Fürstenfeldbruck:Baumfrevel im Behördendschungel

In Grafrath, Kottgeisering und Puchheim werden geschützte Bäume ohne Genehmigung gefällt. Kommunen und Landratsamt können sich eineinhalb Jahre lang nicht einigen, wer für die Ahndung zuständig ist

Von Peter Bierl

Kottgeisering - Das Entsetzen unter den Nachbarn war groß, als ein Grundbesitzer im Februar 2018 auf der Johannishöhe in Kottgeisering einen Kahlschlag veranstaltete. Zumal die Bäume unter Schutz standen. Während der Eigentümer sagte, er habe von der Auflage nichts gewusst, sprach Bürgermeisterin Sandra Meissner (FW) sofort von "mutwilliger Zerstörung". Das Landratsamt kündigte ein Bußgeldverfahren an. Passiert ist nichts, außer dass sich die Behörden gegenseitig die Verantwortung zuschoben. Ähnliche Fälle liegen aus Grafrath und Puchheim vor.

Eine Baumschutzverordnung gibt es im Landkreis nur in Gröbenzell. Häufig jedoch nehmen Stadt- und Gemeinderäte einzelne Bäume oder Baumgruppe in Bebauungsplänen als erhaltenswert auf. Trotzdem kann man sie noch fällen, aber nur mit Genehmigung der Behörden. Eine solche besaßen weder der Grundbesitzer in Kottgeisering, noch die Firma, die in der Sandbergstraße in Puchheim im März 2018 eine alte Linde fällte. Ohne Genehmigung verschwanden auch mehrere Bäume im Landmanngassl in Grafrath. Alle drei Fälle zeichnen sich dadurch aus, dass keine Bußgeldverfahren eingeleitet wurde, wie Recht und Gesetz es vorsehen, sondern Kommunen und Landratsamt haderten, wer nun zuständig sei.

Baumfällung

In Grafrath im Landmanngaßl wurden Bäume ohne Genehmigung gefällt.

(Foto: oh)

Die Kottgeiseringer Bürgermeisterin wirbt um Verständnis. Die Sache sei juristisch knifflig. "Das muss gründlich gemacht werden, damit es wasserdicht ist", sagt Meissner, die selbst Anwältin ist. Andererseits spricht sie von einem "Signal an die Bevölkerung". Deshalb sei es wichtig, solche Fälle zügig abzuarbeiten. Stattdessen entwickelte sich ein umfangreicher Schriftverkehr zwischen den Behörden und den Grafrather Gemeinderäten Roger Struzena (Grüne) und Burkhard von Hoyer (Bürger für Grafrath), die nachhakten.

In Sachen Landmanngassl bestätigte das Landratsamt Struzena im März 2018, es liege eine Ordnungswidrigkeit vor und die Kreisbehörde sei zuständig. Die Referatsleiterin bat den Umweltreferenten sogar um beweiskräftige Fotos. Drei Monate später fragte Struzena nach, auch wegen der Fällungen in Kottgeisering, und erhielt zur Antwort, es seien Besprechungen mit den Gemeinden geplant, aber wegen Arbeitsüberlastung zurückgestellt. Im Juli 2019 wollte Struzena wissen, ob die Vergehen inzwischen geahndet seien - und bekam einen Monat später mitgeteilt, es bestünde juristischer Klärungsbedarf, der noch nicht abgeschlossen sei.

Baumfällung Puchheim

Der Fall in der Sandbergstraße in Puchheim konnte noch nicht geklärt werden.

(Foto: Privat)

Ähnlich liest sich der Schriftwechsel von Hoyers mit der Kreisbehörde in einem anderen Fall, der das sogenannte Matrau-Gebiet betrifft. Der Gemeinderat wollte wissen, ob der Eigentümer eine Genehmigung hatte, als er im Januar 1919 einige Baum fällen ließ. Das Landratsamt verneinte Mitte Februar, verwies aber auf die Gemeinde, die zuständig sei, was wiederum Bürgermeister Markus Kennerknecht (Parteifrei/CSU) bestritt.

In der Sandbergstraße in Puchheim hatte Nachbarn das Stadtbauamt alarmiert, aber als die Mitarbeiter eintreffen, war die alte Linde umgehauen. Der Bauherr hatte sogar eine Genehmigung beantragt, die der Bauausschuss ihm aber verweigerte. Das Landratsamt kündigte ein Bußgeldverfahren an. Ein Jahr später kursierte das Gerücht, es wäre eine Buße von 300 Euro verhängt worden. Auf Nachfrage der SZ im August 2019 verwies das Landratsamt an die Stadt, die wiederum auf die Kreisbehörde. In Grafrath hatte der Bürgermeister inzwischen den bayerischen Gemeindetag angerufen, um die Rechtslage zu klären, der wiederum reichte die Frage an das bayerische Bauministerium weiter. Mitte September lag eine differenzierte Antwort vor. Zu unterscheiden sind demnach drei Fälle: Das Landratsamt ist als Bauaufsichtsbehörde zuständig, wenn ein Bauantrag vorlag, aber die Fällung nicht genehmigt wurde. Das könnte auf Puchheim zutreffen. Die Kreisbehörde ist ebenfalls in der Pflicht, wenn Gemeinderäte so schlau waren, im Bebauungsplan eigens auf den Artikel 79 der Bayerischen Bauordnung zu verweisen und das Thema damit abzugeben. Andernfalls gilt Paragraph 213 des Baugesetzbuches und die Kommunen sind zuständig. Das gilt für die beschriebenen Fälle in Grafrath und Kottgeisering. Klar scheint die Rechtslage in Bruck und Germering. Als Große Kreisstädte sind beide Kommunen als untere Bauaufsichtsbehörde immer in der Verantwortung.

Sie werde jetzt unverzüglich handeln, kündigt die Kottgeiseringer Bürgermeisterin an, die sich als Kandidatin der Freien Wähler um das Amt des Landrats bewirbt. Es fehlten ihr aber noch die Akten, sagt Meissner. Ihr Grafrather Kollege sagt, er hole gerade die Stellungnahmen der beiden Grundeigentümer ein. Allerdings geht Kennerknecht davon aus, dass keine Verstöße vorliegen.

"Nach dem aktuellen Bebauungsplan sind die Bäume gar nicht geschützt", sagt er zum Fall Matrau. Hartwig Hagenguth (Bürger für Grafrath) moniert jedoch, der Bebauungsplan sei geändert worden. Zum Zeitpunkt der Fällung habe die Fläche noch unter Schutz gestanden. "Ich bin nicht ganz sicher, ob das früher drin war", räumt der Bürgermeister ein. Der Eigentümer, Bernd Traut, der für eine parteifreie Gruppe im Gemeinderat sitzt, weist die Vorwürfe zurück. Die Fläche sei nie geschützt gewesen. Im übrigen habe es sich um Bäume an der Grundstücksgrenze gehandelt, und durch Zweige und Äste Passanten gefährdet hätten.

Baumfällung

Auch die Johannishöhe in Kottgeisering ist betroffen.

(Foto: oh)

In Puchheim stehen auf dem etwa 1000 Quadratmeter großen Grundstück in der Sandbergstraße 20 jetzt vier neue Doppelhaushälften. Das Bußgeldverfahren sei eingeleitet, aber noch kein Bescheid ergangen, sagt Bauamtleisterin Beatrix Schemiser. Immer noch müssten Zuständigkeitsfragen geklärt werden.

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