Fürstenfeldbruck:Bayern-Pop

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"Ein Stenz vom Berg, wie der Oimara einer ist, schert sich nichts um Konventionen und Genres", sagt der Oimara über sich selbst. Der Hafner Beni vom Tegernsee quasi als Vorband von Deschowieda im Brucker Stadtsaalhof. (Foto: Günther Reger)

Unter dem Motto "All you need is live" hat im Veranstaltungsforum Fürstenfeld ein Sommerfestival begonnen. Am ersten Abend bringen zwei Mundart-Bands die Fans zum Mitsingen und Mitfeiern

Von Johanna Haas, Fürstenfeldbruck

Mit einer dicken Decke, Schokokeksen und einem gemütlichen Sitzkissen macht es sich Jutta Haas auf dem schwarzen Stuhl in Reihe vier bequem. Noch schnell die Fleecedecke über die Beine schlagen, eine dunkelblaue Winterjacke anziehen und in Ruhe auf den Beginn des Konzerts warten. Haas ist zu Gast im Stadtsaalhof des Brucker Veranstaltungsforums. Sie und ihr Mann haben die Karten für das "All-you-need-is live"-Festival in Fürstenfeldbruck geschenkt bekommen. Was sie genau erwartet, wissen sie nicht. Das wissen aber viele andere Gäste, die an diesem Abend gekommen sind. Sie wollen den bayerischen Songwriter Beni Hafner alias Oimara und die Band Deschowieda erleben.

"Ich verfolge die Band Deschowieda seit zwei Jahren und war schon auf vielen ihrer Konzerte", erzählt die junge Besucherin Vroni, die nur ihren Vornahmen erwähnen will. Sie und ihre fünf Freundinnen sitzen ganz vorne in der ersten Reihe. Sie haben zwar keine Decke und auch keine Kekse dabei, dafür tragen sie alle ein Dirndl und haben Bier mitgebracht. "Ich will einfach Spaß mit meinen Mädels haben und Corona mal für einen Abend vergessen", sagt Vroni. Das wollen andere auch: junge Männer in Lederhosn - mit einem Kasten Augustiner unterm Arm, Frauen im Dirndl mit einem Aperol in der Hand und Rentner mit Sitzkissen und Essen. Alle sind da, um eine gute Zeit zu haben.

Ein Mann im weiß-blau-karierten Hemd betritt die Stadtsaalbühne - in seiner Hand eine Gitarre. Er stellt sich vor ein Mikro, grinst frech ins Publikum und begrüßt alle: "Servus! Ich bin der Oimara. Jetzt gehts endlich los." Nach dieser Ansage ploppen Bierflaschen auf, Weingläser klirren aneinander und die Schokokekse werden noch schnell in den Mund gesteckt - dann erklingen die ersten Songs. "Mit dem ersten Lied stelle ich mich erst mal ein bisschen vor", betont Oimara.

"I bin a Pfarrersbua, mei Vater is a Pfarrer und mei Mutter is a Pfarrer, mei Schwester is a Pfarrer, aber i - ohne Gummi treib i's nie." Gelächter im Publikum. "Pfarrersbua" heißt der Titel, mit dem der gut gelaunte Bayer das Open-Air Festival einleitet. Irgendwann singen alle mit, springen von ihren Klappstühlen auf, legen die Decke beiseite und tanzen. Ganz ohne Band im Rücken, schafft es der 28-jährige Songwriter vom Tegernsee, die Zuschauer für sich zu gewinnen. Die Mädchengruppe aus der ersten Reihe springt auf und ab, sie nehmen sich in den Arm und singen lauthals: "Heid is ma alles wurscht." Der ganze Innenhof feiert zusammen und ruft sich nette Worte zu: "Ich lieb' euch!" - ein Gemeinschaftsgefühl trotz Sicherheitsabständen und Bestuhlung. "Wer ist denn heute mit seinem Lieblingsdeppen da?", fragt der Tegernseer dann. Hände schießen in die Höhe, Köpfe drehen sich zu allen Seiten um. "Lieblingsdepp" ist also das nächste Lied auf der Setlist.

Bald wird klar, wieso das Publikum so unterschiedlich ist: Oimaras Lieder sind richtige Partyhymnen, bei dem es alle von ihren Sitzen reißt. Die Kekse wurden mittlerweile beiseite gelegt und das erste Bier, das erste Glas Wein durch ein zweites und drittes ersetzt. Die Stimmung erreicht ihren Höhepunkt, als das Lied "Busheislparty" angestimmt wird. Lachend greift Beni Hafner zum Mikrofon und singt von seiner Lieblingsbeschäftigung: Feiern im Bushäuschen. Motiviert stampft der Improvisateur, als den er sich selber bezeichnet, auf den Bühnenboden - ein dumpfer Bass wird von den Lautstärkern in den Stadtsaalhof getragen. Weil das Publikum so gut drauf ist, gibt es noch eine Zugabe. Dann verlässt der strahlende Oimara zufrieden die Bühne. Und hat es den Besuchern gefallen? "Es war einfach nur geil." Diese Aussage einer Besucherin fasst es wohl am Besten zusammen.

Die eigentliche Hauptgruppe an diesem Abend ist die bayerische Mundart-Band Deschowieda, die dem mitreißenden Auftritt des Vorgängers etwas entgegensetzen muss. Die 2013 in Erding gegründete Band konzentriert sich auf Welthits, und weil die auf Bairisch noch viel besser klingen, wurden Deschowieda quasi über Nacht berühmt und eroberten mit ihrer Version "Nimma" auf Pitbulls Hit "Timber" die deutschen Bühnen. Im Vorjahr legten sie mit "Stammtisch" ihre eigene Interpretation des Welthits "Can't touch this" auf Bairisch auf. Mit ihrem Mix aus Mundart, Pop und Volksmusik versucht das Trio die Zuhörer zu begeistern. Die Musiker betreten die Bühne mit Tuba, Posaune, Schlagzeug und Gitarre. "Servus Fürstenfeldbruck, seid's ihr gut drauf?", fragt Leadsänger Max Josef Kronseder. Und natürlich sind die Zuschauer gut drauf - die Hände schießen in die Höhe, Jubel bricht aus. Sie stimmen ihre Antwort auf den Sommerhit "Despacito" an - Tuba, Schlagzeug und Gitarre kommen zum Einsatz, und viele Zuhörer fangen wieder an zu tanzen. Andere setzen sich auf ihre Klappstühle, wickeln sich Decken um ihre Beine, holen die Kekse wieder raus oder besorgen sich ein neues Bier. Ein Teil der Zuschauer vermisst den sympathischen Tegernseer Oimara, der sich mit seinem feinsinnigen Humor nicht zu ernst genommen hat. "Das ist jetzt gewöhnungsbedürftig", bemerkt Jutta Haas. Und ein anderer Festivalbesucher findet: " Rammstein und Metallica kann man mögen oder nicht mögen, aber die haben wenigstens Charakter."

© SZ vom 28.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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