Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbrucker Amtsgericht:Kritiker von Corona-Maßnahmen wegen Nötigung verurteilt

Der Mann hinderte eine Pressefotografin bei einer Demonstration im April daran, Aufnahmen von der Veranstaltung zu machen. Nun soll er eine Geldstrafe zahlen.

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Ist es eine Straftat, auf einer Demonstration auf eine Pressefotografin zuzugehen, sie anzusprechen und ihre Kamera wegzudrücken? Mit dieser Frage hat sich das Amtsgericht Fürstenfeldbruck am Mittwochvormittag beschäftigt - und eine deutliche Antwort gefunden: Ja, eindeutig. Deshalb hat es den Angeklagten, einen der Initiatoren der Bürgerinitiative "Fürstenfeldbruck hält zusammen", zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40 Euro wegen Nötigung verurteilt.

Die Bürgerinitiative organisiert seit Mitte Januar, mit kurzer Unterbrechung, die Montagsdemonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen in Fürstenfeldbruck. Mit einem Zwischenruf, dass diese hohe Strafe "lächerlich" sei, machte der Mann seinem Unmut Luft und kündigte später an, dass er Berufung einlegen werde. Die Staatsanwaltschaft hatte sogar eine Strafe von 120 Tagessätzen beantragt, der Angeklagte auf Freispruch plädiert.

Was genau bei der Montagsdemonstration am 4. April passierte, ist gut dokumentiert. Das entsprechende Handy-Video wurde als Beweismittel im Prozess gezeigt. Die Pressefotografin, die für die Süddeutsche Zeitung arbeitet, filmt an der Philipp-Weiß-Straße den Demonstrationszug, als plötzlich ein Mann, der Angeklagte, durchs Bild läuft. Kurz darauf hört man, wie er die Frau von links anspricht. In diesem Moment schwenkt das Bild von der Demonstration auf ihn und man sieht, wie er in Richtung der Kamera greift und diese kurz nach unten dreht, bevor es erst dunkel wird und dann die Aufnahme ganz stoppt.

Der Angeklagte, der ohne Verteidiger im Gericht erschienen war, erklärte, er habe sich davon provoziert gefühlt, so offensiv ins Gesicht gefilmt zu werden. Er beteuerte, er habe die Fotografin weder bedroht noch körperliche Gewalt angewendet. Er habe lediglich verhindern wollen, dass er gefilmt wird, und sie auf einen Vorfall ansprechen wollen, der sich zwei Monate zuvor, im Februar, ereignet hat. Damals hatten der Angeklagte und weitere Mitglieder der Bürgerinitiative auf dem Geschwister-Scholl-Platz Informationen zu ihrer Sicht auf Corona aufgehängt. Auch diese Aktion hatte die Fotografin dokumentiert, auf den Bildern war der Angeklagte zu sehen. Er behauptet, die Veranstaltung sei nicht öffentlich gewesen und die Aufnahmen hätten deshalb nicht in der Zeitung veröffentlicht werden dürfen.

In ihrer Aussage berichtete die Fotografin, dass sie schon mit einem schlechten Gefühl zu der Veranstaltung im April gegangen sei. Immer wieder habe sie in den Monaten davor bei den Demonstrationen Anfeindungen, Beleidigungen und teils massive Bedrohungen von Seiten der Teilnehmer über sich ergehen lassen müssen, auch mit dem Angeklagten habe es früher schon Diskussionen gegeben, unter anderem bei der erwähnten Aktion im Februar. Sie habe die Demonstration im Auftrag der Redaktion gefilmt und erst auf den Angeklagten geschwenkt, um die Situation zu dokumentieren, als er sie angesprochen hat. Daraufhin habe er sie an der linken Hand angefasst, um die Kamera wegzudrücken.

Während des gesamten Prozesses musste die Richterin immer wieder Zwischenrufe des Angeklagten unterbinden, mehrmals drohte sie ihm ein Ordnungsgeld an. Hektisch wurde es gleich zu Beginn, als sie ihm erklärte, dass die drei Zeugen, die er zu seiner Verteidigung angeführt hatte, nicht geladen seien, weil dafür kein ordentlicher Beweisantrag vorgelegen habe. Der Angeklagte beschwerte sich daraufhin, dass er vom Gericht benachteiligt werde, nur weil er keinen Anwalt habe, und beantragte, dass der Prozess verlegt wird. Auch das sei jetzt nicht mehr möglich, erklärte ihm die Richterin.

In ihrer Urteilsbegründung machte sie deutlich, dass die Aufnahmen der Demonstration von der Pressefreiheit gedeckt seien und die Fotografin nur ihrer Arbeit nachgegangen ist. Durch sein Verhalten habe er sie daran gehindert, ihren Beruf auszuüben oder es zumindest billigend in Kauf genommen, indem er sich aus dem Demonstrationszug löst und auf sie zugeht, sie anspricht und die Kamera verdeckt. Damit sei der Tatbestand der Nötigung bereits erfüllt, ein körperlicher Übergriff sei da nicht zwingend eine Voraussetzung.

Die Richterin erklärte auch, dass es sich um eine eher geringfügige Tat handelt und sie dem Angeklagten glaube, dass er nur verhindern wollte, selbst gefilmt zu werden. Dass die Strafe mit 90 Tagessätzen dennoch relativ hoch ausfällt, begründete sie unter anderem mit den zahlreichen Vorstrafen des Mannes, unter anderem wegen verschiedener Betäubungsmittelvergehen und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Zuletzt wurde er im Juli 2021 vom Landgericht Salzburg wegen Drogenkriminalität zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Das Urteil des Brucker Amtsgerichts ist noch nicht rechtskräftig.

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