Etwa 300 Menschen haben am Freitagnachmittag auf dem Gelände des Veranstaltungsforums in Fürstenfeldbruck mit bunten Luftballons ein „Herz für Demokratie“ geformt. Das neu gegründete Bündnis für Demokratie wollte damit zwei Tage vor der Europawahl ein Zeichen setzen. Bereits am Vormittag hatten Jugendliche des Vereins Turmgeflüster e.V. auf dem Platz vor der Stadtbibliothek Aumühle einen kreativen „Wortspielplatz“ für bunte Statements zu Demokratie und Grundrechten gestaltet.
Kurz vor Beginn um 15 Uhr ergoss sich über dem Gelände des ehemaligen Klosters Fürstenfeld ein Platzregen. Eine halbe Stunde später strahlte die Sonne und die etwa 300 Teilnehmer, ausstaffiert mit Regenschirmen und bunten Luftballons, formierten sich auf dem Rasen zu einem großen „Herz für Demokratie“, das aus der Luft mit einer Drohne fotografiert wurde. Der Fürstenfeldbrucker Oberbürgermeister Christian Götz (BBV), der die Demonstranten begrüßte, sprach von einem Zeichen für die Demokratie im Vorfeld der Europawahl.
„Ich habe noch miterlebt, was Nazis anstellen können“, sagt Josef Völk aus Bruck, einer der Teilnehmer. Der 84-Jährige erlebte den Einmarsch der US-Soldaten in der Kreisstadt mit und bekam von den Amerikanern seine erste Schokolade geschenkt. „Ich finde, die AfD ist beängstigend“, sagt er. Auch Christine Sollinger hat sich vom Regen nicht abhalten lassen. „Ich bin immer dabei, wenn es um Demokratie geht“, sagt die Bruckerin. „Mir ist es wichtig, dass wir die Demokratie beibehalten“, betont Isabell Schwirkmann, eine weitere Teilnehmerin an der Aktion.

Zuvor hatten die Initiatoren des Bündnisses für Demokratie, das im April gegründet worden war, ihr Projekt auf einer Pressekonferenz vorgestellt. „Wir wollten die positive Energie der Lichteraktion vom Februar nutzen“, berichtete Dorothee von Bary von der Bürgerstiftung. Damals hatte knapp 3000 Menschen in Bruck bei Einbruch der Dunkelheit den Schriftzug „Nie wieder“ nachgestellt, ausgestattet mit Taschenlampen und den Lichtern von Handys. In Germering und Puchheim fanden ebenfalls Kundgebungen statt, die sich gegen rechts und insbesondere die AfD richteten.
Anschließend habe man 37 Persönlichkeiten eingeladen, um das neue Projekt zu gründen. Die Runde einigte sich nach längerer Debatte auf eine Gründungserklärung, berichtete Katrin Rizzi, die Geschäftsführerin der Bürgerstiftung. Wer die Grundsätze der Initiative unterstütze, könne sich anschließen. Das Projekt wird inzwischen von Verbänden wie dem Kreisjugendring, Brucker Forum, der Volkshochschule Fürstenfeldbruck, dem Verein Turmgeflüster, dem Historischen Verein, Slowfood und dem Sozialforum, den Grünen und der UBP, aber auch Einzelpersonen wie Markus Ambrosy, dem Dekan der evangelischen Kirche, den Bürgermeistern von Landsberied und Puchheim, Andrea Schweizer (FW) und Norbert Seidl (SPD), dem SPD-Kreissprecher Daniel Liebetruth sowie Landrat Thomas Karmasin (CSU) unterstützt.
In seiner Grußbotschaft erklärte Karmasin, dass Politiker eigentlich nicht in Bürgerinitiativen mitmachen, sondern entscheiden und handeln sollten. In dieser schwierigen Zeit mache er jedoch eine Ausnahme. „Denn die Demokratie ist eine umständliche und schwerfällig Staatsform, aber es gibt in Summe nichts Besseres“, sagte der Landrat.

Zum Koordinationskreis des Bündnisses gehört Norbert Leinweber, der Leiter des Veranstaltungsforums. Seiner Auffassung nach umfasst der kulturelle Auftrag des Hauses solches Engagement. Er erinnerte daran, dass auf dem Gelände des Veranstaltungsforums während der Corona-Pandemie ein Testzentrum eingerichtet war und nach Ausbruch des Ukrainekrieges in der Tenne gespendete Hilfsgüter gesammelt und verladen wurden. Für das Bündnis habe man bewusst einen einfachen Slogan gewählt und man wolle auch mit Menschen ins Gespräch kommen, die „vielleicht offen für merkwürdige Parteien“ sind. Eine Grenze zog Leinweber allerdings bei Mitgliedern der AfD.
Tobias Lexhaller, der dem Koordinationsgremium ebenfalls angehört, betonte, dass das Bündnis kein Projekt der Bürgerstiftung sei, wenngleich von dieser initiiert, und prinzipiell allen offenstünde. Wer allerdings mit der Satzung und der Präambel nicht einverstanden sei, könne nicht mitmachen. Darin heißt es, das Bündnis trete „für die Stärkung unserer Demokratie ein, um den in jüngster Zeit verstärkten demokratiefeindlichen Strömungen in unserer Gesellschaft entgegenzutreten“. Die parlamentarische Demokratie sei ein Verfahren, um Mehrheiten zu bilden und den Mehrheitswillen umzusetzen, während gleichzeitig die Rechte von Minderheiten geschützt würden.
Voraussetzung dafür sei „der offene Dialog auf Augenhöhe“. Dabei könnten „tragfähige politische und gesellschaftliche Kompromisse gefunden werden, ohne dass es Gewinner und Verlierer gibt“. Das Bündnis wolle diesen Modus „vorleben“, in dem es Räume für Kommunikation schaffen, „lebendige Demokratie“ sowie das Zuhören fördern wolle. Damit wolle man zeigen, „dass es ein funktionierendes Miteinander gibt in unserer oft sehr auseinanderdriftenden Gesellschaft“. Gefördert werden soll die aktive Teilhabe aller Menschen an der Demokratie und erreicht werden, dass sich mehr Menschen an Wahlen beteiligen.

Bei der Aktion des Vereins Turmgeflüster am Vormittag hatten die Jugendlichen Passanten gefragt, welche Bedeutung Demokratie für ihr Leben habe. Daraus entwickelten sich kurze Gespräche, die Werte, die dabei genannt wurden, malten die Jugendlichen mit Kreide auf den Platz: Freiheit, Recht auf ein selbstbestimmtes Leben, Recht auf Bildung, Entfaltungsmöglichkeiten, Glaubensfreiheit, Umwelt- und Klimaschutz, Reisefreiheit, kulturelle Vielfalt, Achtung der Menschenwürde, Leben ohne Diskriminierungen, Gerechtigkeit, Sicherheit, Zusammenhalt, Chancengleichheit, Gleichberechtigung und Tierwohl.

