackierte Drecksnazis", woraufhin andere Teilnehmer ihn aufforderten, sich zu mäßigen. Ein weiterer Demonstrant versuchte außerdem, einen Pressefotografen verbal an seiner Arbeit zu hindern, wurde aber von der Polizei schnell daran gehindert. Nach den verbalen Ausfällen gegen die Fotografin der Süddeutschen Zeitung in der vergangenen Woche waren diesmal Beamte zum Schutz der Berichterstatter abgestellt.

Vom Volksfestplatz zogen die Demonstrierenden über die Augsburger- und Hauptstraße zur Schöngeisinger Straße. Von dort ging es zurück über die Hauptstraße, wo die Teilnehmer mehrere Runden zwischen Hauptplatz und Rathaus auf den Gehwegen im Kreis liefen. Dabei hielten sie sich an die Aufforderung der Polizei, die Straßenverkehrsordnung zu beachten, was auch für rote Ampeln gelte. In der vergangenen Woche hatte die Polizei den Zug noch über rote Ampeln eskortiert. Regelmäßig feuerten sich die Demonstrierenden gegenseitig an und applaudierten. Der Versuch eines Teilnehmers, das Lied "Die Gedanken sind frei" anzustimmen, verhallte ohne Erwiderung. Die wiederholte Aufforderung der Polizei, den Mindestabstand einzuhalten, ignorierte die Mehrzahl der "Spaziergänger", auch Masken wurden nur vereinzelt getragen. Einige trugen Grablichter und Kerzen in den Händen, andere Lichterketten um den Hals.

Die Versammlung blieb friedlich, viele Teilnehmer liefen stumm im Pulk, andere unterhielten sich über bekannte Verschwörungstheorien, ihre Kritik an der Politik oder Alltägliches. In ihrer Pressemitteilung am Montagabend spricht die Polizei von einer "weitgehend störungsfreien" Demonstration. Aufgefallen sei der Polizei allerdings eine 22-jährige Münchnerin, deren Identität nach einer Sachbeschädigung festgestellt wurde. Der Sachverhalt werde der zuständigen Staatsanwaltschaft vorgelegt. Weniger friedlich als die Demonstration ist das, was der Organisator der Gegendemonstration, Florian Weber, berichtet. In einschlägigen Telegramgruppen seien Fotos von ihm geteilt worden und seine privaten Profile auf sozialen Netzwerken. Dazu habe es Nachrichten gegeben, die ihn als Pädophilen und Faschisten diffamieren, dazu den Hashtag #DuwirstniewiederaufderStraßegehen können. Letzteres habe ihn aber weniger getroffen als die unsäglichen Diffamierungen.

Deshalb wisse er nicht, ob er es durchstehe und auch zeitlich schaffe, regelmäßig jeden Montag eine Gegendemonstration zu organisieren. Seine Hoffnung sei, dass sich nun ein überparteiliches Bündnis bilde, das Anmeldung und Organisation abwechselnd stemme. Motivation für die Gegendemonstration sei neben der von Woche zu Woche zunehmenden Zahl an "Spaziergängern", der Eindruck, dass viele von ihnen nicht aus der Stadt Fürstenfeldbruck stammten. "Dagegen wollen wir ein Zeichen setzen. Alle, die hier stehen, sind Brucker." Tatsächlich sind auf dem Volksfestplatz und den umliegenden Parkplätzen an diesem Abend auffallend viele Autos mit auswärtigen Kennzeichen zu finden, viele aus München und Dachau, dazu Freising, Landsberg am Lech, Augsburg sowie Aichach.

Allerdings bestehe der harte Kern der Demonstrierenden durchaus aus Fürstenfeldbrucker Bürgern, sagt Oberbürgermeister Erich Raff (CSU), der wie in den beiden vergangenen Wochen auch an diesem Montag wieder vor Ort war. "Da sind einige Gesichter dabei, die man kennt", sagt er. Erneut sei er in mehrere Diskussionen verwickelt worden. "Wenn es dauernd heißt, alle Politiker sind korrupt und lügen, dann fehlt es am Grundsätzlichen, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Es sind jede Woche die gleichen Gespräche", so Raff. Die Stimmung unter den Demonstrierenden habe er in dieser Woche ähnlich empfunden wie in der vergangenen. Eine erhöhte Aggressivität ist seiner Meinung nach nicht zu erkennen gewesen.

Während die Landeshauptstadt München die "Spaziergänge" mit einer Allgemeinverfügung zu unterbinden versucht, verweist der Oberbürgermeister auf die Zuständigkeit des Landratsamts: "Ich würde es befürworten".

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