Fürstenfeldbruck:Begehrter Fliegerhorst

Unternehmer bekunden Interesse an dem bald frei werdenden Militärgelände. Die Stadt will aber erst einmal klären lassen, wie aufwendig die Bodensanierung wird. Denn im Untergrund schlummern Altlasten und Munitionsreste

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Der Fliegerhorst wäre für viele Unternehmer aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck ein interessanter Standort. Denn bis Ende 2023 soll die Bundeswehr abziehen und Platz machen für Wohnungen und eine gewerbliche Nutzung. Auf der Sitzung der Industrie- und Handelskammer (IHK) am Dienstag im Rathaus wurde aber auch deutlich, dass es noch zu früh ist, um über Grundstücke zu reden. Zunächst muss die Stadt den grundsätzlichen Rahmen festlegen und mit dem Grundeigentümer verhandeln. Der Kaufpreis hängt stark davon ab, welche Altlasten und Munitionsreste vor einer neuen Bebauung zu entfernen sind.

Fürstenfeldbruck: Das Militärareal, vom Westen aus gesehen. Unten das Ehrenmal der Luftwaffe, zwischen den "Sternbauten" und dem "Blauen Palais" der Offizierschule (oben rechts) liegt das sogenannte Asyl-Ankerzentrum. Die geteerte Fläche links daneben wird von BMW für die Driving Academy genutzt, ganz oben verläuft die ehemalige Landebahn. Beide Bereiche gehören bereits zum Gemeindegebiet von Maisach.

Das Militärareal, vom Westen aus gesehen. Unten das Ehrenmal der Luftwaffe, zwischen den "Sternbauten" und dem "Blauen Palais" der Offizierschule (oben rechts) liegt das sogenannte Asyl-Ankerzentrum. Die geteerte Fläche links daneben wird von BMW für die Driving Academy genutzt, ganz oben verläuft die ehemalige Landebahn. Beide Bereiche gehören bereits zum Gemeindegebiet von Maisach.

(Foto: Luftbildverlag Hans Bertram/oh/ Stadt Fürstenfeldbruck)

Oberbürgermeister Erich Raff (CSU), Stadtbaurat Martin Kornacher sowie die bei der Stadt seit März für die zivile Umplanung zuständige Nadja Kripgans-Noisser zeigten sich auf der Sitzung des IHK-Regionalausschusses zuversichtlich, dass auf dem riesigen Militärgelände ein neuer Stadtteil aus einem Guss entstehen kann, ohne dass dadurch die Stadt im Stau versinkt. Raff zufolge wird die Offizierschule mit ihren derzeit etwa 900 Bediensteten und Auszubildenden im Herbst 2023 nach Roth bei Nürnberg umziehen, bis Ende Dezember sollen die restlichen etwa 800 Beschäftigten der anderen Bundeswehr-Dienststellen folgen. Ob sich der Zeitplan einhalten lässt, wird zwar von manchen Experten innerhalb und außerhalb des Fliegerhorsts bezweifelt. Sicher aber ist, dass die Stadt in einigen Jahren die Planungshoheit über ein 178 Hektar großes Gelände erhält. Die Fläche entspricht einem Sechstel des bebauten Stadtgebiets, rein rechnerisch ließen sich darauf etwa 200 Fußballplätze unterbringen. Das sei "eine ganz große Chance, etwas zu bewegen", so Raff. Geplant wird in einer Arbeitsgemeinschaft, der auch die Nachbarn Maisach, Emmering und Olching angehören. Damit soll vermieden werden, dass man sich bei der Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten ins Gehege kommt. Insgesamt umfasst die Fläche dann 600 Hektar - der Löwenanteil entfällt auf Maisach, auf dessen Gebiet die ehemalige Start- und Landebahn sowie die Teststrecken von BMW liegen. Am Beispiel der Driving Academy des Automobilkonzerns werden die Konflikte deutlich: Um eine künftige Wohnsiedlung im Süden und damit auf Brucker Flur vom Lärm abzuschirmen, hat man sich auf den Bau eines Gebäuderiegels verständigt. Weitere Gewerbebauten sind in dem Bereich aber nun kaum noch möglich, weil sonst möglicherweise die Grenzwerte überschritten würden. Man dürfe "nicht an der Stadtgrenze mit dem Nachdenken aufhören", mahnt denn auch Kornacher.

Im bislang noch militärisch genutzten Bereich, der auf Brucker Flur liegt, könnten sich Kripgans-Noisser und Kornacher vorstellen, die 37 Hektar an Waldbestand für eine künftige Erholungsnutzung ebenso zu erhalten wie Teile der unter Naturschutz stehenden Magerrasen-Flächen weiter im Norden. Von dem Gebäudebestand, mit dem eine Fläche von 126 000 Quadratmetern versiegelt ist, stehen etwa 82 000 Quadratmeter unter Denkmalschutz, so wie beispielsweise der sogenannte Kilometerbau, der Tower und die Offizierschule nebst zugehörigem Landschaftspark. Es bleibe gleichwohl eine "Spielwiese" von 21 Hektar, die neu bebaut werden kann, so die Konversionsmanagerin. Bevor aber die Maurer anrücken, ist noch vieles zu klären. Denn erste Untersuchungen nähren den Verdacht, dass an vielen Stellen noch Chemikalien oder Munitionsreste im Untergrund schlummern. Für die Beseitigung muss die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) aufkommen. Der Aufwand der Sanierung lässt sich aber nicht genau vorhersagen. Zum einen fehlt es an detaillierten Erkenntnissen über die Belastung. Zum anderen hängen die Kosten von der späteren Nutzung ab. Wird auf einer Fläche ein Gewerbebau errichtet, muss die Sanierung nicht so umfassend sein wie im Fall eines Kindergartens. Deshalb will die Stadt Schritt für Schritt vorgehen: so soll das Interesse von Unternehmen ausgelotet, ein städtebaulicher Wettbewerb ausgeschrieben und ein Nutzungskonzept erarbeitet werden. Gleichwohl müsse man "klug verhandeln", sagt Kripgans-Noisser.

Gute Noten für den Landkreis

Insgesamt sind die Unternehmen mit dem Landkreis Fürstenfeldbruck als Standort recht zufrieden. In einer Standortumfrage der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern vergaben sie die Durchschnittsnote 2,0. Handlungsbedarf wird noch gesehen in den Bereichen Wohnraum, Fachkräfte sowie Büro- und Gewerbemieten. 84 Prozent der Unternehmen bezeichnen ihren Standort als "sehr gut" oder "gut". Neun von zehn Betrieben würden sich erneut für den Landkreis entscheiden, eine Spitzenbewertung im oberbayernweiten Vergleich. Etwas mehr als ein Fünftel der Unternehmen beklagt jedoch auch, dass Standortmängel ihr Wachstum bremsen. "Ganz oben auf der Wunschliste der Wirtschaft stehen mehr bezahlbarer Wohnraum, mehr Fachkräfte und eine Absenkung der Büro- und Gewerbemieten", sagt Michael Steinbauer, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses. Als Stärken nennt die Wirtschaft das regionale Straßennetz, die stabile Energieversorgung sowie loyale und motivierte Mitarbeiter.

Überdurchschnittlich gut bewerteten die Betriebe im oberbayerischen Vergleich die Wirtschaftsfreundlichkeit der Verwaltung im Hinblick auf digitale Verwaltungsverfahren. Besonders unzufrieden sind die Unternehmen hingegen mit der Anbindung an den Schienengüterverkehr, dem Angebot von Wohnraum und den Gewerbeflächengrundstückspreisen. "Im Mix aller Standortfaktoren bietet unser Landkreis zum Großteil sehr gute Bedingungen", sagt Steinbauer. Jedes vierte Unternehmen plant in den nächsten drei Jahren Betriebserweiterungen oder umfangreiche Investitionen. "Das ist ein positives Signal an den Standort". Allerdings werde dadurch der Wettbewerb um knappe Ressourcen wie Fachkräfte und Gewerbefläche anziehen: "Der Wachstumsdruck und damit auch der Handlungsbedarf nehmen zu."

An der Umfrage zu 44 Standortfaktoren, von Infrastruktur bis hin zu den Freizeitangeboten, nahmen 128 Unternehmen aus dem Landkreis teil. Details unter www.ihk-muenchen.de/standortumfrage.slg

Ziel der Stadt ist es, technikaffine Dienstleistungsunternehmen anzusiedeln, größere Betriebe könnten als "Leuchtturmprojekte" dienen. Die Wohnungen für möglicherweise 4000 bis 6000 zusätzliche Bürger sollen erst in einem zweiten Schritt geplant werden. Damit soll den bis zu 2000 Mitarbeitern der neu angesiedelten Unternehmen ermöglicht werden, direkt in die Nachbarschaft ihrer Betriebe zu ziehen, wodurch der Straßenverkehr reduziert würde. Laut Raff ist ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs erforderlich. Und bis 2032 sei der vierspurige Ausbau der Bundesstraße 471 bis zur Ausfahrt Fürstenfeldbruck-Ost/Emmering sichergestellt.

"Das Interesse von unserer Seite ist da", versichert Michael Steinbauer, der Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses. Man werde den engen Kontakt zur Stadt suchen.

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