Zweite Stammstrecke:Die übliche Gigantomanie

Zweite Stammstrecke: Nicht nur Demonstranten - hier 2019 am Bahnhof Buchenau - haben davor gewarnt: Die zweite Röhre darf nicht alle Mittel auf sich ziehen, schon gar nicht die für den Ausbau der S4-Linie.

Nicht nur Demonstranten - hier 2019 am Bahnhof Buchenau - haben davor gewarnt: Die zweite Röhre darf nicht alle Mittel auf sich ziehen, schon gar nicht die für den Ausbau der S4-Linie.

(Foto: Günther Reger/Günther Reger)

Der S-Bahn-Tunnel verbrennt Geld und zementiert eine falsche Zentralisierung des Nahverkehrs. Die Pendler leiden weiterhin unter den Mängeln der Stammstrecke.

Kommentar von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Die Bevölkerung im Landkreis Fürstenfeldbruck wächst und mit ihr die Zahl der Autos und die Umweltzerstörung. Eine Verkehrswende ist überfällig, dabei ist die Bahn entscheidend, während das Elektroauto bloß Blendwerk ist. Solange die erzwungene Massenmobilität zwischen Wohnort und Arbeitsplatz existiert, lässt sich diese nur mit Zügen halbwegs umweltfreundlich gestaltet. Diese Lösung wiederum haben CSU und SPD für die Region gründlich versaubeutelt, in dem sie auf das Projekt einer zweiten S-Bahnröhre in München setzten, die Geld und Planungskapazitäten verschlingt.

Das Projekt war von vorneherein unsinnig, weil die S-Bahn durch Nord- und Südringe und eine Umlandbahn zum Netz hätte ausgebaut werden müssen, statt die störanfällige Zentralisierung auszubauen. Der Fürstenfeldbrucker, der in Garching arbeitet oder im Münchner Süden, würde auf den Umweg über und das Umsteigen am Hauptbahnhof oder Marienplatz gerne verzichten. Aber das Interesse der Pendler war stets nachrangig gegenüber einer Gigantomanie, die große Baufirmen und Politiker lieben. Und so haben CSU-geführte bayerische Landesregierungen den Ausbau der S 4 ein Jahrzehnt lang für den Moloch in München verschoben und verstümmelt.

Das milliardenschwere Tunnelgrab ist bloß ein weiteres Beispiel für die Arroganz der Macht und vermeintlicher Experten, die ihr zu Willen sind: Am Anfang werden Kosten und Zeitpläne schöngerechnet, objektive Schwierigkeiten verharmlost, die sich aus Topographie oder Bebauung ergeben, und Kritiker denunziert. So wurden in diesem Fall Umwelt- und Verkehrsverbände abgebügelt, insbesondere Martin Runge, der Landtagsabgeordnete der Grünen aus Gröbenzell, wurde geschmäht. Er hat Recht behalten.

Das ist ein schwacher Trost, denn beim nächsten Großprojekt läuft es wieder so, das hat System: Diejenigen, die immer groß von Verantwortung tönen, übernehmen in Wahrheit nie Verantwortung, sondern werden mit einträglichen Posten und fetten Pensionen weggelobt. Die Leidtragenden sind in diesem Fall die Fahrgäste im Umland, die fast jeden Tag mit Verspätungen rechnen müssen, wegen maroder und fehlender Anlagen und Fahrzeuge.

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